Samstag, 30. April 2022

Samstagsnotizen: Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.6.) "Betriebsverfassung" - Art. 8 GrO

Das kirchliche #Arbeitsrecht steht in der Kritik. Nun fordert die #KAB eine grundlegende Reform in einem Offenen Brief an Bischof Georg #Bätzing und Kardinal Rainer Maria #Woelki. Schwerpunkte sind Arbeitnehmerrechte und die Gestaltung der Reform: https://bit.ly/3kiPFim #Kirche
twitterte das "Ökumenische Sozialwort" unter Bezug auf einen Beitrag von "katholisch.de":
REGELUNGEN MÜSSTEN VORBILD FÜR MENSCHENWÜRDIGE ARBEITSWELT SEIN
KAB fordert Arbeitsrechtsreform auf Augenhöhe
AKTUALISIERT AM 28.04.2022

...
Der kirchliche Dienst müsse ein "effektives und einklagbares Gleichgewicht der beiden Seiten sicherstellen". Dies betreffe etwa die betriebliche Mitbestimmung: "Ein eigenes, kirchliches Mitbestimmungsrecht hat nur dann seine Berechtigung, wenn es ein stärkeres Mitbestimmungsrecht darstellt" als im Betriebsverfassungsgesetz gefordert.

Forderung nach stärkerer Mitbestimmung

Die Seite der Beschäftigten müsse "zur Durchsetzung ihrer Interessen ausreichend befähigt werden", schreibt die KAB weiter. Dafür brauche es Arbeitgeberverbände oder auch Gewerkschaften. Auch seien die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes in der Ausgestaltung von Tarifen weiter zu berücksichtigen. ...
Damit hat sich die KAB - gerade rechtzeitig zum 1. Mai - erneut zum Thema "kirchliches Arbeitsrecht" geäussert und den Block auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht gelenkt.
Das passt - wohl zufällig - genau in unsere Blockreihe "Samstagsnotizen".

Damit kommen wir nun also zu einem weiteren tragenden Balken des besonderen kirchlichen Arbeitsrechts - dem Mitarbeitervertretungsrecht.
Die KAB charaktarisiert das eigene katholische Mitarbeitervertetungsrecht wie folgt:
Einmal abgesehen davon, dass bei einem direkten Verglich die Liste der Mitbestimmungsverpflichtungen im BetrVG deutlich länger ist als bei der MAVO - es gibt noch einen weiteren, in diesem Fall ganz augenfälligen Unterschied. Solange ein Betriebsrat nicht ausdrücklich ja zu einer Maßnahme gesagt hat, liegt eine Zustimmung nicht vor. Damit geht es erst einmal nicht weiter oder zu einer betrieblichen Einigungsstelle. Eine MAV hat jedoch nur eine Woche zur Verfügung, um auf einen Zustimmungsantrag zu reagieren. Schweigt sie, stimmt sie zu. Stimmt sie nicht zu, bleibt nur der Gang zu einer Einigungsstelle auf Diözesanebene. Mit deutlich anderen Spielregeln als eine betriebliche Einigungsstelle. Hinzu kommt: Die Möglichkeit, Nein zu sagen, ist auf schlichte Rechtskontrolle beschränkt. Eine MAV hat daher kaum die Möglichkeit zu einer organisatorischen wie sozial gestaltenden Mitbestimmung, sonder nkann allenfalls Rechtsmißbrauch verhinden. Diese Benachteiligung der MAVen zieht sich durch das gesamte Regelwerk: Schlimmstes verhindern - ja, Gestaltend wirken: kaum.
Quelle: KAB Impulse 01/2022 S. 11
Dass das "sozial vorblidlich" wäre (wie von Kardinal Frings dem Bundeskanzler Adenauer zugesichert), oder gar der eigenen Soziallehre entsprechen würde (Mater et magistra, Nrn. 91 ff) wird wohl niemand so recht überzeugend behaupten können.

Freitag, 29. April 2022

Drei Monate und fünf Tage nach

der ARD-Veröffentlichung zur Initiative #OutInChurch, in der sich 125 haupt- und ehrenamtliche queere Kirchenmitarbeiter zu ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität bekannten, scheint sich die Diskussion auf die kirchliche Sexuallehre zu fokussieren.

Katholisch.de berichtete beispielsweise am
09.03.2002: "#OutInChurch": Die Reform des Arbeitsrechts ist nicht genug
26.04.2002: Drei Monate #OutInChurch: "Coming Out hat spirituelle Dimension"
28.04.2022: 24-JÄHRIGER WILL KEINEN KIRCHLICHEN ARBEITSVERTRAG – BIS SICH ETWAS ÄNDERT

Aber danach beschränken sich die eingeforderten und von den Bischöfen verbal zugestanden Menschenrechte wohl wirklich nur auf diesen einen Aspekt. Der Eindruck entsteht, wenn etwa im Interview vom 26.04.2002 Bernd Mönkebüscher, Pfarrer in Hamm (im Erzbistum Paderborn) und einer der Initiatoren der Aktion #OutInChurch, mit der Aussage zitiert wird:
Die Kirche muss an dieser Stelle endlich die Menschenrechte akzeptieren und umsetzen.
Ja - Pfarrer Mönkebusch hat nicht Unrecht, wenn er meint:
die Bischöfe ... merken, dass die Schieflagen sonst anders aufgelöst werden, etwa dadurch, dass die Politik künftig tätig wird. ... Eine Tendenz, die man oft beobachten kann: Kirche möchte das Heft des Handelns gerne in der Hand behalten.
Nun, bei arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat jedes Gewerkschaftsmitglied auch Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz zur Einhaltung des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Die Menschenrechte umfassen aber mehr als die gottgegebene sexuelle Identität eines Menschen. Wir erinnern an unseren Bericht vom 21. April (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages ...) und an die ständige Mahnung, die eigene katholische Soziallehre auch in der eigenen Kirche umzusetzen.

Donnerstag, 28. April 2022

Caritas-Theologen fordern Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht

Es gelte, "ein gewinnendes christliches Narrativ des kirchlichen Dienstes zu entwickeln, statt mit einem sanktionierenden kirchlichen Arbeitsrecht zu drohen": Mehrere Theologen rufen zu einer grundlegenden Neuausrichtung der Grundordnung auf.
berichtet "katholisch.de"

Allerdings bekennen sich die Unterzeichner weiter zu dem eigenen System des Arbeits- und Tarifrechts der Kirchen in Deutschland, dem sogenannten Dritten Weg. Das ist zu kurz gesprungen.
Die Caritas-Theologen hielten dazu jetzt fest: "Wir erwarten von den deutschen Bischöfen einen transparenten und partizipativen Prozess zur Erstellung einer neuen Grundordnung für den kirchlichen Dienst."
Wie kann "partizipativ" ohne Gewerkschaft stattfinden? Haben die Caritas-Theologen die einschlägigen Enzykliken nicht gelesen oder nicht verstanden?

Streiktag trifft Neunkircher Kita-Eltern - Verdi ruft Kitas im Kreis Neunkirchen zum Streik auf

 meldete die Saarbrücker Zeitung am 25. April und schrieb weiter: 

Bis auf die KitA Parkstraße sind an diesem Dienstag die Kindergärten in Neunkirchen geschlossen. ....
Das macht neugierig. Sollte es dort nur kommunale KiTAs geben?
Eine Suche in google ergibt für Neunkirchen:
- Städtische Kindertagesstätte "Regenbogen" in der Parkstraße
- Städtischer Kindergarten in der Talstraße
- Evangelische Kindertagesstätte "Arche Noah"
. Evangelische Kindertagesstätte "Hand in Hand"
- St. Marien Kindergarten

Waren da wirklich bis auf den einen kommunalen in der Parkstraße auch die freigemeinnützigen KiTAs geschlossen?

Nun, wir haben uns erkundigt - und google ist nicht umfassend. Es gibt nach Auskunft der Stadt Neunkirchen *)
in Neunkirchen die Auswahl unter 13 städtischen Einrichtungen. In diesen Einrichtungen werden Kinderkrippen-, Kindergarten-, Ganztags- und Hortplätze angeboten.
Außerdem gibt noch es die konfessionellen Einrichtungen: 4 evangelische und 5 katholische Kindergärten.
Abgerundet wird das Angebot durch 2 Kindertagesstätten privater Trägergesellschaften.
Wenn alleine schon nahezu alle kommunalen KiTAs "dicht sind", dann ist das schon eine deutliche Demonstration der Stärke. Allerdings ist der "kommunale Schneepflug" nur so stark, wie die eigenen Kräfte reichen. Sind denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der anderen Träger nicht auch an einem möglichst guten, vorbildlichen kommunalen Tarifergebnis interessiert?
Da wäre es jetzt tatsächlich spannend zu wissen, ob auch die 11 nichtkommunalen KiTAs geschlossen waren - wegen einer Teamfortbildung, Mitarbeiterversammlung oder anderen Schließtagen wäre das ja auch ohne Streik möglich. Das hätte am Streiktag wirklich eine mehr als wuchtige Demonstration der Geschlossenheit und Solidarität sein können. Aber selbst wenn es nicht so war: was nicht ist kann ja noch werden ...


*) siehe auch "Kindergärten in Neunkirchen"

Dienstag, 26. April 2022

Gibt es das Schisma, vor dem zum 11. April 2022 insgesamt 74 Kardinäle und Bischöfe gewarnt haben, schon längst?

Diese Meinung soll jedenfalls der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet nach einer Meldung von katholisch.de vertreten:
Immer wieder ist von einem drohenden Schisma zu hören. Unverblümt spielen die Kritiker auf die schließlich zum Schisma führende Reformbewegung an, die Luther mit seiner heftigen Kritik an den Zuständen und der Theologie in der Kirche seiner Zeit übte. Sich sorgen, dass ein Schisma kommen könnte, müssen die Kritiker sich aber nicht. Es gibt das Schisma längst. Ob es institutionell vollzogen wird, ist eine nachrangige Frage. Die innere Distanz zu dem, was angeblich als verbindlich zu glauben vom Lehramt der römisch-katholischen Kirche vorgegeben wird, ist in vielen katholischen Milieus so ausgeprägt, dass hier auch nichts mehr zu kitten ist. Ob dieser Prozess im deutschsprachigen Raum nur intensiver vorangeschritten ist als in anderen kulturellen Kontexten, vermag ich nicht zu beurteilen. Es ist der Geschmack an der Freiheit, den längst auch viele Katholikinnen und Katholiken als evangeliumsgemäß kosten wollen, der die Distanz geschaffen hat.

