Mittwoch, 30. März 2022

Wie war das mit "Kirche und Gewerkschaft"?

Die Kirche hat das Recht auf gewerkschaftlichen Zusammenschluß anerkannt, verteidigt und gefördert und dabei eine gewisse theoretische und historische Vorliebe für korporative und bipolare Formen überwundenn. ...
(Paul VI., Ansprache bei der 75-Jahrfeier von "Rerum novarum", 22.5.1966, Ziff. 5)
Es müßte selbstverständlich sein, daß der katholische Arbeiter (heute wohl Arbeitnehmer) sich gewerkschaftlich organisiert. Seine Mitarbeit ist einmal Ausdruck einer solidarischen Verbundenheit im gemeinsamen Einsatz für Menschlichkeit in den Arbeits- und Lebensbedingungen, zum anderen ist sie ein Dienst im Sinne des Weltauftrags der Kirche.
(Beschluss der Würzburger Synode, 1971 - 1975, S. 321 ff (345))

Lobbyarbeit der Caritas und katholischen Kirche

Undurchsichtige Einflüsse auf die Gesetzgebung - das soll der Vergangenheit angehören. Darüber berichtete nun auch katholisch.de:
BERLIN ‐ Ein neues Lobbyregister soll die Arbeit von Interessenvertretern in Berlin transparenter machen. Kirchliche Einrichtungen sind von der Pflicht zur Eintragung in das Register zwar ausgenommen. Viele katholische Verbände und Werke haben sich trotzdem eingetragen – mit einer bemerkenswerten Ausnahme.

Es ist spannend, zu lesen, wer sich in dem Register angemeldet hat - und wer nicht. 

Dabei nutzen die Caritas-Arbeitgeber ohnehin jede Möglichkeit, um mit Schalmeienklängen für den gewerkschaftsfreien "Dritten Weg" der Caritas und das "kollektive Betteln" (BAG, Urteile vom 10.06.1980 - 1 AZR 168/79 und vom  12.09.1984 - 1 AZR 342/83) zu werben.  

Samstag, 26. März 2022

Samstagsnotizen: Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.2.) Präambeln und Rechtsgrundlagen

Wenn man die Präambel 1) der 
  • theologischen "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst"
  • kirchlichen Rechtsnorm "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" (GrO - Fassung vom 27.04.2015)
  • kirchlichen Rechtsnorm "Mitarbeitervertretungsordnung" (MAVO - Rahmenordnung vom 20.06.2011)
genauer anschaut, dann fällt jeweils eine unterschiedliche Formulierung für die beanspruchte Rechtsgrundlage auf.

In Ziffer I. Nr. 2. der Erklärung heißt es:
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Kirche durch das Grundgesetz die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten.

In der Präambel zur Grundordnung heißt es:
Die katholischen (Erz-)Bischöfe in der Bundesrepublik Deutschland erlassen ...
- in Wahrnehmung der der Kirche durch das Grundgesetz garantierten Freiheit, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen ...
("verwalten" fehlt)

In der Mitarbeitervertretungsordnung heißt es:
Deshalb wird aufgrund des Rechts der katholischen Kirche, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, unter Bezugnahme auf die Grundordnung ....vom 22. September 1993 die folgende Ordnung für Mitarbeitervertretungen erlassen
(aus "ordnen und verwalten" wird "regeln")

Die Formulierungen zur Rechtsgrundlage sind in den Präambeln der Regelungen also unterschiedlich. Und wenn in einer gemeinsamen Veröffentlichung vom Dezember 2015 1) die MAVO auf die Grundordnung vom 22. September 1993 verweist, während gleichzeitig im gleichen Band eine Fassung der Grundordnung vom April 2015 abgedruckt ist, dann sind die Bezüge der einzelnen Normen zueinander zumindest juristisch unsauber - oder soll die MAVO weiterhin auf einer überholten Fassung der Grundordnung aufbauen?

Es kann daher nicht schaden, sich die in Bezug genommenen Bestimmungen selbst anzusehen.

Donnerstag, 24. März 2022

Neue Studie offenbart Gründe für Kirchenaustritte

berichtet das Domradio und führt aus:
"Bei den ehemals Evangelischen steht die Kirchensteuer an erster Stelle und bei den vormals Katholischen ist es die Unglaubwürdigkeit der Kirche."

