Dienstag, 28. Februar 2023

Kommune meets Kirche

Streikende des öffentlichen Dienstes zeigen ihre Solidarität mit Beschäftigten des diakonischen Elisabethenstifts in Darmstadt, die sich für einen Tarifvertrag stark machen.

Lautstark zogen am Donnerstag (23. Februar 2023) gut 1.000 streikende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch Darmstadt. Sie machten deutlich, dass sie vom Bund und von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in der nächsten Verhandlungsrunde endlich ein substanzielles Angebot erwarten. In Sprechchören bekräftigten sie die ver.di-Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro monatlich mehr. Zugleich zeigten sie Solidarität: Der Demonstrationszug endete am Darmstädter Elisabethenstift. Denn die Beschäftigten des diakonischen Krankenhauses haben sich auf den Weg gemacht, einen Tarifvertrag einzufordern. ...
berichtet ver.di.

Die Möglichkeit zur Solidarität besteht natürlich auch anders rum: MitarbeiterInnen kirchlicher Einrichtungen nehmen an Demonstrationen der Gewerkschaft teil. Denn der Abschluss im öffentliche Dienst wirkt immer noch als Referenz für die gesamte Branche. Und je höher der Abschluß, desto mehr sind auch die kirchlichen Arbeitgeber zum "nachziehen" gezwungen.

Montag, 27. Februar 2023

Soziale Arbeit im Wandel – besser mitbestimmt!

ver.di-Fachtagung für Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen bei freien Trägern

26.-27. Juni 2023 in Berlin


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Arbeitswelt ist im Wandel – so auch in der Sozialen Arbeit. Rahmenbedingungen verändern sich, Fachkonzepte wechseln und neue Anforderungen werden geschaffen. Hinzu kommt der hohe Fachkräftemangel. All dies beeinflusst massiv die Arbeit der Beschäftigten in diesem wichtigen Arbeitsfeld, die die Soziale Arbeit erst sozial machen. Wir laden euch herzlich ein zur bundesweiten ver.di-Fachtagung für betriebliche Interessenvertretungen. Vom 26. bis 27. Juni 2023 werden wir uns in Berlin austauschen, qualifizieren und vernetzen, um Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit weiterhin bestmöglich zu gestalten. Die Fachtagung richtet sich gleichermaßen an neu gewählte wie langjährige Interessenvertretungen in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit der freien Träger.

Mit dabei sind: Prof. Dr. Ulrike Eichinger (Alice Salomon Hochschule Berlin), Sylvia Bühler (Mitglied des ver.di-Bundesvorstands), Doreen Lindner (Juristin ver.di Bildung + Beratung), Hanka Jarisch (BGW) und Stefan Kirst (Rechtsanwalt)

Tagungsprogramm, Anmeldung und weitere Hinweise sind hier zu finden.

Dr. Sarah Bormann

Gewerkschaftssekretärin

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

Fachbereich C Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft / Ressort 9

Paula-Thiede-Ufer 10

10179 Berlin

fon: +49-30-69 56-1843
mobil: +49-171-95 44 249

Sonntag, 26. Februar 2023

Sonntagsnotizen - ein Papstzitat für die katholische Kirche in Deutschland

"Die modernen Gewerkschaften sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer, der Arbeiterschaft und vor allem der Industriearbeiter, für den Schutz ihrer legitimen Rechte gegenüber den Unternehmern und den Besitzern der Produktionsmittel entstanden. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der existentiellen Interessen der Arbeitnehmer in allen Bereichen, wo ihre Rechte berührt werden." Papst Johannes-Paul II

Donnerstag, 23. Februar 2023

Kirche droht Kita-Beschäftigten mit Abmahnung und Kündigung - zum aktuellen Angebot der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst

berichtete gestern der SWR und führt zu einem STREIT ZWISCHEN VER.DI UND EVANGELISCHER KIRCHE DER PFALZ aus:
Kita-Personal im Raum Kaiserslautern hat im Vorfeld der Tarif-Streiks "Drohbriefe" des Trägers im Briefkasten gefunden. Nach der Kritik am Streikverbot räumt die evangelische Kirche nun ein: "Der Brief war missverständlich."

