ERZIEHERIN AUS BUXTEHUDE-OTTENSEN MUSSTE GEHENNach Rückfragen möchten wir den juristischen Hintergrund auf Grundlage des "Fall Egenberger" entsprechend klarstellen.
Kirche knallhart: Nach dem Austritt kam die Kündigung
Was für eine Einstellung gilt. muss selbstverständlich auch und gerade für die Kündigung gelten. Da greift nicht nur die "Fürsorgepflicht des Arbeitgebers" für seine MitarbeiterInnen.
Dass es keine unterschiedlichen Maßstäbe geben kann wird deutlich wenn man bedenkt, dass u.U. eine "wegen Kirchenaustrittskündigung" vakante Stelle nur mit einer Person besetzt werden kann, die gar nicht erst getauft oder bereits vor der Einstellung aus der Kirche ausgetreten war.
In diesem "Fall Egenberger" war eine Bewerberin wegen des vor der Einstellung liegenden Kirchenaustritts nicht aufgenommen worden. Die Bewerberin hatte daraufhin auf Schadensersatz geklagt. Aufgrund einer Voranfrage des Bundesarbeitsgerichts hat dazu der EuGH entschieden, dass die Kirchenzugehörigkeit nur dann ein Kriterium sein kann, wenn diese Zugehörigkeit für die jeweilige Tätigkeit zwingend ist. Diese Voraussetzung sei (zur Vermeidung von Willkür) durch die weltlichen Gerichte überprüfbar, oder mit den Worten des Gerichts:
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist in Verbindung mit deren Art. 9 und 10 sowie mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.Quellen:
2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine Anforderung handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.
3. Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den Art. 21 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. EuGH, Urt. vom 17.4.2018 - C-414/16, BeckRS 2018, 5386 - Egenberger
Info Curia - Links zum Urteil und zu den Schlussanträgen
Hensche.de - Wiedergabe des Urteils des EuGH
Beck Community: EuGH zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen - Fall "Egenberger" von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.04.2018
Prof. Dr. Friedemann Kainer - Rechtsgrundlagen im Fall Egenberger
PETER STEIN, Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg und Richter am Arbeitsgericht Hamburg a.D.
Das BAG hatte daraufhin im Sinne der Klägerin entschieden (Urt. vom 25.10.2018 - 8 AZR 501/14, BeckRS 2018, 30589).
Beck Community: Entscheidungsgründe des BAG in Sachen "Egenberger" liegen vor von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 04.04.2019
Hiergegen hat die Beklagte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben. Strittig ist insbesondere, ob den staatlichen Gerichten ein Prüfungsrecht hinsichtlich der von den Kirchen festgestellten beruflichen Anforderungen zusteht.
Linkhinweise: Heiko Sauer, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn im Verfassungsblog
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Läßle, Beratung konfessioneller Arbeitgeber in der Meides Rechtsanwaltsgesellschaft
Dieses Verfahren vor dem BVerfG - 2 BvR 934/19 ist noch anhängig.
Wir haben unter den Stichworten "Eigene Angelegenheiten", "Schrankenvorbehalt" und "kirchliche Rechtsetzungsbefugnis" schon mehrfach deutlich gemacht, was wir von dem als "Selbstbestimmungsrecht" bezeichneten, überdehnten Anspruch der Kirchen auf "Selbstordnung und Selbstverwaltung" halten.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 1985, wonach es den Kirchen selbst überlassen bleiben soll
verbindlich zu bestimmen, was ‚die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert‘, was ‚spezifisch kirchliche Aufgaben‘ sind, was ‚Nähe‘ zu ihnen bedeutet, welches die ‚wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre‘ sind und was als – gegebenenfalls schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist.“mag zum damaligen Zeitpunkt noch vertretbar gewesen sein. Sie war schon damals strittig. Und seither ist spätestens mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot auch eine neue Rechtslage entstanden. Dass diese Rechtslage dann auch für die Kirchen und ihre Arbeitsverhältnisse gelten muss ergibt sich aus dem Schrankenvorbehalt - es ist der Staat, der letzendlich die Schranken der kirchlichen Regelungsmöglichkeiten festlegt. Und die Geltung dieser "Schranken" ergibt sich für kirchliche Arbeitsverhältnisse schon infolge einer Entscheidung der kirchlichen Arbeitgebr für die Privatautonomie - wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung von 1985 bereits (zutreffend) festgestellt hat.
Oder anders formuliert: wenn sich die Kirchen für Arbeitsverträge entscheiden, dann muss auch das komplette Arbeitsvertragsrecht gelten.