...
Was wir aus der Forschung kennen, ist das allmähliche Nachlassen der Religiosität über die Generationen hinweg. Das erkennen wir auch deutlich bei den Evangelischen, die schon ihre Eltern als überwiegend nicht religiös empfunden haben und auch überwiegend keine religiöse Erziehung erfahren haben.
Genau dies stellt sich aber bei den Katholischen anders dar. Da überwiegt auch in der eigenen Erziehung noch die stärkere Religiosität. Wenn Sie dann zur aktuellen Einschätzung kommen, finden Sie kaum Unterschiede zu den Evangelischen. Daraus folgere ich, dass bei den vormals Katholischen irgendwo zwischen Kindheit und Jugend eine Art Bruch stattgefunden haben muss. Dieser Bruch hat sich auch noch an anderen Fragen gezeigt.
Wir möchten hier nicht erneut das Mantra aus der Würzburger Synode wiederholen, dass die Kirche die Arbeitnehmerschaft verloren hat. Man kann nicht einerseits diesen andauernden Skandal beklagen, andererseits aber bei den eigenen Arbeitnehmern entgegen der eigenen Soziallehre handeln. Das setzt der Glaubwürdigkeit der kirchlichen Lehre massiv Grenzen.
Dieses Mantra ist aber nur ein Teil der Wahrheit, es ist der Mosaikstein, der uns als gewerkschaftlich engagierte kirchliche Mitarbeiter am meisten schmerzt. Tatsächlich gibt es noch eine Vielzahl weiterer Themen, bei denen sich katholische Lehre und kirchliches Handeln diametral gegenüber stehen. Und diese Widersprüchlichkeit wird "irgendwo zwischen Kindheit und Jugend" erfahren und bewusst wahrgenommen.

Kurzbericht Tarifverhandlungen zum Sozial- und Erziehungsdienst

Die Verhandlungen werden auf 16. und 17. Mai vertagt.
Vor Ort ist die Enttäuschung in der ehrenamtlichen Verhandlungskommission sichtbar groß. Es herrscht völliges Unverständnis über das Auftreten der Arbeitgeberseite an beiden Verhandlungstagen:
In Fragen der Entlastung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie für die Aufwertung der Berufe sind nicht einmal Ansätze für Kompromisslinien gefunden worden.
Mit ihrem Verhalten sind die Arbeitgeber für die Zuspitzung des Konfliktes verantwortlich.


Nachtrag:
Wegen der Teuerung fordern Gewerkschafter zu Recht starke Lohnerhöhungen. Die Angst, sie könnten damit die Inflation weiter anheizen, ist unbegründet - kommentiert Benedikt Peters von der Süddeutschen Zeitung.

Dienstag, 22. März 2022

Neues zum Beschäftigtendatenschutz - umfassendes Informationsportal online

Bereits im Mai 2018 haben wir über den DGB-Beschluss zum Beschäftigtendatenschutz informiert. Vor einem guten Monat ist nun der DGB-Entwurf für ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz veröffentlicht worden (wir berichteten). Nun hat der Blog "Artikel 91 - Datenschutz in Kirchen und Religionsgemeinschaften", der von Felix Neumann, u.a. Journalist und regelmäßiger Autor bei "katholisch.de" betrieben wird, zu diesen Bemühungen Stellung genommen. Unter der Überschrift "Für alle heißt für alle – DGB zum Beschäftigtendatenschutz bei Kirchen" zieht Neumann folgendes Fazit:
Der DGB vertritt pointiert und nachvollziehbar die Position, dass ein staatliches Beschäftigtendatenschutzgesetz auch im kirchlichen Bereich anwendbar wäre. Dennoch kann die Prognose gewagt werden, dass das durchaus nicht unstreitig geschehen wird. Die Kirchen pochen im Bereich Datenschutz auf ihre Selbstverwaltungskompetenz. Denkbar wäre auch, dass im Gesetzgebungsprozess eine kirchliche Ausnahme aufgenommen wird. Angesichts des im Koalitionsvertrag erklären Willen, das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen anzugleichen, scheint das mit dieser Regierung aber nicht allzu wahrscheinlich.

Bleibt die Frage, ob überhaupt ein Beschäftigtendatenschutzgesetz kommt. »Die Zeit dafür ist reif«, findet jedenfalls Brücher: »Künstliche Intelligenz wird im Arbeitskontext immer mehr eingesetzt, es wird immer dringender, dafür Regelungen zu treffen. Die Ampel-Koalition hat sich Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben – dazu gehört auch, flankierend Schutzrechte zu stärken.«

Wir meinen - Beschäftigtendatenschutz ist insbesondere auch arbeitsrechtliche Materie. Und damit ein Thema für den Blog. Wir möchten daher im Kontext auf das BeDaX Informationssystem hinweisen, nach unserer Kenntnis das erste online zugängliche Portal, das sich auch unter Berücksichtigung der Interessenlage der Arbeitnehmer auf den Beschäftigtendatenschutz - einschließlich der Betätigung von Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften - spezialisiert hat.
https://www.bedax.net/ ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Input Consulting gGmbH unterstützt von ver.di, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft.