Eine Erzieherin aus Kaiserslautern staunte nicht schlecht, als sie in ihrem Postfach eine E-Mail ihres Arbeitgebers, der Evangelischen Kirche der Pfalz, vorfand. Auch ihre Kolleginnen und Kollegen haben ein Schreiben aus der Chefetage erhalten. Sie alle arbeiten in einer kirchlichen Kindertagesstätte im Raum Kaiserslautern. Eigentlich hatten sie gemeinsam geplant, ihre Arbeit für zwei Tage niederzulegen und für mehr Gehalt zu demostrieren. Wie viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes auch. ...
Die Evangelische Kirche der Pfalz bezahlt ihre Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Somit waren auch die Mitarbeiter der kirchlichen Kita aufgerufen, am Protest teilzunehmen.
Die Evangelische Kirche versucht aber nun mit einem "Drohschreiben" dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. ...
Bettina Wilhelm, Rechts-Dezernentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, betont im SWR-Interview, von "Kündigung und Abmahnung" sei nie die Rede gewesen. Unter arbeitsrechtlichen Konsequenzen sei zu verstehen, dass Mitarbeitende für Tage, an denen sie unentschuldigt fehlten, keinen Lohn erhielten.
"Wir als Kirche sagen nicht, dass die Leute nicht streiken dürfen. Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter sagt, sie oder er möchte an einem Unterstützungsstreik teilnehmen, dann dürfen sie das", so die Dezernentin. "Sie müssen dann nur dafür Urlaub oder Gleitzeittage nehmen – wie jeder andere Beschäftigte auch. Wenn sie das nicht tun und einfach fernbleiben, wird ihnen Lohn abgezogen." ...
Für den Lohnausfall gibt's ja Streikgeld
Und was das verfassungsrechtlich garantierte Streikrecht betrifft, da haben wir uns - auch unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung - schon ausführlich geäussert. Wenn denn eine Gewerkschaft zum Streik aufruft, dann ist die Rechtslage von der Gewerkschaft auch intensiv geprüft.

Bei der Gelegenheit können wir kurz auf das aktuelle Angebot der Arbeitgeberseite bei den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes eingehen:
Keine Vorschläge zur Altersteilzeit!
Das Angebot bedeutet für eine Kinderpflegerin bei einer Vollzeitkraft S4 St.3 gerade mal 93,17€ brutto ab Oktober im Monat mehr. Bei ihrer Kollegin der Küchenhilfe sind es sogar nur 79,82 € brutto bei E3 Stufe 3. Von der Reinigungskraft schreib ich gar nicht erst, da wird’s noch weniger. Wie gesagt und das ist brutto bei einer Vollzeitkraft Jetzt Ver.di Mitglued werden und für was besseres kämpfen!
(Merle Pisarz bei Sozial- und Erziehungsdienst Bayern, Facebook)

§ Kirchliche Arbeitsgerichte - Befangenheit des gesetzlichen Richters?

Eine falsche Besetzung der kirchlichen Arbeitsgerichte kann sehr schnell zur Aufhebung einer Entscheidung führen (vgl. z.B. 07.07.2017, M 01/16 "Verfahrensmängel im erstinstanzlichen Verfahren; absoluter Revisionsgrund wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Kirchlichen Arbeitsgerichts gemäß § 49 Abs. 2a KAGO; 
Fehlen einer Liste zur Heranziehung ehrenamtlicher Richter beim Kirchlichen Arbeitsgericht"; vgl. auch 18.06.2019, K 06/19 "1. Kommt ein Richter seiner Pflicht zur Selbstanzeige gemäß § 48 ZPO nicht nach, verletzt dieser Verfahrensfehler den Anspruch auf rechtliches Gehör einer Partei, die von dem möglichen Ablehnungsgrund keine Kenntnis hat. ...").