...
Die ständige Warnung vor einer Protestantisierung der Kirche signalisiert allerdings, dass es seit dem 16. Jahrhundert eine ausgeprägte Fixierung der römischen Behörden auf Entwicklungen nördlich der Alpen gibt. ...
Striet setzt sich dann insbesondere mit der kirchlichen Sexuallehre und der Gewissensfreiheit auseinander. Wir können und wollen uns nicht mit der gesamten Diskussionsmaterie aus dem "Synodalen Weg" in Deutschland befassen. Uns reicht die Feststellung, dass das kirchliche Arbeitsrecht historisch schwer belastete Wurzeln hat - und die deutsche katholische Kirche in einem bemerkenswerten Akt der Ökumene und entgegen der eigenen Soziallehre und dem universellen katholischen Kirchenrecht die Ideologie einer "Dienstgemeinschaft" übernommen hat. Wir haben das schon im Oktober 2013 ausführlich "aufgedröselt".
Es wäre - mit allem Respekt - schon einiges leichter, wenn man nicht diesen Ballast des "eigenen Arbeitsrechts" mit sich schleppen würde. Der "Dritte Weg" ist nach dem universellen Kirchenrecht nicht geboten - und weil das Kirchenrecht auf theologischer Grundlage aufbaut, auch theologisch nicht zu begründen. Er trennt die deutsche katholische Kirche aber von der Weltkirche. Und er nimmt damit das Menetekel vom Schisma vorweg.
Oder kann irgendwer wirklich theologisch begründen, warum diesseits der Oder und Neiße die Sozialenzyklika "Laborem exercens" nicht gelten soll, die jenseits der beiden Flüsse den Wandel in Polen und damit letztendlich das Ende des "Kalten Krieges" und die deutsche Wiedervereinigung eingeleitet und unterstützt hat?
Kann irgendwer wirklich theologisch begründen, warum in Mittenwald etwas als "unkatholisch" gelten soll, was jenseits der Grenze in Scharnitz, der Leutasch oder in Innsbruck - oder auch in Italien - selbstverständlich ist, dass sich nämlich die katholische Kirche der Kooperation mit den Gewerkschaften bedient, um arbeitsrechtliche Fragen wie die Arbeitsbedingungen und Vergütung der kirchlichen MitarbeiterInnen zu regeln?

KITAs und schulische Ganztagsbetreuung: Aktionstag am 4. Mai

mitmachen ist angesagt - auch für kirchliche KiTAs mit Solidaritätsaktionen


Und schon mal einplanen: großer Streiktag am 12.5. - z.B. mit Kundgebungen in Stuttgart und Freiburg (BaWü)

Montag, 25. April 2022

Vatikan aktualisiert Standardwerk zur katholischen Soziallehre

es ist an den deutschen katholischen Medien fast vorbei gegangen - aber wenigstens RADIO VATIKAN berichtet und meldet dazu:
Im Vatikan ist eine aktualisierte Fassung der katholischen Soziallehre in Vorbereitung. Es geht darum, päpstliche Lehrinhalte der vergangenen 20 Jahre einzuarbeiten, also aus den Pontifikaten Benedikt XVI. und Franziskus. Eingebunden ist der deutsche Moraltheologe Peter Schallenberg.
...
Als Beispiele für neue Themen, die in das Kompendium einfließen werden, nannte er Digitalisierung, Biotechnologie, Ökologie und Entwicklungen der Arbeitswelt, hier etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Rentenansprüche aus Care-Arbeit, die Frage der Lieferketten oder der Zulässigkeit von Kinderarbeit.
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Das Kompendium der Soziallehre besteht aus drei Teilen. Der erste verortet die katholischen Soziallehre in der Theologie insgesamt, der zweite Teil fasst die Prinzipien und Grundlagen zusammen. Der dritte Teil geht der Frage nach, wie die Soziallehre das Handeln der Gläubigen bestimmen soll. Von der Aktualisierung betroffen ist besonders der zweite Teil, sagte Schallenberg. „Der einführende Teil kann bis auf einige ergänzende Sätze bleiben. Der Schlussteil ist wichtig, aber auch da ist daran gedacht, dass man nicht zu zentralistisch vorgeht. Entscheidend ist, den mittleren Teil, die Materie, fortzuführen und zu ergänzen, was dort an Neuem ist.“
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Während Papst Benedikt XVI. viel für die Begründungszusammenhänge der Soziallehre leistete, hat sein Nachfolger Franziskus die kirchliche Soziallehre in einem mehr praktischen Sinn auf eine neue Ebene gehoben, findet Schallenberg. Franziskus scheue sich nicht, mitunter auch vermintes Feld zu betreten und auf brandaktuelle gesellschaftliche Fragen einzugehen. „Ganz konkret: Ist die zivile Nutzung von Atomkraft unethisch oder nicht? Ja, das kann sein, dass das auf einmal in Zusammenhang der Fragen von Energie-Unabhängigkeit in einem anderen Licht erscheint.“ Die Kirche brauche dann auch den Mut, zuzugeben, dass sie sich geirrt habe oder die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen gelangt sei, was zu anderen Güterabwägungen führen könne. „Möglicherweise sagt man: Wir wollen Menschenrechtsverletzungen auf internationaler Ebene, etwa durch Russland, vermeiden - dafür stellen wir etwas von unseren Klimaforderungen hinten an. Es kann sein, dass die Güterabwägungen sich verändern. Das, würde ich sagen, ist durch das päpstliche Lehramt von Papst Franziskus sehr stark vorangetrieben worden, dieser Mut zur Konkretion und auch der Mut zur Korrektur.“
...
Peter Schallenberg hat zuletzt mit ethischen Investitionen unter Nachhaltigkeitsaspekten publiziert. Er ist Berater der Bischöflichen Arbeitsgruppe „Europa“ der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied der Kommission VI der Deutschen Bischofskonferenz. Diese erarbeitete u. a. Papiere zum Verhältnis der katholischen Kirche zur Arbeitswelt. Die Diskrepanz zwischen den eigenen Ansprüchen der katholischen Soziallehre und der Praxis der deutschen katholischen Kirche (Dritter Weg) dürfte ihm nicht unbekannt sein.

Sozialarbeit: Aktionstag am 2. Mai

für die Verhandlungsrunde Mitte Mai klarmachen, dass wir auch da endlich Bewegung erwarten. Ihr könnt alle dabei sein und Euch beteiligen… (wir erinnern an unser Posting vom 19. April - Caritas RK - Mitte: Bitte um Unterstützung der Tarfverhandlungen SuE)

z.B. in München:

Samstag, 23. April 2022

Samstagsnotizen: Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.5.) "Dritter Weg" - Art. 7 GrO

Heute - ausgerechnet am Karsamstag - ist in unserer wöchentlichen Reihe eine besondere Regelung des kirchlichen Arbeitsrechts im Focus: der "Dritte Weg", der auf einer historisch besonderes belasteten Begrifflichkeit (Dienstgemeinschaft) aufbaut.

Mit einer Vielzahl ausschweifender und langatmiger Kommentare haben sich diverse Arbeitsrechtsprofessoren sozialethische und theologische Gedanken gemacht, wie man diesen "Dritten Weg" begründen könnte. Der Absatz 1 der Grundordnung (GrO) fasst dieses "Herumeiern" zusammen. Und schafft es dabei, auch verfassungsrechtliche Irrtümer zu wiederholen. Das dort beschworene "verfassungsgemäß gewährleistete Recht ein eigenes Arbeitsrechtsregelungsverfahren zu schaffen" ist kein "kirchliches Sonderrecht". Es beruht auf dem Recht der "negativen Koalitionsfreiheit", also sich gem. Art. 9 GG gegen die Mitgliedschaft in einer Vereinigung (z.B. einer Gewerkschaft oder einem Arbeitgeberverband) zu entscheiden. 
Mit der Umsetzung von Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG) hat die Weigerung, Tarifverträge zu schließen, zumindest bei der katholischen Kirche nichts zu tun. Da steht schon das päpstliche Lehramt mit den päpstlichen Sozialenzykliken dagegen. Diese "negative Koalitionsfreiheit" steht verfassungsrechtlich jedermann zu - auch den kirchlichen Arbeitgebern. Jeder Arbeitgeber kann den Abschluss von Tarifverträgen verweigern. Das ist kein "Sonderrecht der Kirchen". Und jeder Arbeitgeber kann sich mit willfährigen Personen aus der Reihe der Arbeitnehmer zusammen tun, um mit diesen Allgemeine Vertragsrichtlinien (AVR) zu erstellen. 
Freilich ist mit diesen einseitig gestellten Arbeitsvertragsrichtlinien nicht alles möglich, was vom Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien zugestanden ist. Da steht dann im Gesetz eine Regelung wie "durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages" - und dann sind meistens Abweichungen von gesetzlichen Schutzvorschriften genannt *)
Daher ist das "Tarifvertragsgesetz" (TVG) auch nur ein Angebot - auch für die Arbeitgeber - , aber keine gesetzliche Verpflichtung. Lediglich die Arbeitnehmer können - ggf. mit Arbeitskämpfen - den Abschluss von Tarifverträgen erzwingen.

Die Kirchen haben sich - für die katholische Kirche entgegen der eigenen Soziallehre - woa mit irreführendem Geschwurbel gegen vertragliche Vereinbarungen mit einer Gewerkschaft entschieden. Absatz 2 der Grundordnung stellt dann kurz und schmerzlos die angebliche Konsequenz des Geschwurbels dar:
Kirchliche Dienstgeber (schließen) keine Tarifverträge mit Gewerkschaften ab. Streik und Aussperrung scheiden ebenfalls aus.
Satz 1 ist klar:
>Wir wollen nicht< (Basta)

Satz 2 ist dagegen schlicht - falsch:
Jeder Arbeitgeber behauptet doch gerne, dass in seinem Betrieb nicht gestreikt werden dürfe. Auch Arbeitgeber aus Caritas- und Diakonie sind dieser Meinung. Aber selbst, wenn ein Pfarrer oder ein Bischof das behaupten, wird noch lange keine Glaubenswahrheit aus dieser Behauptung. Da steht Art. 9 Abs. 3 GG dagegen. Und das dort genannte absolute Verbot gilt genauso für die Kirchen. Wir haben letzte Woche schon herausgearbeitet, dass diese Beschränkungen der Koalitionsrechte verfassungsrechtlich schwierig - und aufgrund der eigenen katholischen Soziallehre für die katholische Kirche schlichtweg nicht - zu begründen sind **)
Genauso, wie es allen Arbeitnehmern in weltlichen Betrieben möglich ist, sich zusammen zu schließen um den Abschluss von Tarifverträgen zu erzwingen, ist das in kirchlichen Einrichtungen der Fall ***).

