Änderung des Kirchlichen Arbeitsrechts
Bischöfe beschließen Novelle der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“
1. Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts wird das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 zum Streikverbot im kirchlichen Dienst aufgegriffen. Die Neuordnung legt fest, dass Gewerkschaften in Zukunft am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen organisatorisch zu beteiligen sind (Art. 6 Abs. 3 GrO). Näheres zu Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges ist in der Rahmen-KODA-Ordnung festgelegt, die bereits am 24. November 2014 von der Vollversammlung des VDD beschlossen wurde. (vgl. Pressemitteilung vom 26. November 2014; siehe unten zum Herunterladen - aktuelle Fassung der Rahmen-KODA-Ordnung vom 24. November 2014).
2. Ebenfalls neu geregelt wurde das Zugangsrecht der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen (Art. 6 Abs. 2 GrO). Gewerkschaftsbeauftragte erhalten danach, auch wenn sie nicht im kirchlichen Dienst stehen, ein Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen, um innerhalb der Einrichtung für den Beitritt zu diesen Koalitionen zu werben, über deren Aufgabe zu informieren sowie Mitglieder zu betreuen.
3. Im Bereich des individuellen Arbeitsrechts sind die kirchenspezifischen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst worden. Schwerwiegende Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen können im Einzelfall entsprechende arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Loyalitätsanforderungen nicht mehr, so muss der kirchliche Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer auch in Zukunft zunächst anhören und prüfen, wie dem Pflichtenverstoß wirksam begegnet werden kann (Art. 5 Abs. 1 GrO). Bei der Ahndung von Loyalitätsverstößen gilt das Ultima-Ratio-Prinzip. Es besagt, dass die Beendigungskündigung eines Arbeitsverhältnisses nur das allerletzte Mittel ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle anderen denkbaren – aus Sicht des Arbeitnehmers – milderen Mittel (z. B. Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung usw.) auszuschöpfen, bevor er vom schärfsten Instrument der Beendigungskündigung Gebrauch macht.
4. Welche Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen im Einzelnen als schwerwiegend anzusehen sind, wird im Gesetz beispielhaft, aber nicht abschließend aufgezählt (Art. 5 Abs. 2 GrO). Die Neufassung der Grundordnung unterscheidet zwischen Loyalitätsverstößen, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, und solchen, die nur von katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begangen werden können. Zu den schwerwiegenden Verstößen zählen z. B. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), der Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten.
5. Die erneute standesamtliche Heirat nach einer zivilen Scheidung ist zukünftig grundsätzlich dann als schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu werten, wenn dieses Verhalten nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Dasselbe gilt für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Diese Handlungen besitzen damit bei Vorliegen besonderer Umstände und damit nur in Ausnahmefällen Kündigungsrelevanz. Das ist z. B. der Fall, wenn objektive Gründe befürchten lassen, dass eine erneute standesamtliche Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft sich störend auf die Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft auswirkt. Bei einer Wiederverheiratung können sich solche Umstände zum Beispiel ergeben aus der beruflichen Stellung des Mitarbeiters, aus der Art und Weise, wie der geschieden wiederverheiratete Partner mit dem Scheitern der Ehe bzw. Wiederheirat in der Öffentlichkeit umgeht oder wie er seine gesetzlichen Verpflichtungen aus seiner ersten Ehe erfüllt. Notwendig ist eine Gesamtbeurteilung.
Das kirchliche Arbeitsrecht kennt keine Kündigungsautomatismen. Ob bei einem Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten eine Weiterbeschäftigung möglich ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab.
Bei bestimmten Berufsgruppen bestehen erhöhte Loyalitätserwartungen. Hierzu zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung tätig sind. Ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß ist bei diesen Personengruppen in jedem Fall geeignet, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Insoweit bleibt es im Wesentlichen bei der bisherigen Rechtslage.
6. Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird in Zukunft in jeder (Erz-)Diözese oder wahlweise in mehreren Diözesen gemeinsam eine zentrale Stelle geschaffen, die vor Ausspruch einer Kündigung aufgrund eines Loyalitätsverstoßes konsultiert werden soll (Art. 5 Abs. 4 GrO). Darüber hinaus enthält die Grundordnung eine Evaluierungsklausel (Art. 5 Abs. 5 GrO). Die Evaluierung dient dazu, die Wirkung des Gesetzes in der Praxis zu ermitteln. Sie erfolgt nach fünf Jahren.
7. Eine zusätzliche Arbeitsgruppe, deren Zusammensetzung noch offen ist, wird die Frage prüfen, ob das Kirchliche Arbeitsrecht stärker institutionell ausgerichtet werden kann.
8. Der Beschluss der Vollversammlung des VDD tritt für jede (Erz-)Diözese erst mit dem Zeitpunkt, der in der Veröffentlichung des Gesetzes im jeweiligen Kirchlichen Amtsblatt genannt wird, in Kraft.
Hintergrund:
Die Grundordnung ist die wichtigste Rechtsquelle des Arbeitsrechts in der katholischen Kirche. Ihre zehn Artikel bilden die Grundpfeiler der kirchlichen Arbeitsrechtsverfassung. Der bestehenden bischöflichen Arbeitsgruppe gehören mehrere Diözesanbischöfe sowie weitere Rechtsexperten an. Geleitet wurde diese Gruppe bis zu seiner Emeritierung von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Freiburg). Seit dem 29. Juni 2014 ist Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) Vorsitzender.
Hinweis:
Den neuen Text der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ sowie die aktuelle Fassung der Rahmen-KODA-Ordnung vom 24. November 2014 finden Sie als pdf-Dateien untenstehend zum Herunterladen.
Eine Liberalisierung wird nur derjenige feststellen können, wer den neuen Text der Grundordnung nicht gelesen hat. Da gibt es dann doch einige Passagen, in denen veraltet geglaubtes Vokabular neu ausgepackt wird und die man durchaus auch als gegen kritische Katholiken gerichtet lesen könnte. ("Propagieren von Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Überzeugungenstehen...während der Arbeitszeit.")
AntwortenLöschenUnd überhaupt: ist die Antiantidiskriminierungsrichtlinie vom Juni 2001 (Verpartnerung als zwingender Kündigungsgrund) zurückgenommen worden.
Dann doch lieber:
anonym
Fragezeichen im 2. Satz vergessen.
AntwortenLöschenNochmal:
anonym
Die "Antiantidiskriminierungsrichtlinie" datiert vom 24. Juni 2002 (nicht 2001) und sie wurde mit dem jetzigen Beschluss aufgehoben. Ist aus Kardinalskreisen zu hören.
AntwortenLöschenDas war aber keine "Antidisrkiminierungsrichtlinie" sondern die
AntwortenLöschen"Erklärung zur Unvereinbarkeit von Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit den Loyalitätsobliegenheiten nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse"
vom 24. Juni 2002