Im staatlichen (weltlichen) Rechtsgebiet ergibt sich diese Anforderung zur "ordnungsgemäßen Besetzung" aus dem verfassungsrechtlichen Gebot aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) auf die Entscheidung durch den gesetzlichen Richter. In den weltlichen Gesetzen zum Gerichtsverfahren (z.B. § 43 ZPO) sind dann auch Gründe genannt, die einen Richter "befangen" machen. Dazu gibt es eine umfassende und ausführliche Rechtsprechung (vgl. auch Rechtsprechung zu § 39 DRiG). Da die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) unter anderem auf die staatliche Gerichtsverfassung verweist kann unterstellt werden, dass die Bischöfe die gleichen Rechtsanforderungen und Auswirkungen auch im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts normieren wollten.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun für das weltliche Recht konkretisiert, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die "richtige Besetzung" des Gerichtes zu stellen sind:
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter. Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters durch die fachgerichtliche Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind oder die Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt wird. Rechtsfehlerhafte – aber nicht willkürliche – Entscheidungen über die Bestimmung des zuständigen Gerichts oder des zuständigen Richters beanstandet das Bundesverfassungsgericht nicht. ...

2. Gemessen an diesen Maßstäben wurde dem Beschwerdeführer der gesetzliche Richter nicht im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen.
a) Die angegriffenen Entscheidungen entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Befangenheit wegen Vorbefassung. Eine Vortätigkeit des erkennenden Richters, die den Verfahrensgegenstand betrifft, zieht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder automatisch die Ausschließung des Richters von der Ausübung des Richteramts im weiteren Verfahren nach sich, noch begründet sie zwangsläufig die Besorgnis der Befangenheit. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen.
b) Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das deutsche Verfahrensrecht ist von der Auffassung beherrscht, ein Richter könne auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantreten, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet habe. ...
c) Diese Maßstäbe stehen im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, die als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte heranzuziehen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verortet die Unparteilichkeit des zur Entscheidung berufenen Richters im Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 EMRK und sieht sie als dessen unverzichtbaren Bestandteil an. ....
Quelle und mehr: Pressemitteilung Nr. 19/2023 vom 17. Februar 2023 zum Beschluss vom 27. Januar 2023, 2 BvR 1122/22

Montag, 20. Februar 2023

Laien in den Pfarreien der verfassten Kirche - mehr als Hausmeister und Pfarrers Sekretärin

dass ohne die Laien (also "Nicht-Kleriker") in caritativen Einrichtungen "nichts mehr geht" ist offensichtlich. Keine Einrichtung eines Ordens würde heute noch funktionieren, wenn diese Ordenseinrichtung alleine auf Ordensmitglieder zurück greifen könnte.
Aber wie ist das bei der "verfassten Kirche" - insbesondere in den Pfarrämtern? Sind da die Laien nur das Hilfspersonal des Ortspfarrers?
In einem Bericht der KNA, der sowohl von katholisch.de, von Kirche+Leben, wie auch vom Domradio übernommen wurde, wird die so genannte "Machtfrage in der Kirche" angesprochen. Zitiert wird aus einr Ansprache des Papstes am Samstag vor Delegierten der Laien-Kommissionen von Bischofskonferenzen weltweit:
Die Diskussion um Laien in der katholischen Kirche muss nach Meinung von Papst Franziskus eine Sichtweise überwinden, die Klassen und Rangstufen unterscheidet und um Macht kreist. Der Akzent müsse "auf der Einheit und nicht auf der Trennung" liegen ...
...

Als Betätigungsfeld für Laien nannte Franziskus in erster Linie die "säkulare Wirklichkeit" ihres Alltags; dies schließe Mitwirkung in Liturgie, religiöser Unterweisung, in Leitungsstrukturen und der Vermögensverwaltung sowie bei der Planung und Umsetzung von Pastoralprogrammen nicht aus.

Vor allem Frauen müssten "mit ihren Kompetenzen und ihren menschlichen und spirituellen Gaben" stärker gewürdigt werden, sagte der Papst. Unter anderem nannte er eine Zusammenarbeit mit Priestern in der Kinder- und Jugendbildung und die Bereiche Ehe und Familie. Franziskus verlangte die Einbeziehung von Frauen in Pastoralinitiativen auf lokaler, nationaler und weltkirchlicher Ebene. Sie müssten auch in Kirchenbehörden präsent sein.