Die einzige Frage, die sich stellt, ist, wie der Umstieg vom "Dritten Weg" zu den lehramtlich geforderten Tarifverträgen erfolgen kann.
Denn das BAG hat hier anlässlich eines Betriebsübergangs ein entscheidendes Urteil gefällt
Ist im Arbeitsvertrag das in Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) geregelte kirchliche Arbeitsrecht dynamisch in Bezug genommen, gilt diese dynamische Verweisung ... gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB weiter.
BAG, Urteil vom 23.11.2017, 6 AZR 683/16 - vgl. HEISE ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/296

Wie kann nun damit umgegangen werden? Die "bürokratische Methode" wäre, allen - d.h. zigtausenden bzw. sogar Millionen - von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Arbeitsverträge anzubieten. Versehen mit einem "Bonus" (welcher Art auch immer) könnte dann ein großer Teil der Arbeitnehmer in ein neues Arbeitsrechtssystem überführt werden. Diese Methode wurde etwa im Bereich der verfassten katholischen Kirche angewandt, als man vor Jahrzehnte die alten, auf den BAT verweisenden Arbeitsverträge, durch die Einführung des "Arbeitsvertragsrechts der Bayerischen (Erz-)Diözesen - ABD" ersetzte. Neue Arbeitsverträge wurden nurmehr mit Verweis auf das ABD abgeschlossen, alte Arbeitsverträge sukzessive bei sich bietender Gelegenheit umgestellt.
Methode "Brechstange" wäre (ggf. infolge eines Erzwingungsstreiks) Artikel 7 zu streichen (oder gar durch den Hinweis auf die nach der eigenen Soziallehre geforderten Tarifverträge zu ersetzen), die entsprechenden Kommissionen zumindest nicht mehr mit seitigen Vertretern zu besetzen und möglicherweise dennoch folgende Beschlüsse nicht mehr in Kraft zu setzen. Wer dann weiter auf seinen bestehenden Arbeitsverträgen beharrt, muss wissen, dass diese nurmehr statisch weiter gelten. Spätestens bei der ersten Erhöhung von Entgelten oder der Einführung von besonderen Bonusregelungen würde die Frage nach einer Änderung der Bezugsregelung im einzelnen Arbeitsvertrag virulent werden.
Eine dritte Methode "einvernehmliche Partnerschaft" würde die Mitwirkung der jeweiligen Kommissionen verlangen. Diese könnten durch Beschlussfassung festlegen, dass bestimmte Elemente des Arbeitsvertrages durch einen "Anwendungstarifvertrag" nach dem TVöD zu ersetzen sind. Das könnte etwa für Themen wie Arbeitsentgelt und Arbeitszeit bis hin zur Zusatzversorgung gelten. Für andere Themen - für die es etwa im TVöD keine Regelungen gibt - würde die Zuständigkeit der Kommission weiterhin fortbestehen. Das können kirchenspezifische Regelungen sein (Tätigkeiten der Gemeinde- und Pastoralreferenten, Küster bzw. Mesner, Katecheten oder Religionslehrer, Sterbebegleiter in Hospizen ... und deren Bewertung) oder spezifische Qualitätsvorgaben, wie z.B. erhöhte Fachkraftschlüssel in katholischen Einrichtungen. Die Kommissionen würden dann nicht etwa ein "rudimentäres Restedasein" haben, sondern gerade für die kirchenspezifische Ausgestaltung der kirchlichen Einrichtungen eine besondere Bedeutung erhalten.


Anmerkungen:
*)
Eine solche Tariföffnungsklausel findet sich beispielsweise in § 19 Abs. 1 BetrAVG. Offensichtlich traut der Gesetzgeber nur den starken, tariffähigen Gewerkschafen zu,  solche Öffnungsklauseln ohne erhebliche Nachteile für die Arbeitnehmer zu füllen.
Das Narrativ von der Gleichwertigkeit der kirchlichen Vertragsrichtlinien mit Tarifverträgen dient wohl nur dazu, die "Schranken des Gesetzes" zu Lasten der Arbeitnehmer zu überschreiten. 

**)
Wir brauchen hierzu nur beispielhaft auf "Mater et magistra" (Tarifverträge) sowie die Ausführungen zum Streikrecht in den lehramtlichen päpstlichen Sozialenzykliken sowie in Nr. 2435 des Katechismus zu verweisen. 

***)
Das Koalitionsrecht umfasst auch das Recht zum Arbeitskampf und darf nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht eingeschränkt werden. Darüber brauchen nicht einmal Verhandlungen geführt zu werden.


(wird fortgesetzt)

Freitag, 22. April 2022

Glaubwürdig unternehmerisch handeln als Auftrag der Caritas

ist ein Beitrag von Georg Cremer, 2000 bis 2007 Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, in der "HERDER KORRESPONDENZ SPEZIAL" (Die Kirche und ihre Caritas, S. 54 ff) überschrieben. Cremer führt darin unter der Hauptüberschrift "Vom Korporatismus zu mehr Wettbewerb" u.a. aus:
Mit der unternehmerischen Rolle der verbandlichen Caritas sind Spannungen verbunden, sie muss mehreren Rollen gerecht werden.
...
Sie hat politische Interessen zu vertreten. Helfen kann sie mit ihren heute fast 700.000 beruflichen Mitarbeitenden nur als Partner eines Rechts- und Sozialstaates, der das breite Angebot sozialer Dienstleistungen gewähleistet und die wirtschaftliche Basis der Dienste und Einrichtungen der Caritas sichert. Zugleich hat sie den anwaltschaftlichen Anspruch, den Belangen von Menschen Gehör zu verschaffen, die sich nicht selbst vertreten können. Und sie muss, um überhaupt helfen zu können, unternehmerisch handeln. Dabei sind ihre Dienste und Einrichtungen den Zwängen ausgesetzt, die auf Märkten nun mal bestehen. ....
Glaubwürdigkeit erfordert Ehrlichkeit beim Umgang mit den unterschiedlichen Rollen.
Cremer hat das Problem richtig erkannt. Die Konsequenz des "glaubwürdigen Handelns" wäre aber letztendlich auch, sich dem unternehmerischen Handeln zu stellen und die dadurch entstandenen Probleme in partnerschaftlichem Handeln mit den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften zu bewältigen. Denn nur die koalitionsmäßige Betätigung schützt die Arbeitnehmer vor der institutionellen und strukturellen Macht der Unternehmen *).
Dass die Kirche in den päpstlichen Sozialenzykliken das "Gewerkschaftsprinzip" einhellig befürwortet, und das universelle Kirchenrecht in can. 1286 1° CIC die Einhaltung der Soziallehre durch die Ökonomen der kirchlichen Einrichtungen fordert - sich die deutsche katholische Kirche mit ihrem Wohlfahrtsverband aber nicht daran hält, trägt maßgeblich zur Unglaubwürdigkeit von Kirche und Caritas bei.
Fraglich ist ohnehin, ob Einrichtungen von Kirche und Caritas, die nicht selbstlos sondern unternehmerisch tätig sind, vom Betriebsverfassungsgesetz befreit wären **).


Anmerkung:
*) vgl. dazu
1. Die mehrfach zitierte Entscheidung des BAG "Tarifverhandlung ohne Streikrecht ist kollektives Betteln"
2. "Der lange Hebel. Macht und Machtressourcen von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden im Arbeitskampf" (klick).
Doch ist dieser zu ihren Gunsten gestaltet. So sind wirtschaftliche Entscheidungen weitestgehend der tariflichen Regulierung und damit dem Streikrecht entzogen. Vor allem aber können Unternehmen selbst bestimmen, ob und wenn ja in welchem Rahmen sie Tarifverhandlungen führen.
...
Unternehmen und Arbeitgeberverbänden stehen grundsätzlich mehr und wirkungsvollere Machtressourcen zur Verfügung. Hinter der Idee »Gewerkschaft« steht deshalb ja auch, dieses dem Lohnarbeitsverhältnis eigene Machtungleichgewicht durch kollektive Organisierung und gemeinsames Handeln zumindest teilweise auszugleichen. Zugleich ist der kollektive Zusammenschluss die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte die Gegenseite überhaupt zu Verhandlungen bewegen können.
...
Nur eine kleine Minderheit von Tarif- und Arbeitskonflikten entwickelt sich bekanntlich überhaupt zum Arbeitskampf. ...

