Neue Studien zeigen, wie gefährlich es am Wochenende im Krankenhaus ist. Insider schildern in "Plusminus" wie Unterbesetzungen immer wieder zu riskanten Situationen führen. Doch auch unter der Woche kommt es zunehmend zu Problemen.Plusminus hat in Ergänzung zur Sendung auf seinen Internetseiten erstmals Daten aus dem Nachtdienstcheck differenziert nach Trägern und Ländern veröffentlicht:
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Handelt es sich dabei nur um Einzelfälle? Im Frühjahr 2015 befragte die Gewerkschaft Verdi in 238 Kliniken 7246 Fachkräfte während ihrer Nachtschicht. Das Ergebnis: Auf etwa 55 Prozent der Stationen werden nachts erforderliche Leistungen wegen Personalmangels manchmal oder regelmäßig weggelassen. Knapp 60 Prozent der Befragten berichteten von gefährlichen Situationen innerhalb der letzten vier Wochen, die durch mehr Personal vermeidbar gewesen wären.
Diese Umfrage hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft zu verhindern gesucht. "Plusminus" liegt das interne Schreiben vor. Dort heißt es: "die Umfrage sei kritisch zu bewerten und tendenziös. Sie ziele nur auf die Forderung Verdis ab, eine Mindestbesetzung für Nachtschichten zu fordern". Forderungen nach verbindlichen Personalschlüsseln - und damit höhere Kosten – das könnte viele Kliniken zusätzlich in finanzielle Bedrängnis bringen. So auch die Klinik von Bolle. Fast alle Kliniken warten auf dringend benötigte Gelder der Länder, die für die Investitionen zuständig sind. Dieses Geld fehlt. "Der gesamte Umsatz, den wir erwirtschaften, kommt praktisch ausschließlich von den Krankenkassen. Für die Behandlung der Patienten. Damit müssen wir das gesamte Krankenhaus finanzieren. Wir müssen alle Instandsetzungen, alle Neubauten, alle Renovierungen, alle Ersatzgeschichte mit diesem Geld finanzieren. Und weil das nicht finanzierbar ist, sparen wir an dem, was am einfachsten ist, am Personal. Und da ist für das Personal furchtbar, das ist für die Patienten furchtbar, und die Versorgung wird schlechter“, sagt Bolle.
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Stand: 28.05.2015 08:18 Uhr
Der Nachtdienstcheck der Gewerkschaft ver.di:
Im Frühjahr befragte die Gewerkschaft Verdi in 238 Kliniken 7246 Fach-, Hilfskräfte und Auszubildende während ihrer Nachtschicht. Eine Unterbelegung im Dienst bedeutet für die Patienten unter Umständen eine Unterversorgung. 56,8 Prozent der Befragten schilderten, dass sie im Nachtdienst auf der Pflegestation die einzige Fachkraft gewesen seien, bei Stationen mit mehr als 30 Patienten waren es insgesamt noch immer 16 Prozent. Ausgerechnet in privaten Kliniken befindet sich sogar jede fünfte Fachkraft alleine auf einer Station mit mehr als 34 Patienten. Große Schwankungen gibt es im Ländervergleich. Während in Schleswig-Holstein nur 25,6 Prozent der Befragten angeben, dass nachts nur eine Fachkraft auf der Station anwesend sei (in privaten Kliniken sogar nur 2,5 Prozent), sind es in Nordrhein-Westfalen und Rheinlandpfalz nahezu - in Thüringen sogar mehr als - zwei Drittel. Im Schnitt werden 18,7 Patienten von einer Fachkraft versorgt. Auch hier schneidet Schleswig-Holstein mit 14 Patienten pro Fachkraft am besten ab.Bei den Antworten aus kirchlichen/freigemeinnützigen Krankenhäusern fällt auf, dass die Beschäftigten im Nachtdienst noch weniger Pausen machen können als in Betrieben mit Betriebsverfassungsgesetz. In Betrieben mit Betriebsrat sagen (katastrophale) 75 %, dass sie keine ungestörte Pause machen können. Im Bereich der MAVen sind es 82 % -87 %. Wir führen das darauf zurück, dass den MAVen weder ausreichende Möglichkeiten wie im Betriebsverfassungsgesetz noch der Weg zum Arbeitsgericht (Zwangsgeld) zur Verfügung steht.
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Verdi untersuchte auch explizit den Personalstand auf Intensivstationen. In gerade einmal 8,5 Prozent der Fälle, versorgt dort eine Fachkraft zwei Patienten, so wie es der Fachstandard fordert. 38,9 Prozent der Befragten kümmern sich um zwei bis drei Patienten, 29,9 Prozent versorgen drei bis vier Patienten. Im Schnitt kümmert sich eine Fachkraft um 3,4 Patienten. Erneut schneidet Schleswig-Holstein im Bundesländervergleich am besten ab. Hier betreut eine Fachkraft 2,4 Patienten. Mit nur 15 befragten Intensivstationen hat das Ergebnis aber keine eindeutige Aussagekraft. Besonders schwach schneidet hier Brandenburg mit 4,4 Prozent ab. Auch hier ist das Ergebnis bei zwölf befragten Stationen nicht aussagekräftig.
Auch in anderen Bereichen der Kliniken macht sich die Unterbesetzung bemerkbar. So liegt die Unterbeschäftigung bei zum Beispiel Intensivstation, OP, Kreissaal, Röntgen, Technik und Reinigung bei 31 Prozent. Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, nicht die erforderliche Qualität der Leistung erbringen zu können. Besonders die freigemeinnützigen Häuser fallen auf. Dort sind es sogar 86,1 Prozent der Befragten.
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