Samstag, 18. Februar 2023

80 Jahre Sportpalastrede - und ein Gegenpol aus katholischer Sicht:

Als Sportpalastrede wird die Rede bezeichnet, die der nationalsozialistische deutsche Reichspropagandaminister Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast hielt und in der er zur Intensivierung des „totalen Krieges“ aufrief. Die knapp 108 Minuten dauernde Rede gilt als ein Paradebeispiel der Rhetorik und der NS-Propaganda.
berichtet Wikipedia
Das heimliche Motto der Rede - Führer befiehl . wir folgen Dir - ist auch die Grundlage der nationalsozialistischen Ideologie der Dienstgemeinschaft.

Eine andere, gegensätzliche Rede - sowohl im Duktus wie in der Intention - war dagegen weit weniger martialisch - wiewohl mit der Tendenz, die "weltlichen Herrschaftsformen" unserer Kirche zutiefst zu erschüttern. Es ging eben nicht um brutal durchgesetzte Machtansprüche, sondern - feinsinnig diplomatisch formuliert - um das absolute Gegenteil, um die Aufgabe von weltlicher Macht. 
In der ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI. im Konzerthaus, Freiburg im Breisgau vom Sonntag, 25. September 2011 hat der "deutsche Papst", der seine "deutsche Kirche" kannte wie kein anderer Papst zuvor, von seiner deutschen Kirche gefordert:
Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muß die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden. Sie folgt damit den Worten Jesu: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16), und gerade so gibt er sich der Welt. Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben.

Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt. Damit teilt sie das Schicksal des Stammes Levi, der nach dem Bericht des Alten Testamentes als einziger Stamm in Israel kein eigenes Erbland besaß, sondern allein Gott selbst, sein Wort und seine Zeichen als seinen Losanteil gezogen hatte. Mit ihm teilte sie in jenen geschichtlichen Momenten den Anspruch einer Armut, die sich zur Welt geöffnet hat, um sich von ihren materiellen Bindungen zu lösen, und so wurde auch ihr missionarisches Handeln wieder glaubhaft.

Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar. Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11). Er, der unendlich über mir ist, ist doch so in mir, daß er meine wahre Innerlichkeit ist. Durch diese Art der Öffnung der Kirche zur Welt wird damit auch vorgezeichnet, in welcher Form sich die Weltoffenheit des einzelnen Christen wirksam und angemessen vollziehen kann.

Es geht hier nicht darum, eine neue Taktik zu finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch daß sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheit ist.
"Es lohnt sich, sie (diese Rede) noch einmal anzusehen" - wie die ZEIT unter Hinweis auf ein You-tube Video meint.
... Ausgedruckt ist sie nicht sehr lang, keine vier Seiten, und die ließen sich noch kürzen auf wenige Sätze, sogar nur auf ein Wort. Doch dieses Wort hat es in sich.
...
Das Wort lautet "Entweltlichung".

Umständlich und rätselhaft klingt dieses Wort. Durch die Präfixkonstruktion schwingt etwas Pedantisch-Bürokratisches, beinahe Lebensabgewandtes mit. Auch deshalb fragten sich im Jahr 2011 nach der Rede viele deutsche Katholiken: Was zum Himmel wollte der Papst uns damit sagen? Tatsächlich ist der Begriff nicht nett gemeint, sondern eingewoben in eine deftige Kritik an einer "selbstgenügsam" und fett wie bequem gewordenen Kirche.
Gemeint waren damit vor allem die deutschen Katholiken. Deren wichtigste Vertreter saßen in Freiburg vor Benedikt im Publikum oder wie im Falle Robert Zollitschs, damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sogar klein mit Hut neben dem damals 84-Jährigen auf der Bühne. Ihnen allen hielt Benedikt sein Ideal einer "entweltlichten" Kirche entgegen. Diese solle sich aufs Wesentliche konzentrieren – Beten und Verkündigen der Frohen Botschaft – und nicht um Kirchensteuern und Politik scheren. "Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben."
(zitiert aus der ZEIT online)