**) auch darauf haben wir mehrfach hingewiesen

Hans Zollner, SJ, Theologe, Psychologieprofessor und Psychotherapeut

Das Vertrauen in die Kirchenführung und in die Kirche als Institution ist fast vollkommen zerstört, auch bei Leuten, die sich mit der Kirche identifiziert haben
es sei an den Bischöfen, Macht abzugeben. Es brauche eine neue Gewaltenteilung.
Ich sehe keinen anderen Weg, um verlorendes Vertrauen wiederzufinden
(SPIEGEL Nr. 16/2022, S. 45)

Donnerstag, 21. April 2022

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Streik und Koalitionsfreiheit als soziale Menschenrechte

UN-Sozialpakt und Europäische Sozialcharta vor deutschen Gerichten

Art. 9 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) gewährt jedermann und allen Berufen das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Nach heute einhelliger Auffassung und wie auch mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bekräftigt, ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 GG die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen. Die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen folgt aber nicht nur aus dem Grundgesetz. Auch die Europäische Sozialcharta und der UN-Sozialpakt garantieren Streikrecht und Koalitionsfreiheit, in beiden wird das Streikrecht im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 3 GG sogar ausdrücklich in Bezug genommen. ...
(Quelle) - auf die entsprechenden Aussagen des Katechismus und der Sozialenzykliken müssen wir wohl hoffentlich nicht noch einmal verweisen

Philippa Rath, Benediktinerin, Delegierte beim Synodalen Weg

Unsere Päpste fordern zu Recht immer wieder Menschenrechte in aller Welt ein. Würden diese auch im Inneren der Kirche umgesetzt, würde das in hohem Maße Glaubwürdigkeit zurückbringen
(FOCUS print, 16/2022 S. 51)

Mittwoch, 20. April 2022

französischer Soziologe und Politikwissenschaftler der Universität Bordeaux: Yann Raison du Cleuziou

"Säkularisierung bedeutet eine innere Entsäkularisierung der Kirche."
(Übersetzung) - das ist wohl (mit anderen Worten) der Aufruf zur Entweltlichung wiederholt

Papst Franziskus: Verweltlichte Priester sind klerikalisierte Heiden

Mit diesem Zitat wollen wir einen verspäteten Karsamstags-Geburtstagsgruß noch Rom senden. Das Zitat stammt aus einem Bericht von katholisch.de *). Dort wird ausgeführt:
Papst Franziskus hat in der Chrisammesse an Gründonnerstag Priester vor einer Abkehr von Jesus und vor Verweltlichung gewarnt. Ein verweltlichter Priester sei nichts anderes als ein klerikalisierter Heide, so das Kirchenoberhaupt in der Predigt vor den Geistlichen des Bistums Rom. Jesus sei der einzige Weg, "um nicht in die Irre zu gehen". Menschliche Habgier biete verborgenen Götzendiensten einen "fruchtbaren Boden", erklärte Franziskus den rund 1.800 anwesenden Geistlichen. Zu solchen Götzendiensten zählten etwa Kontrollsucht, die sich nur auf Zahlen und Statistiken berufe statt auf "persönliche Eigenschaften" der Menschen.
Ein weiterer Irrweg sei die Fixierung auf Effizienz, der es rein ums Funktionieren gehe. Darüber werde Gott verdrängt. ...
zwei Dinge sind uns dazu aufgefallen:
  1. wenn "verweltlichte Priester klerikalisierte Heiden sind" - was ist dann eine verweltlichte Kirche? (beschreibt Franziskus da die Praxis vieler "Caritas-Betriebe im Markt"?)
  2. der Papst verwendet erneut den Begriff "Entweltlichung",
den der "deutsche Papst Benedikt" in Freiburg gegenüber der versammelten Nomenklatur seiner deutschen Kirche verwendet hat. Dann ist es kein Zufall mehr, wenn Papst Franziskus betont:
Benedikt XVI. war Prophet der Kirche der Zukunft **)

Diese Kirche werde kleiner sein, viele Privilegien verlieren, "bescheidener und authentischer sein und Energie für das Wesentliche finden"
*) 
weitere Quelle: Domradio

**)
weitere Quelle: Domradio

Dienstag, 19. April 2022

Caritas RK - Mitte: Bitte um Unterstützung der Tarfverhandlungen SuE - Vermittlungsausschuss besetzt

Die Info der Mitarbeiterseite der AK Caritas - Regional-Kommission Mitte - enthält u.a. folgende Beiträge:
Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst (SuE)
Wir bitten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgende Forderungen mit Aktionen zu unterstützen.

▪ Aufwertung durch höhere Eingruppierung, Verbesserung der Stufenlaufzeiten und Maßnahmen gegen Fachkräftemangel
▪ Verstärkte Anerkennung der Qualifikation, Ausbildung und Berufserfahrung
▪ Entlastungstage, Erhöhung der Heimzulage und vieles mehr
Unterstützt die Forderungen - einzeln oder als Team: Schickt Fotos mit Euren Statements an akmas@caritas.de
Aktualisierte Informationen zur Tarifrunde finden sich unter:
https://www.akmas.de/tarif/tarifrunde-sue-2022.html ...

Vermittlungsausschuss
In ihrer Sitzung (Videokonferenz) hat die Regionalkommission Mitte am 7. April 2022 den erweiterten Vermittlungsausschuss besetzt.
Auf Mitarbeiterseite kamen Heiko Desgranges als internes Mitglied und Karl Heitel als externes Mitglied hinzu.
Der Vermittlungsausschuss für die aktuelle Amtszeit der RK-Mitte:
▪ Vorsitz:
o Klaus Koch (mas) - o Dr. Jörg Vogel (dgs)
▪ Stellvertretung:
o Maria Bedersdorfer (mas) - o Sebastian Witt (dgs)
▪ Erste Stufe:
o Matthias Bausch (mas) o Karl Thoma (mas) o Burghard Tschechner (dgs) o Dr. Bernd Kettern (dgs)
▪ Zweite Stufe:
o Heiko Desgranges (mas) o Karl Heitel (mas) o Detlef Palzer (dgs) o Sven Haustein (dgs)
(Mitarbeiterseite: mas; Dienstgerberseite: dgs)
Quelle: Twitter RK Mitte mit Weiterleitungslink
(wir haben die Reihenfolge der Mitteilung geändert, weil das Ergebnis der Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst die Grundlage für die weiteren Verhandlungen der AK-Caritas ist. Darüber hinaus bitten wir natürlich auch, Fotos mit Euren Statements direkt an ver.di zu übermitteln. Aktuelle Informationen zur Tarifrunde befinden sich "aus erster Hand" dann auch auf der homepage von ver.di https://mehr-braucht-mehr.verdi.de/.

Montag, 18. April 2022

Nein, mit Aussagen oder Belegen und Indizien zur Auferstehung können wir nicht dienen. Das ist kein Arbeitsrecht sondern Theologie und damit originäre Sache der christlichen Kirchen selbst. 
Aber für Interessenten an weltlichen Gütern hätten wir dann schon was anzubieten:

 

DGB BAYERN

 

Pressemitteilung DGB Bayern

 

DGB Rechtsschutz erstreitet 32,8 Millionen Euro für bayerische Gewerkschaftsmitglieder

Stiedl: „Mitglied sein lohnt sich!“

Die DGB Rechtsschutz GmbH konnte im Jahr 2021 vor Gericht insgesamt 32,8 Millionen Euro für Gewerkschaftsmitglieder in Bayern erstreiten. Der größte Anteil geht dabei auf Streitigkeiten im Bereich des Arbeitsrechts (27 Millionen Euro) zurück, gefolgt vom Sozialrecht (5,2 Millionen Euro) und vom Verwaltungsrecht (0,6 Millionen Euro).

Hierzu sagt Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern: „Diese gewaltige Summe zeigt, in welchem Ausmaß viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten grundlegende Rechte wie die Auszahlung der Gehälter vorenthalten. Dass sie in den meisten Fällen nicht damit durchkommen, ist auch der hervorragenden Arbeit der Kolleginnen und Kollegen des DGB Rechtsschutz zu verdanken. Durch die kostenlose Rechtsberatung konnten wieder tausende Gewerkschaftsmitglieder ihre Rechte vor Gericht durchsetzen. Mitglied sein lohnt sich!“

Die DGB Rechtsschutz GmbH konnte 2021 in Bayern 13.838 Fälle vor Gericht abschließen. Davon wurden 8.705 Fälle (62,9 Prozent) vor Arbeitsgerichten verhandelt, 4.609 Fälle (33,3 Prozent) vor Sozialgerichten und 524 Fälle vor Verwaltungsgerichten (3,8 Prozent). Bei den arbeitsrechtlichen Streitfällen dominierten die Themen Arbeitsentgelte (29 Prozent) und Kündigungen (19 Prozent). Bei den Streitfällen im Sozialrecht lag der Schwerpunkt auf den Themen Arbeitslosengeld I, Schwerbehindertenrecht und Rentenversicherung.

Stephan Sartoris, Leiter des Regionalbüros Bayern/Hessen der DGB Rechtsschutz GmbH, ergänzt: „Der kostenlose Rechtsschutz ist für viele Menschen ein zusätzlicher Anreiz, Gewerkschaftsmitglied zu werden – und es auch zu bleiben. Unser Credo ist es, bei rechtlichen Auseinandersetzungen als verlässlicher Partner an der Seite der Gewerkschaftsmitglieder zu stehen. Dabei versteht sich der DGB Rechtsschutz als starkes Bindeglied zwischen den DGB-Mitgliedsgewerkschaften. Damit das so bleibt, soll die Vernetzung mit gewerkschaftlich organisierten Betrieben und Betriebsrät*innen künftig weiter ausgebaut werden.“


Hintergrund

Die DGB-Gewerkschaften bieten ihren Mitgliedern kostenlosen Rechtsschutz in Auseinandersetzungen rund um das Arbeitsleben, im Arbeits-, Sozial- und Beamtenrecht. Im Auftrag der Gewerkschaften vertritt die DGB Rechtsschutz GmbH die Rechte der Mitglieder. In Bayern ist der DGB Rechtsschutz mit 14 Büros vor Ort vertreten.

Impressum

Verantwortlich
Herbert Hartinger
DGB Bayern
Pressesprecher
Neumarkter Str. 22
81673 München
Tel.: 089/51700-210
Mobil: 0170/2607471
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PM Nr. 21 // München, 13. April 2022



Donnerstag, 14. April 2022

Ein Tag für den Terminkalender: Kirchenmitglieder sind nur noch eine Minderheit in Deutschland

Das ist eine "historische Zensur", wie der SPIEGEL berichtet.
Im vergangenen Jahr waren noch 51 Prozent der deutschen Bevölkerung römisch-katholisch oder evangelisch. 1990 lag der Anteil bei 72 Prozent.
Wenn in gut 30 Jahren etwas über 20 % der Bevölkerung die kirchliche Bindung verlieren, dann ist das mehr als ein Alarmzeichen für die Kirchen. Wie wird das dann in 30 Jahren - um die Mitte des Jahrhunderts - ausschauen? Und der Trend hat sich beschleunigt:
Verloren die Kirchen in den Jahren 2000 bis 2015 pro Jahr etwa 0,6 bis 0,8 Prozentpunkte am Bevölkerungsanteil, so sind es seit 2016 etwa 1,0 bis 1,4 Prozentpunkte.
...
Seit den Sechzigern mit wirtschaftlichem Aufschwung, sich verändernden Familienstrukturen und der Emanzipation der Frauen setzte der kulturelle Umbruch ein, sagte Pollack. Statt materieller Sicherung und sozialer Stabilisierung wurden politische Mitbestimmung und individuelle Selbstverwirklichung wichtig. Der Niedergang der Volkskirche begann. Religiöse Bindungen schwächten sich ab. Vor der Abwendung vom Glauben und den Kirchen stehe dabei meist der Verzicht auf die Teilnahme am kirchlichen Leben.
politische Mitbestimmung und individuelle Selbstverwirklichung - da steht das streng hierarchische System insbesondere unserer katholischen Amtskirche genau für das Gegenteil, wie das am spezifisch katholischen Arbeitsrecht deutlich wird.