Freitag, 17. Februar 2023

§ Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Das Bundesarbeitsgericht hat es gestern bestätigt:
Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

...
Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/23 des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21 –

Die Arbeitgeber werden sich dann halt künftig andere Begründungen einfallen lassen, um eine ungleiche Entlohnung zu begründen.

weitere Quellen:
Arbeit und Arbeitsrecht: BAG Urteil zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen
LTO: Equal Pay ist keine Verhandlungssache
Tagesschau: Gleicher Lohn ist keine Verhandlungssache
ZDF Heute - Gleicher Lohn: Urteil stärkt Frauen
ZEIT ONLINE: Bundesarbeitsgericht stärkt Lohngerechtigkeit für Frauen

Donnerstag, 16. Februar 2023

Kita-Fachkräfte schlagen Alarm

 

MITMACHEN

Kita-Fachkräfte schlagen Alarm: Bildung in Kitas nicht mehr möglich 

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) macht in dieser Woche durch Aktionen auf die alarmierende Situation in den Kindertageseinrichtungen aufmerksam. In ver.di organisierte Kitafachkräfte überreichen daher staatlichen Archiven und Museen in vielen Städten ab heute (13. Februar 2023) die Bildungspläne zur Aufbewahrung. ...

Quelle: Pressemitteilung vom 13.02.2023 

Kita-Fachkräfte schlagen Alarm: Bildung in Kitas nicht mehr möglich – ver.di (verdi.de)

Fotoquelle - ver.di

Montag, 13. Februar 2023

Eine ungetaufte Erzieherin in der KiTa - geht das, oder muss sich die Pädagogin taufen lassen?

In einem Internet-Forum "Arbeitsrecht von A - Z" stand kürzlich der folgende Beitrag, den wir mit Zustimmung der Fragenden hier zur Diskussion stellen wollen:
Hallo an alle!
Kennt sich jemand mit Kirchenrecht aus?
Ich arbeite bei einem katholischen Träger (Kita). Vor wenigen Monaten wurde eine neue Mitarbeiterin angestellt. Sie ist nicht getauft und gehört somit auch keiner Kirche an Bei Einstellungen als Schwangerschaftsvertretung wurde ihr diesbezüglich nichts gesagt. Jetzt hat sie gestern, zwischen Tür und Angel, gesagt bekommen, dass sie sich taufen lassen muss innerhalb der nächsten 2 Jahre, wenn sie dann eine Festanstellung bzw. eine Vertragsverlängerung haben möchte. Das wird sie in dieser Form natürlich nicht schriftlich bekommen (es geht nicht darum die Aussage schriftlich zu bekommen). Aber sie möchte sich auch nicht taufen lassen. Nur den Job will sie behalten.
Ja, ja, ich weiß, da ist das mit der Gleichstellung und dass man nicht benachteiligt werden darf. ABER beim Kirchenrecht ist manches eben doch anders! Da kann man sich jetzt drüber aufregen, hilfreich ist das aber nicht.
Jetzt wollte ich gerne von euch wissen, ob jemand dazu ne brauchbare Info für mich hätte. Ich hab sie schon an die MAV (Mitarbeiter Vertretung) verwiesen, aber ich weiß dass die nur so pseudomäßig vorhanden sind und kaum etwas ausrichten können.
Vielen Dank schon mal vorab für eure Hilfe.

Es gab und gibt vielfältige Reaktionen auf einen solchen Beitrag. Viele kirchliche Einrichtungen insbesondere aus dem Gebiet der früheren DDR können ihre Dienste ohne ungetaufte MitarbeiterInnen gar nicht erst anbieten und aufrecht erhalten. Andere schütteln empört den Kopf über die "Nötigung zu einer Zwangstaufe". Wieder andere wieder meinen, dass "den Kirchen alles erlaubt" sei. Unsere Kommentarfunktion erlaubt jede sachliche Meinungsäußerung zum Thema. Da können sozialkritische Antworten genauso wie "noch zeitgemäß" eingestellt werden wie rein rechtliche Argumente.