Ungeachtet aller systemkritischen Fragen, etwa ob eine religiöse Lehre "pluralisiert" bzw. "demokratisiert" werden kann:

1. es geziemt uns nicht, theologische Debatten zu führen. Theologie ist nicht unsere Kernkompetenz, auch wenn sich Theologen in unseren Reihen befinden.
Hinsichtlich der Warnung vor einer Kirchenspaltung durch den deutschen Reformprozess müssen wir aber konstatieren, dass das nationale Arbeitsrecht der deutschen Kirche, das auf einer historisch schwer belasteten Ideologie ("Dienstgemeinschaft") aufbaut und im Gegensatz zum universellen Kirchenrecht und der eigenen Soziallehre steht, schon längst den Kern einer Spaltung gegenüber der Weltkirche in sich trägt.

2. Bischof Jung (Würzburg) hat recht mit seiner Ausführung über die Kirche:
"Das Haus muss dringend gelüftet werden"
erklärte er nach einem Bericht von katholisch.de. Jung sprach verschiedene "Duftmarken" an, die er in der Kirche wahrnehme, den:
"ätzenden Geruch der Kirchenkritik" etwa, der auch daher rühre, dass es lange Zeit nicht möglich gewesen sei, berechtigte Missstände offen anzusprechen und Kritik zu äußern. "Was unterdrückt wird, gärt", so Jung. ... Darüber hinaus gebe es auch den "strengen Geruch der Reinigungsmittel", mit denen das Haus gründlich gesäubert werden solle, betonte der Bischof weiter. Diskussionen um Machtverteilung, Teilhabegerechtigkeit, Transparenz und Strukturen stünden an und seien dringend notwendig. ... Und ob die Reformbemühungen am Ende das Haus wieder füllten, stehe noch dahin.
...
Die momentanen Diskussionen in der Kirche erweckten den Eindruck, als drehe sich alles Bemühen nur darum, "eine Fassade aufrechtzuerhalten, die an allen Ecken zu bröckeln begonnen hat". Die Situation zwinge alle, die in der Kirche Dienst täten, dazu, die eigene Motivation und Berufung zu hinterfragen: "Will ich das so, wie ich es erlebe? Ist das noch meine Kirche? Was hat mich motiviert, den Priesterberuf zu wählen, und was motiviert mich jetzt, ihn weiter auszuüben?", fragte Jung. Die Menschen mäßen die Verantwortlichen in der Kirche daran, ob sie die Liebe zum Herrn in der Ausübung ihres Amtes wahrnehmen könnten. "Kirche ist nur so vertrauenswürdig, wie es ihre offiziellen Vertreter sind", so der Bischof. (stz)
Ob aus der Erkenntnis die richtigen Handlungen erwachsen?



Bei der Gelegenheit:
Wir werden unseren Blog über die Kartage wieder ruhen lassen - und uns auch am Ostersonntag zurück halten. Der nächste Blogbeitrag dann wieder am Ostermontag, mit einen Nachricht über kleine Freuden für DGB-Mitglieder ...

Mittwoch, 13. April 2022

Warum kirchliche Gremien nicht am "Dritten Weg" zweifeln dürfen - zur Verhandlungsforderung von ver.di

Damit wird der Kern der Skandalwelt in unserer katholischen Kirche angesprochen: es ist der Unterscheid von der Lehre der "frohen Botschaft" zu einem Verständnis von Amtskirche, das den klerikalen Machtmissbrauch erst ermöglicht - weil Abweichungen vom Idealbild (dass es dazu kommen kann, hat die Kirche immerhin sogar schon in der Grundordnung konzidiert) bei Klerikern grundsätzlich vertuscht wurden, damit "das eigene Nest nicht beschmutzt werde". Dieses "klerikale Amts- und Machtverständnis" führt auch zu den vielen Finanzskandalen, die wir in den letzten Jahrzehnten "am Rande" immer wieder aufgegriffen haben. Und dieses "klerikale Amts- und Machtverständnis" ist auch die Ursache dafür, dass die klerikale Amtskirche entgegen der eigenen Soziallehre die Verhandlung "auf Augenhöhe" mit den Gewerkschaften verweigert.
haben wir gestern festgestellt.
Stattdessen ist mit dem "Dritten Weg" eine (historisch schwer belastete) Alternative entstanden, die mehrfache Absicherungen der Amtsmacht enthält.
Schon in den arbeitsrechtlichen Kommissionen ist eine Beschlußfassung nur möglich, wenn ein Mindestanteil der Arbeitgebervertreter einem solchen Beschluß auch zustimmt. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Form der Tarifverhandlung als "kollektives Betteln" bezeichnet (bestätigt durch BUNDESVERFASSUNGSGERICHT, - 1 BvR 719/19 - und - 1 BvR 720/19 - vom 09.07.2020, Ziffer II.Nr. 3 der Begründung):
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Abwägung zudem Art. 9 Abs. 3 GG Rechnung getragen. Das Grundrecht schützt die individuelle Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden und diesen Zweck gemeinsam zu verfolgen. Geschützt ist damit auch das Recht der Vereinigungen selbst, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, grundsätzlich ihnen selbst überlassen ist (vgl. BVerfGE 92, 365 <393 f.="">; 100, 271 <282>; 116, 202 <219>; 146, 71 <114>; stRspr). Dabei ist der Schutz der Koalitionsfreiheit nicht etwa von vornherein beschränkt, sondern erstreckt auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Art. 9 Abs. 3 GG umfasst also nicht nur die Gründung von Koalitionen und die Mitgliederwerbung (vgl. BVerfGE 93, 352 <358>), sondern insbesondere mit der Tarifautonomie den Abschluss von Tarifverträgen und Arbeitskampfmaßnahmen, jedenfalls soweit sie erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen, einschließlich des Streiks (vgl. BVerfGE 84, 212 <224 f.="">; 88, 103 <114>; 92, 365 <393 f.="">; 146, 71 <115 131="" rn.="">). Dem entspricht es, wenn die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass eine eigenständige Lösungsfindung der Koalitionsparteien unabhängig von staatlicher Einflussnahme nur möglich ist, wenn beide Parteien in der Lage sind, Druck auf die jeweils andere Partei auszuüben. Auf Seiten der Gewerkschaften bedarf es des Streiks, um ihre strukturelle Verhandlungsschwäche auszugleichen. Ohne diese oder gleich effektive Eskalationsstufen zur Herstellung von Kompromissfähigkeit wären Kollektivverhandlungen nur „kollektives Betteln“ (grundlegend BAG, Urteil vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 -, juris, Rn. 96). Ein fairer und ausgewogener Ausgleich gegensätzlicher Arbeitsvertragsinteressen im Wege kollektiver Verhandlungen beruht insoweit auf annähernd gleicher Verhandlungsstärke und Durchsetzungskraft (vgl. BVerfGE 84, 212 <229>; 146, 71 <127 164="" f.="" rn.="">).

In einem weiteren Sicherungsschritt haben sich die Bischöfe dann auch noch vorbehalten, selbst über die Inkraftsetzung von Beschlüssen zu entscheiden. Erst mit der Inkraftsetzung im Amtsblatt (als bischöfliches Gesetz) werden die Kommissionsbeschlüsse rechtswirksam.
Und damit das auch wirklich hält, sind sämtliche Mitarbeitergremien - von der Mitarbeitervertretung über die jeweilige arbeitsrechtliche Kommission bis hin zum kirchlichen Arbeitsgericht - verpflichtet, die bischöfliche Gesetzgebung mit der verfassungswidrigen Verweigerung von Tarifverträgen zu akzeptieren. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretung genauso wie jede MAV (Art. 8 S. 3 GrO, vgl. Art. 1 S. 2 MAVO) oder auch eine Arbeitsrechtliche Kommission wie die Zentral-KODA (Art. 7 Abs. 1 S. 5 GrO) würde ihre Kompetenz überschreiten, wenn Sie Verhandlungen zur Überleitung in das Tarifvertragssystem fordern und an diesen teilnehmen würden. Und einem kirchlichen Arbeitsgericht bliebe es verwehrt, dieses Verbot zu hinterfragen (§ 2 Abs. 4 KAGO). Diese Gremien und ihre Mitglieder müssen sich also zum "3. Weg" bekennen.
Eine Gewerkschaft, die entsprechende Verhandlungen einfordert, kann daher zunächst nur auf die Bischöfe als kirchliche Gesetzgeber und obersten Verwalter des Kirchenvermögens in den Diözesen zugehen.

Wir wissen, dass es vehemente Befürworter des "Dritten Weges" gibt:
Die stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros Berlin, Uta Losem, verteidigt das kirchliche Arbeitsrecht als notwendigen Rahmen, um den Sendungsauftrag der Kirche zu erfüllen. In der aktuellen Sonderausgabe der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" betonte Losem außerdem, dass das kollektive kirchliche Arbeitsrecht trotz des Wettbewerbsdrucks im Sozial- und Gesundheitswesen ausgesprochen gute Ergebnisse erziele: das Lohnniveau sei vergleichsweise hoch, eine gute betriebliche Altersvorsorge sei Standard und es herrsche eine "nahezu hundertprozentige" Tarifbindung in kirchlichen Einrichtungen.
(Quelle: katholisch.de unter Bezug auf eine Sonderausgabe der renommierten "Herder Korrespondenz").
Wir möchten diese Meinung auch nicht einfach als Erfüllung des beruflichen Auftrags zum Schalmeienklang abtun. Aber bereits der erste Blick zeigt, dass es bei den viel gepriesenen Leistungen nicht viel Eigenständiges gibt. Das "vergleichsweise hohe Lohnniveau" und die "gute betriebliche Altersversorgung" sind vom TVöD (kommmunal) abgeschrieben - mit zunehmender Verzögerung und Absenkungen insbesondere in den untersten Vergütungsgruppen. Dieses Niveau wird nur gehalten, weil die Arbeitgeber sonst bei der Personalgewinnung gegenüber anderen Trägern zunehmend Nachteile hätten.
Und die "gute betriebliche Altersversorgung" erweist sich bei näherem Hinsehen dann auch noch teilweise als von den Beschäftigten selbst finanziert - anders als bei anderen Wohlfahrtsverbänden wie etwa dem BRK. Während im entsprechenden (kommunalen) Tarifvertrag eine Eigenbeteiligung der MitarbeiterInnen nur bei den wenigen (ausdrücklich genannten) sanierungsbedürftigen Versorgungskassen vereinbart ist, bei denen der verantwortliche Aktuar einen Sanierungsbedarf testiert hat (§ 15 a Abs. 1 ATV-K), sind - etwa in Bayern - sogar bei der finanziell hervorragend ausgestatteten Bayerischen Versorgungskammer entsprechende Eigenleistungen in der entsprechenden Regelung von § 15a ABD Teil D / 10a auch ohne diesen Notlagenbezug ausdrücklich vereinbart. Und was im ABD geregelt ist, gilt im Grundsatz auch nach der ohnehin schon schwer verständlichen AVR-Caritas (vgl. Anlage 8, Versorgungsordnung A, § 1 a AVR Caritas).
So kann man versteckt die "teuerste Kopieranstalt Deutschlands" (die arbeitsrechtlichen Kommissionen) durch die Beschäftigten selbst finanzieren lassen und sich dann noch auf den fremden Federn der gewerkschaftlichen Errungenschaften ausruhen.
Und selbst mit der viel beschworenen "nahezu hundertprozentigen Tarifbindung" ist es - trotz dieser versteckten Absenkungen - nicht weit her. Wir hatten auch darüber schon mehrfach berichtet.

In unserem Beitrag vom 16. März haben wir dennoch ausgeführt:
Ein theologisch seriöser Umgang mit der Thematik könnte so aussehen, dass die Bischöfe einen gemeinsamen Diskussionsprozess mit den Gewerkschaften starten, in dem die Beschäftigten, die kirchlichen Arbeitsrechtsfunktionäre beider Seiten und die kirchlichen Sozialethiker, sowie politisch Verantwortliche einbezogen sind und die anstehenden Fragen diskutieren - inklusive der Frage, wie ein Übergang ins weltliche System aussehen könnte.
Dazu müssten die Bischöfe aber durch eine Beseitigung der jetzigen Blockadenormen die Voraussetzungen schaffen. Wir haben mehrfach - zuletzt Anfang März d.J. - auf die Verhandlungsbereitschaft der Kirchengewerkschaft im DGB (ver.di) hingewiesen. *) Solange sich die Bischöfe - wie bisher - konstruktiven Gesprächen verweigern, gibt es für eine starke Gewerkschaft nur zwei Wege:
die politisch-gesetzgeberische Initiative oder/und (als "ultima ratio", wenn sich alle andere Bemühungen als erfolglos zeigen) der Rückgriff auf die eigene Organisationsmacht der Mitglieder - bis hin zu Arbeitskampf oder gar einem Erzwingungsstreik **). Wer bei einem solchen "ultima ratio" Vorgang dann die gesellschaftliche Öffentlichkeit und auch den finanziell längeren Atem auf seiner Seite hätte, sollte angesichts des desolaten Erscheinungsbildes der Amtskirche keine Frage sein.
Und genauso wenig sollten darüber Zweifel bestehen, wer dann in der stärkeren Position wäre.
(weiter dann wieder am kommenden Samstag)


*) vgl. unseren Blogbeitrag vom 2. März d.J.

**) Dazu schon der Arbeitsrechtler Olaf Deinert in einem Beitrag der Hans-Böckler-Stiftung Ausgabe 05/2013:
„DAS WIRD NOCH EINIGEN STREIT GEBEN“

...
Könnten sich die Gewerkschaften Beteiligungsregeln erstreiken?
Das möchte ich meinen. Solange eine kirchenrechtliche Regelung den Anforderungen des BAG nicht genügt, so lange hat die Gewerkschaft das Recht, zu streiken. Ich denke, dass man deshalb auch einen Arbeitskampf um die Ausgestaltung des dritten Wegs führen darf – auch wenn das Gericht selbst dazu wieder einmal nichts gesagt hat. Die Mehrheitsmeinung im Arbeitsrecht geht allerdings davon aus, dass ein Streik nur um Tarifverträge geführt werden kann. Der Streik müsste in diesem Fall also darauf gerichtet sein, dass die Verfahrensfragen des dritten Wegs in einem Tarifvertrag geregelt werden.

Formal haben ver.di und der Marburger Bund die Verfahren vor dem BAG gewonnen, weil deren Streiks für zulässig erklärt wurden. ...
vgl. auch Dr. jur. Eva Kocher im Verfasssungsblog vom 13.08.2020:
Parität und Asymmetrie im Arbeitskampf
Gegen die Dynamik von „Aussitzen“ gegen „kollektives Betteln“
...
Der Streik sei das Mittel der Wahl, um Parität überhaupt erst zu ermöglichen. Aus Rn. 22 dieser Entscheidung (Anm.: BAG (GS) 10.6.1980 (1 AZR 168/79)) stammt das berühmte, Roger Blanpain zugeschriebene Zitat: „Bei diesem Interessengegensatz wären Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik im allgemeinen nicht mehr als ‚kollektives Betteln‘ (Blanpain)“.1)
An diese Feststellung knüpft das BVerfG nun in der Entscheidung vom 19. Juni mit der Feststellung an, die von den Gegnerinnen und Gegnern der Regelung „suggerierte Symmetrie entspricht nicht den Tatsachen.“ (Rn. 32). Denn die Arbeitgeberseite sei nicht in gleicher Weise wie die Gewerkschaften darauf angewiesen, durch den Einsatz von Arbeitskampfmitteln ausreichend Druck auf die Gegenseite erzeugen zu können. Hier weist das BVerfG auf die Möglichkeit hin, einen Streik „auszusitzen“ (Rn. 30) und versteht, dass der Gesetzgeber es nicht sehenden Auges zulassen könne, wenn Arbeitgeber*innen „die Folgen eines Arbeitskampfes nahezu folgenlos abfangen“ könnten (Rn. 27), wie dies mit Leiharbeit „insbesondere in Bereichen wie Lager und Einzelhandel“ möglich sei (Rn. 32).

Vor diesem Hintergrund ist es umso interessanter, dass die zweite Entscheidung vom 9. Juli in Rn. 14 den Satz vom „kollektiven Betteln“ nun sogar wörtlich zitiert, um die Erforderlichkeit des Streiks (oder „gleich effektive[r] Eskalationsstufen zur Herstellung von Kompromissfähigkeit“) zu visualisieren. Auch die Begründung des Ungleichgewichts mit der „Verfügungsgewalt [der Arbeitgeberseite] über Produktionsmittel, Investitionen, Standorte und Arbeitsplätze“ (19. Juni, Rn. 32) wird nun wiederholt (9. Juli, Rn. 10). Das BVerfG differenziert damit implizit und zutreffend zwischen dem Ungleichgewicht im Arbeitsverhältnis (auf individueller Ebene) und dem Ungleichgewicht in Tarifverhandlungen und im Arbeitskampf (auf kollektiver Ebene).

Dienstag, 12. April 2022

Das linke Magazin "die Eule" zum kirchlichen (Arbeits-)Recht:

Haben queere Menschen in der katholischen #Kirche eine Zukunft, die kein Gnadenbrot ist? Außerdem: Ein bischöfliches Vergehen, Missbrauchs-Aufarbeitung und People of Color.
(Quelle: Die Eule auf Twitter)

Das Magazin zum Nachlesen gibt es hier https://eulemagazin.de/go-or-no-go-die-latdh-vom-10-april/.
Wir erlauben uns, einige Auszüge zu zitieren:
...
Erzbistum Freiburg: Transmann darf katholische Religion unterrichten – Inès Plume (SWR)
Wir starten gleich mit einer guten Nachricht: Der Transmann Theo Schenkel aus Waldshut darf katholische Theologie unterrichten. Das hat das Bistum Freiburg diese Woche entschieden. Schenkel ist einer der Mitarbeiter:innen, die sich in der ARD-Dokumentation geoutet haben.
Für die Erzdiözese war es eine heikle Entscheidung und vor allem eine Einzelfallentscheidung, wie Generalvikar Christoph Neubrand betont. „Also der wichtige Punkt für uns war, dass einfach durch und durch spürbar ist, dass Theo Schenkel mit Leib und Seele Religionslehrkraft werden will. Er brennt für dieses Thema“. Dass Theo Schenkel im Religionsunterricht Wissen vermitteln will, sei der ausschlaggebende Punkt für die Kirche bei ihrer Entscheidung gewesen. Ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel sei dies aber nicht.
Und genau das bedauert Theo Schenkel an der Entscheidung. Zwar freue er sich darüber, dass er nun Sicherheit habe und in Zukunft Religion unterrichten dürfe, doch der Weg sei noch weit. ...

Non-binär und trans in der katholischen Kirche – Till Opitz (Deutschlandfunk Nova)
Mara Klein ist Mitte 20 und eine von 230 Menschen, die beim sogenannten Synodalen Weg der katholischen Kirche mitmachen. Mara ist trans und non-binär. In dem Podcast „Eine Stunde Liebe“ von Deutschlandfunk Nova (@dlfnova) spricht sie/er mit Moderator Till Opitz über ihre/seine Arbeit beim Synodalen Weg. Mara beschreibt die Arbeit als Wechselbad der Gefühle, man begebe sich auf einen langen Weg:
„Grundsätzlich ist die katholische Kirche queer- und frauenfeindlich.“
Und trotzdem hilft Mara der Glaube gegen Widerstände zu kämpfen. Im Moment studiert sie/er katholische Theologie und zweifelt dabei auch immer wieder an den Wiedersprüchen der Verkündigung und dem gleichzeitigen Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer Sexualität.

Queer in der katholischen Kirche? Gespräch mit der Initiative Out in Church – (Radio Corax)
Apropos #OutInChurch: Das freie Radio im Raum Halle Radio Corax (@radiocorax) hat ein Interview mit Jens Ehebrecht-Zumsande (@ZumsandeJens) veröffentlicht. Er ist Theologe, Gemeindereferent in Hamburg und Mitglied der Initiative #OutInChurch. Er sagt, dass die Initiative durchaus zuversichtlich ist, dass es in Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts dieses Jahr große Veränderungen geben kann.