Aber unabhängig von gefühlsmäßigen und moralisierenden Argumenten - lassen wir uns doch die Frage auf einer rein rechtlichen, so gesehen formalistischen Ebene beleuchten.
Ich möchte den zitierten Beitrag daher zum Anlass nehmen, um meinerseits die genannte Anforderung auf einer rein rechtlichen Argumentationsbasis zu hinterfragen.

Mittwoch, 8. Februar 2023

Kirche und Grundrechte

Angesichts der Leiden durch Ungerechtigkeit und Gewalt könne die Kirche nicht neutral bleiben, sagte der Papst an seinem zweiten Besuchstag in der Hauptstadt Juba. "Wo eine Frau oder ein Mann in ihren Grundrechten verletzt werden, wird Christus verletzt", so Franziskus wörtlich.
(zitiert das Domradio vom Papstbesuch im Südsudan)
Weiter sprach sich der Papst erneut gegen eine Ausgrenzung homosexueller Menschen aus. Auf eine Journalistenfrage zum Umgang mit Homosexuellen in den soeben von ihm besuchten Ländern Kongo und Südsudan, wo Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung oft auf Ablehnung stießen, sagte Franziskus, er könne nur wiederholen, was er bereits früher zu dem Thema gesagt habe. Die Formulierung im Katechismus gelte auch in diesem Fall, so der Papst.

Der Katechismus der katholischen Kirche, der die wesentlichen Glaubens- und Sittenlehren zusammenfasst, stellt fest, "eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen" hätten "tiefsitzende homosexuelle Tendenzen". Der Katechismus fährt fort: "... Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen."
(Quelle: katholisch.de - vgl. auch Jesuit Martin: Papst fährt beim Thema LGBTQ keinen Zickzackkurs)

Das Domradio geht bezüglich der - bisher mit Kündigung bedrohten - "bekennenden Homsexualität" noch weiter:
Papst verurteilt Kriminalisierung von Homosexualität als Sünde
Auf dem Rückflug von seiner Zwei-Länder-Reise in die Demokratischee Republik Kongo und den Südsudan betonte Papst Franziskus, dass die Kriminalisierung von Homosexualität eine "Sünde" sei. Damit beantworte der Heilige Vater eine Frage eines Reporters auf dem Flug vom Südsudan nach Rom am Sonntag. "Das ist nicht richtig. Menschen mit homosexuellen Neigungen sind Kinder Gottes. Eine solche Person zu verurteilen ist eine Sünde. Menschen mit homosexuellen Neigungen zu kriminalisieren ist eine Ungerechtigkeit."

Da ergeben sich dann eigentlich nur noch zwei Fragen:
1. Gilt das jetzt nur für den Südsudan oder auch in (allen) anderen Regionen dieser Welt?
2. Gehört nach katholischem Verständnis die Koalitionsfreiheit, bis hin zum Arbeitskampf und Streikrecht, mit zu den Grundrechten?

Dienstag, 7. Februar 2023

Frühjahrsvollversammlung startet Ende Februar

Sie findet vom 27. Februar bis 2. März in Dresden statt
wie das Domradio berichtet.
Die Lage in der Ukraine, die Reformprozesse in der katholischen Kirche und der Umgang mit sexuellem Missbrauch stehen auf der Tagesordnung

Montag, 6. Februar 2023

Kotau vor den Kirchen – Quo vadis, SPD?

unter dieser Überschrift kommentierte der Sprecherkreis des Netzwerks der Säkularen Sozis NRW schon vor drei Monaten selbstkritisch den indifferenten und inkonsequenten Schlingerkurs der eigenen SPD mit dem kirchlichen Nebenarbeitsrecht
So erfreulich viele Punkte des Koalitionsvertrags für die Genossinnen und Genossen auch sein mögen, so bitter ist manche Pille, die es gleichzeitig zu schlucken gilt: Der Umgang der SPD insbesondere mit dem System des kirchlichen Arbeitsrechts – auch bekannt als "Dritter Weg" – offenbart, welche außerparteilichen Lobbyvertreter und innerparteilichen Kontaktleute sich bei der Formulierung des Koalitionsvertrages durchgesetzt haben.
Dabei greifen die Sozialdemokraten auch Fragen auf, die wir immer wieder zur Diskussion stellen:
...
Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gibt es rechtlich betrachtet nicht
Auf einen spürbaren Impuls der Partei zur entsprechenden Umsetzung wartete man leider seitdem vergeblich, obwohl es das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen rechtlich betrachtet gar nicht gibt, so oft es auch von einigen Gerichten in der Vergangenheit behauptet und von den Kirchen gerne aufgegriffen und reproduziert wurde.

Die Kirchen dürfen in ihrem Bereich "ordnen und verwalten", jedoch – gemäß Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 WRV – nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Von Selbstbestimmung keine Rede; eine eigene Nebenrechtsordnung oder ein rechtlicher "Staat im Staate" verbietet sich neben unserem Grundgesetz ohnehin von selbst.

Gänzlich unkritisch erfolgt gemeinhin auch die Verwendung des Terminus' "Dienstgemeinschaft" seitens der Kirchen zur Rechtfertigung ihres Diskriminierungsprivilegs. Dabei ist dieser Begriff historisch vorbelastet. Nach dem Führer-/Gefolgschaftsprinzip wurde der Begriff aus der Tarifordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen von Betrieben aus dem Jahre 1934 in die kirchliche Tarifordnung übernommen ("Betriebsführer und Gefolgschaft bilden eine Dienstgemeinschaft") und das Dienen auf den religiösen Auftrag der Kirchen übertragen.

Um so größer waren nun die in die SPD gesetzten Hoffnungen – verstärkt durch richtungsweisende Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts –, die Umsetzung der Beschlüsse von Leipzig "(auf dem Parteitag 2013) anzupacken". ....
Der Artikel erschien außerdem auf der Website der Säkularen Sozis.

Donnerstag, 2. Februar 2023

§ - Verfall von Urlaubsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Der alte Arbeitgeber ist verlassen, aber es gibt noch offene Urlaubstage – bei wem das so ist, der oder die hat nun (Anm.: befristet) Zeit, um die Ausbezahlung dieser freien Tage zu verlangen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.
zitiert aus SPIEGEL online, dieser unter Bezug auf Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20 –. In dieser Pressemitteilung ist dann bereits eingangs zu lesen:
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senatsrechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils.
Es ist durchaus fraglich, ob diese "Verfallsregelung" auch auf kirchliche Arbeitsverhältnisse anzuwenden wäre, wenn sich das Arbeitsverhältnis nach den Regelungen eines "Dritten Weges" richtet. Denn bei diesen arbeitsvertraglichen Richtlinien handelt es sich gerade nicht um Tarifverträge sondern um einseitig vom Arbeitgeber bereit gestellte "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (AGB). Das ist ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (statt vieler BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – 6 AZR 160/05 - lexetius.com/2005,3737). Im BAG Urteil v. 19.11.2020 - 6 AZR 331/19 - Rd.Nr. 3 der Begründung - wird wohl eine Gleichstellung von Ausschlussfristen in AGB's mit tarifvertraglichen Regelungen angedeutet.
Daher empfiehlt sich dringend, mögliche Urlaubsansprüche innerhalb einer solchen Ausschlussfrist zu hinterfragen und auch unbedingt geltend zu machen.
Wenn diese Frist nicht eingehalten worden ist, könnte ggf. hilfsweise die Rechtswirksamkeit der AGB-Ausschlussfrist hinterfragt werden. Denn in § 4 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) ist abschließend geregelt:
Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
Der Begriff "tariflicher Rechte" anstatt "tarifvertraglicher Rechte" schließt möglicherweise auch AGBs mit ein. Denn die Regelungen des "Dritten Weges" werden von deren Verwendern auch als "Tarife", nicht aber als "Tarifverträge" bezeichnet. Gerade letzteres sollen diese Regelungen, so etwa die Grundordnung der katholischen Kirche, auch gar nicht sein. Die philologische Interpretation würde dann die Unwirksamkeit von Ausschlußfristen für "tarifliche Ansprüche des Dritten Weges" zur Folge haben, die eben nicht in einem beidseitig verpflichtenden Tarifvertrag vereinbart wurden.