...
Soweit so gut? Dass es mit der Bewältigung der Thematik "queer" alleine nicht getan ist, macht "die Eule" dann schon in den weiteren Beiträgen deutlich:
Bischof outet Betroffene – Annette Zoch (Süddeutsche Zeitung)
Das nennt man wohl einen richtigen Fehltritt: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann nennt den Klarnamen eines Opfers von sexualisierter Gewalt durch einen Priester vor den Mitarbeiter:innen seines Bistums. Besonders heikel daran ist, dass die Betroffene auch für das Bistum arbeitet. Viele Anwesende kennen die Frau also, die gegen ihren Willen geoutet wird. Und das vom Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz. Man müsste meinen, dass gerade ihm so etwas durch seine Arbeit als Missbrauchsbeauftragten nicht passieren dürfe.
Seine Begründung soll viele Zuhörer [bei einer digitalen Anhörung, Anm. der Autorin] entsetzt haben: Wenn jetzt schon offen über Namen gesprochen werde, dann nenne er auch den Namen der beteiligten Person, soll Ackermann gesagt haben. Zudem sei Weißenfels‘ bürgerlicher Name vielen Menschen im Bistum bekannt.
Dlf-Religionsexpertin Florin: „No-Go für einen Missbrauchsbeauftragten“
Den ganzen Vorfall analysiert auch Christiane Florin (@christianeflori) im Deutschlandfunk, inkl. der ausführlichen Vorgeschichte, die für alle interessant ist, die mit dem Fall bisher nicht vertraut sind. In der Sendung (15 Minuten) kommt auch die neue UBSKM Kerstin Claus (s. #LaTdH von letzter Woche) zu Wort.
Florin berichtet von dem langjährigen (Rechts-)Streit der Betroffenen mit dem Bistum Trier und auch von den Ergebnissen langfristiger Recherchen, die sich selbst schon wieder über Jahre hinziehen. Die Klarnamen-Nennung durch Bischof Ackermann ist nur das letzte Kapitel einer bedenklichen Geschichte.
...
Skandal um früheren Dompastor: „Täter wie Abramzik gibt es überall“ – Benjamin Lassiwe (Bremer Nachrichten)
...
Lassiwe schreibt auch, dass diese Geschichte zu Studienergebnissen passe, wonach die Gründe für sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche andere seien als in der katholischen Kirche. Bei den Evangelischen sei es nicht der Zölibat und ein verklemmter Umgang der Kirche mit Sexualität, die den Missbrauch begünstigten. Vielmehr sei es die sexuelle Befreiung der 60er- und 70er-Jahre, die eine falsch verstandene Modernität und organisierte Verantwortungslosigkeit förderte, die den sexuellen Missbrauch begünstigte.
...


Damit wird der Kern der Skandalwelt in unserer katholischen Kirche angesprochen: es ist der Unterscheid von der Lehre der "frohen Botschaft" zu einem Verständnis von Amtskirche, das den klerikalen Machtmissbrauch erst ermöglicht - weil Abweichungen vom Idealbild (dass es dazu kommen kann, hat die Kirche immerhin sogar schon in der Grundordnung konzidiert) bei Klerikern grundsätzlich vertuscht wurden, damit "das eigene Nest nicht beschmutzt werde". Damit ist bzw. war die Kirche "von Amts wegen" zur Unglaubwürdigkeit verpflichtet. Dieses "klerikale Amts- und Machtverständnis" führt auch zu den vielen Finanzskandalen, die wir in den letzten Jahrzehnten "am Rande" immer wieder aufgegriffen haben, von der "bischöflichen Badewanne" in Limburg bis zur "Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT)", die als Lieblingsprojekt des Kölner Kardinals Woelkis gilt. Und dieses "klerikale Amts- und Machtverständnis" ist auch die Ursache dafür, dass die klerikale Amtskirche entgegen der eigenen Soziallehre die Verhandlung "auf Augenhöhe" mit den Gewerkschaften verbietet.
(dazu dann morgen weiter)

Montag, 11. April 2022

Arbeitskreis Säkularität und Humanismus auf Bundesebene eingesetzt - Diskriminierungsfreies kirchliches Arbeitsrecht auf der Agenda

wie sich einem Newsletter der Säkularen Sozis (Ausgabe April 2022) entnehmen lässt, ist neben konfessionellen Arbeitskreisen nun auch für die konfessionsfreien Parteimitgliedern eine organisatorische Basis auf Bundesebene gebildet worden. Wir zitieren den Newsletter auszugsweise:
Weitere wichtige Aufgaben sind die Beseitigung von Diskriminierungen im Arbeitsrecht für Beschäftigte der Kirchen und Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Abschaffung von Privilegien für einzelne Weltanschauungsgemeinschaften. In diesen und vielen anderen Bereichen werden wir uns deshalb gerade auch an der Parteibasis in Ländern und Kommunen aktiv an der Entscheidungsfindung der SPD beteiligen. Unser Ziel ist es, die Entflechtung von Religionsgemeinschaften und Staat im Sinne und Auftrag des Grundgesetzes voranzutreiben und zugleich das Recht auf Religionsfreiheit zu stärken, denn das impliziert auch das Recht, frei von Religion sein zu dürfen.

Die Gründung des Arbeitskreises geht einher mit massiven Kirchenaustritten, die Bischof Bätzing persönlich als "schmerzhaft" bezeichnet. Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD hat vor wenigen Wochen eine Studie präsentiert, mit der die Gründe für die Kirchenaustritte untersucht wurden:
"Bei den ehemals Evangelischen steht die Kirchensteuer an erster Stelle und bei den vormals Katholischen ist es die Unglaubwürdigkeit der Kirche."

Sonntag, 10. April 2022

Sonntagsgedanken - zum ideologischen Hintergrund von "Dienstgemeinschaft" ---- "S(ch)ein" oder "tun" - was ist wichtiger?

Im Oktober 2013 haben wir unter dem Titel:
Dienstgemeinschaft – Idee und Wirklichkeit
unter anderem die Genese der "Dienstgemeinschaft" erörtert
, die nahezu bruchlos vom  gewerkschafts- und kirchenfeindlichen und nationalsozialistischen Idol der Betriebs-, Dienst- und Volksgemeinschaft (auch als Gegensatz zur Gemeinschaft der Kirche) zur Beibehaltung bei den evangelischen Kirchen und über eine merkwürdige "ökumenischen Solidarität" der deutschen katholischen Kirchen dann auch zur Beibehaltung des Systems bei der katholischen Kirche führte.
Die Weiterführung der in dieser Zeit in der evangelischen Kirche implementierten Gedankenwelt der "Dienstgemeinschaft" nach 1945 lässt sich mit dem Kirchenjuristen Werner Kalisch personalisieren.
...
Eben dieser Werner Kalisch geriet nach dem Krieg in entscheidende Funktionen bei der evangelischen Kirche. Er forderte und förderte in seiner Funktion die Weiterführung und Adaption der zugrunde liegenden Ideologie:
"Mit dem Gedanken einer kirchlichen Dienst- und Werkgemeinschaft (muss) ernst gemacht werden."
Die historische Stringenz der "Dienstgemeinschaft" in der evangelischen Kirche kann somit als belegt gelten. Die "Dienstgemeinschaft" erweist sich damit für die evangelische Kirche als eine der letzten Reste nationalsozialistischer Ideologie.
Diese Darstellung wurde nun - gerade rechtzeitig zum "Palmsonntag" - durch eine aktuelle Untersuchung bestätigt. Katholisch.de berichtet:
ZWANG UND OPFER SEIEN "MYTHEN DER NACHKRIEGSZEIT"
Studie: Evangelische Kirche im Norden war Stütze des NS-Staats

HAMBURG/KIEL ‐ Es ist die erste empirisch belastbare Studie zu einer Landeskirche in der NS-Zeit – und die Ergebnisse erschrecken: Über 80 Prozent der Pastoren Schleswig-Holsteins waren regimetreu, 40 Prozent sogar Mitglied der NSDAP oder der SA.
...
Dazu noch einmal ein Zitat aus unserem damaligen Beitrag:
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die katholische Kirche in Deutschland, die sich erst unter Druck und aufgrund der Bindung an das "für alle geltende Gesetz" zur Einführung der TOA mit der "Dienstgemeinschaft" zwingen lassen musste, nun ohne Druck an diesem aufgezwungenen System festhält - einem System, das nicht im Einklang mit der eigenen Soziallehre steht.

*) Der Palmsonntag ist das Tor zur Heiligen Woche, der Feier von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi.


Lassen Sie mich (aus aktuellem Anlass) in dem Kontex noch einmal auf den Unterschied von "sein" und "tun" eingehen:
Die "Sonderregelung" für einen Transmann bringt es auf den Punkt:
ALLERDINGS KEINE MISSIO CANONICA ERTEILT
Erstmals Erlaubnis: Transmann darf in Freiburg Religion unterrichten
berichtet katholisch.de.
Für die Kirche ist es also trotz aller Beteuerungen immer noch wichtiger, was oder wie ein Mensch ist. Heterosexuell, homosexuell, trans - das ist immer noch die viel entscheidendere Frage als die Frage was ein Mensch tut. Hat die (immerhin von Gott gewährte) gefühlte eigene sexuelle Identität eines Menschen irgendeinen Einfluss auf die pädagogische Qualität des Unterrichts? Ist der laue "Papierscheinkatholik" von Hause aus der bessere Katechet und Pädagoge, besser als derjenige, der sich (auch aus eigener Betroffenheit) mit dem Wesen des "Menschsein" und der gefühlten eigenen Geschlechtlichkeit auseinander setzt - und diese (von Gott gegebene eigene geschlechtliche Identität) dann auch für sich annimmt und akzeptiert (Nr. 2333 KKK)?

Was das mit gewerkschaftlicher Koalitionsfreiheit und Dienstgemeinschaft zu tun hat?
Nicht nur, dass der Anspruch auf gewerkschaftliche Rechtsschutz bei der Frage einer arbeitsrechtlichen Diskrimnierung greifen würde -
die Koalitionsfreiheit gilt für alle Menschen gleichermaßen, egal welche Pigmentierung Haare oder Haut haben, egal wie die eigene geschlechtliche Identität selbst empfunden und definiert wird. Entscheidend für die innere Organisation der Gewerkschaften ist viel mehr, was die einzelnen Menschen tun, und wie sie das tun.
Damit gliedert sich ein Mensch in den gemeinsamen Dienst ein.
Der "barmherzige Samariter" hätte keinerlei Probleme bei einem gewerkschaftlichen Engagement. Er müsst weder seine geschlechtliche Orientierung offen legen noch zum "richtigen Bekenntnis" konvertieren, um sich koalitionsmäßig betätigen zu können.
Mir scheint: hier könnte die Kirche von Gewerkschaft einiges lernen.

e.s.

Samstag, 9. April 2022

Samstagsnotizen: Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.4.) Koalitionsfreiheit - Art. 6 GrO

Artikel 6 der Grundordnung steht zwar unter der Überschrift "Koalitionsfreiheit" - anthält im Kern (Absatz 3 und 4) aber Beschränkungen der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer. Damit stehen diese beiden Absätze im Widerspruch zu Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz
... Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechswidrig.
Will jetzt jemand ernsthaft bezweifeln, dass das Grundgesetz zu den "für alle geltenden Gesetzen" gehört, die auch für die Kirchen gelten?

Kirchennahe Juristen versuchen nun, einen Gegensatz zwischen Art. 4 Grundgesetz (Glaubens- und Gewissensfreiheit) und Art. 9 dieses Gesetzes (Vereinigungsfreiheit) zu konstruieren, indem sie die Beschränkungen der Grundordnung als Umsetzung der Glaubensfreiheit deuten ("Gott kann man nicht bestreiken"). Diese religiöse Begründung müsste dann aber für die gesamte Kirche oder Religionsgemeinschaft gelten. Und für unsere katholische Kirche steht schon im "Katechismus" eindeutig, dass die Beschränkungen der Grundordnung mit den universellen Glaubensinhalten nicht zu begründen sind. Das geht bis hin zum Streikrecht (Katechismus Nr. 2435), das nach verfassungsrechtlichem Verständnis Bestandteil des Koalitionsrechts ist (vgl. Art. 9 Abs. 3 S. 4 GG) und nach Katechismus, katholischer Soziallehre und universellem Kirchenrecht (c. 1286 CIC) auch und gerade für kirchliche Arbeitnehmer gewährleistet sein müsste. Wenn man sich dagegen die Ausführungen zu Artikel 7, III ff ansieht, dann liest man, dass damit - im Gegensatz zur katholischen Kirche weltweit und dem universellen Kirchenrecht - das Koalitionsrecht der Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen beschränkt wird.
Das universelle Kirchenrecht baut nun auf der Theologie auf. Daher kann diese nationale Beschränkung des Koalitionsrechts nicht mit theologischen Ausführungen begründet werden.
(wird fortgesetzt)

Freitag, 8. April 2022

Was bedeutet Datenschutz? Was bei Betriebsräten zur Kündigung führt ist für einen Bischof wohl nur ein "Kavaliersdelikt"

da geht es doch insbesondere um die Persönlichkeitesrechte der Betroffenen - oder? Darum ist es auch richtig, wenn das LAG Baden-Württemberg urteilt:
Datenschutzverstoß:
Fristlose Kündigung von Bosch-Betriebsrat rechtens

Ein langjähriger Betriebsrat der Robert Bosch GmbH hatte mittels Dropbox Akten mit persönlichen Daten einem größeren Kreis von Empfängern zugänglich gemacht. Die außerordentliche Kündigung wegen dieses Verstoßes gegen das Datenschutzrecht erklärte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg nun für wirksam (Az.: 7 Sa 63/21 vom 25.03.2022)....
Quelle und mehr: BetriebsratsPraxis24.de

Gild das dann auch für die katholische Kirche?
Nur wenige Tage später, am 6. April 2022, 14:37 Uhr schrieb die Süddeutsche Zeitung:
Missbrauch in der katholischen Kirche:
Bischof outet Betroffene
Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, lüftet vor Mitarbeitern seines Bistums das Pseudonym einer Betroffenen - gegen ihren Willen. ...
Besonders heikel: Die Betroffene ist beim Bistum Trier angestellt und wurde offenbar vor etwa 40 Kolleginnen und Kollegen gegen ihren Willen geoutet.
...
Quelle und mehr: Süddeutsche Zeitung
Die Süddeutsche Zeitung bezieht sich auf die Lokale Zeitung "Volksfreund" in Trier, und der Anwalt der Betroffenen spricht dort von einer "vorsätzlichen Zerstörung der Anonymität seiner Mandantin. Auch der Deutschlandfunk berichtet:
Dlf-Religionsexpertin Florin: „No-Go für einen Missbrauchsbeauftragten“
mit anschließender Twitter-Diskussion.

Dürfen wir auf Konsequenzen gespannt sein? Etwa gar, dass sich kirchliche Datenschutzstellen oder kirchliche Datenschutzgerichte konsequent und ohne Ansehen der Person mit diesem ungewollten "outing" auseinander setzen?
Ach so ja - die kirchlichen Datenschutzgerichte sprechen nur im Namen des Bischofs, und können daher selbst gegen den bischöflichen Vollmachtgeber nicht vorgehen. Das wäre nur einem Bischof erlaubt ...
Über die Gerichtsbarkeit in der katholischen Kirche
Zum Nachdenken über die Verteilung von Macht und Ohnmacht in unserer Kirche
Zum Stichwort "Datenschutz" im Blog


Nachtrag 08.04.2022 14:30 Uhr:
Zeitgleich mit uns hat auch der kirchliche Datenschutz das "ungewollte bischöfliche Outing" aufgegriffen. Wir zitieren den Blog "Artikel 91 - Datenschutz in Kirchen und Religionsgemeinschaften":
Bischofs-Outing – Wochenrückblick KW 14/2022
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Mit Blick auf den vorliegenden Fall ist das kirchliche Datenschutzrecht wohl recht schwach aufgestellt: Ein immaterieller Schadenersatz wäre denkbar; leider ist der Rechtsweg unklar, auf dem dieser erstritten werden könnte – die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit ist jedenfalls nicht zuständig. Das mutmaßlich einschlägige Universalkirchenrecht kennt in can. 220 CIC (»Niemand darf […] das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen«) keine Sanktionen. Auf Twitter äußert sich außerdem Doris Reisinger zum Machtungleichgewicht bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten.
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Donnerstag, 7. April 2022

Anstoß zur Reform - hier: Betriebsverfassungsgesetz

Vor fünfzig Jahren wurde das Betriebsverfassungsgesetz zum letzten Mal grundlegend reformiert. Seither regelt es die Rechte von Betriebsräten. Doch im Verlauf von 50 Jahren hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. „Das Betriebsverfassungsgesetz braucht ein Update“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann. Die Grundlage dafür hat er ... gemeinsam mit ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Meister, der Zweiten Vorsitzenden der IG, Christiane Brenner, und der wissenschaftlichen Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Johanna Wenckebach, bei einer Pressekonferenz vorgestellt. ...
berichtete ver.di gestern und schrieb:
Morgen (also am heutigen Donnerstag) soll der Vorschlag der Gewerkschaften Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, übergeben werden.
So schnell schon? Die MAVO nimmt doch noch nicht einmal diese seit 50 Jahren geltenden Mitbestimmungsrechte auf. Da kann die - bekanntlich in Ewigkeitsmaßstäben kalkulierende Kirche - ja mit der Angleichung des eigenen Rechts gar nicht nachkommen. Dann darf man ja gespannt sein, ob den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden nach der Novellierung wieder ein Sonderrecht eingeräumt wird.

Siehe auch:
DGB PM 020 - DGB 06.04.2022 "Eine Betriebsverfassung für das 21. Jahrhundert - Fachleute legen Gesetzesvorschlag vor"
DGB "Betriebliche Mitbestimmung modernisieren - Entwurf für ein neues Betriebsverfassungsgesetz"
DGB: Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert - Gesetzentwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz
in Sonderausgabe AuR April 2022

Mittwoch, 6. April 2022

2013: Todestag Otmar Schreiner

am 6. April 2013 starb Otmar Schreiner. Wir hätten es ihm gewünscht, dass er die aktuellen Entwicklungen noch erleben könnte ...
So fordert die KAB (wieder einmal - nun in IMPULS 01/2022 S. 14) eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechs. Diesmal aber scheint hierzu ein gesamtgesellschaftlicher Konsens zu bestehen. Diese Reform auf die reinen Loyalitätspflichten zu begrenzen, wäre allerdings "zu kurz gesprungen". "Kirchlichkeit" drückt sich nicht um unbarmherzigen (diskriminierenden und ausgrenzenden) Umgang mit Minderheiten aus, sondern im liebevollen und selbstlosen Umgang mit den hilfsbedürftigen Mitmenschen, den Alten, Behinderten, Kindern und Kranken - und umfassenden Gestaltungsrechten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Welche Einrichtung der Caritas wird aber heute noch "Selbstlos", d.h. ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig? Gibt es denn noch wirklich caritative kirchliche Einrichtungen?
Zur Frage der Alternative zur Marktorientierung hat Otmar Schreiner im März 2012 in Eichstätt Colin Crouch zitiert:
"Tatsächlich besteht eine der wichtigsten Errungenschaften des neoliberalen Projekts darin, mehr oder weniger alle Institutionen der Gesellschaft – von Universitäten über Krankenhäuser und Wohlfahrtseinrichtungen bis hin zu Behörden – unter die Verpflichtung zu stellen, so zu agieren, als ob sie profitorientierte Unternehmen wären. An dieser Aufgabe müssen sie jedoch scheitern. Wenn per definitionem nur der wirtschaftlich handelt, der all sein Tun dem Gewinnstreben unterordnet, muss sich jede Organisation, die andere Ziele verfolgt, der Ineffizienz zeihen lassen.“
wir möchten gerne bestätigen, dass der Auftritt von Otmar in Eichstätt einer der Beweggründe war, die "andere Sicht" auf das kirchliche Arbeitsrecht mit unserem Blog darzustellen
(gerne mal wieder ein Blick in Otmar Schreiner, Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewährung, S. 4 und 5 - Kardinal Marx und Colin Crouch zum Thema).