Montag, 21. März 2022

Mitarbeitervertretung und Leitende Mitarbeitende von Pius-Hospital Oldenburg fordern in einem "offenen Brief" die Wiedereinsetzung des Verwaltungsrats

Der Offene Brief (den auch der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung unterzeichnet haben soll) wirft Weihbischof Theising vor, mit "Machtanspruch und Dogmatismus" den Erhalt der katholischen Trägerschaft des Pius-Hospitals dem Wohl der Patienten zu opfern. "Dieses gefährdet unsere Zukunft ohne Rücksicht oder christliche Empathie", heißt es in dem Schreiben. Es gebe zudem einen Interessenskonflikt, wenn sowohl Verwaltungsrat als auch Stiftungsaufsicht vom Offizialat besetzt würden. Der Stifterwille werde für machtpolitische Zwecke missbraucht.
berichtet Kirche und Leben (KL)

Das Pius-Hospital Oldenburg ist ein Akut-Krankenhaus in der Stadt Oldenburg in Niedersachsen. Zusammen mit dem Evangelischen Krankenhaus, Klinikum Oldenburg und der Karl-Jaspers-Klinik bildet es den Medizinischen Campus der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Seit Juli 2021 fanden Gespräche mit dem nahgelegenen Evangelischen Krankenhaus bezüglich einer Fusion statt. Durch den Zusammenschluss beider Häuser würde das größte konfessionelle Krankenhaus in Niedersachsen entstehen. Da dies nicht mit der Stiftungssatzung des Pius-Hospitals vereinbart werden könne, wurden die Verwaltungsratsmitglieder durch das Offizialat in Vechta Anfang März 2022 deshalb von ihren Aufgaben entbunden. An der Spitze des neuen Verwaltungsrats steht der Weihbischof Wilfried Theising.(Wikipedia).
Es ist nach eigenen Angaben das größte katholische Krankenhaus im Nordwesten Deutschlands. Zum Hospital gehören 13 Kliniken, darunter sechs Universitätskliniken. Fast 1.500 Arbeitnehmer kümmern sich jährlich um etwa 61.500 Patientinnen und Patienten.

Man kann jetzt natürlich gespannt sein, welche Regelungen etwa beim Datenschutz oder beim Mitarbeitervertretungsrecht gelten würden, wenn katholische und evangelische Einrichtungen fusionieren.
  • Gilt katholisches oder evangelisches Datenschutzrecht, oder kommt was eigenes ("evangolisch" oder "kathelisch")?
  • Gibt es ein Rest- oder Übergangsmandat für die bisher getrennten Mitarbeitervertretungen und dann eine gemeinsame neu gewählte Personalvertretung?
  • Gilt jeweils örtlich das MVG für die ursprünglich protestantische und MAVO für die urspünglich katholische Einrichtung weiter?
  • Wie schaut das mit den katholischen Loyalitätsanforderungen aus?
  • Wiederheirat nach Scheidung oder der Austritt aus der katholischen Kirche führt für die ArbeitnehmerInnen der ehemals katholischen Gebäude zwangsläufig zur Kündigung, ist bei einem Einsatz in den ehemals evangelischen Bauteilen aber problemlos?
  • Oder wird da auf das Bekenntnis der jeweiligen MitarbeiterInnen selbst abgehoben? Die katholischen ArbeitnehmerInnen dürfen also unter dem Damoklesschwert der Kündigung die protestantischen KollegInnen in der Einrichtung nicht heiraten, wenn diese geschieden sind - für die evangelischen PartnerInnen wäre das aber alles problemlos? Und was gilt dann für Muslime oder Angehörige einer anderen bzw. keiner Religionsgemeinschaft?
Kein Wunder, dass sich staatliche Behörden und Gerichte schwer tun, in dem undurchdringlichen Urwald unterschiedlichster selbst gebastelter Regelungen (auf katholischer Seite zusätzlich mit einem eigenen Datenschutzrecht der Orden) noch halbwegs Ordnung und Sinn zu entdecken. Der Blog "Artikel 91" schreibt dann auch:
Laut einem Sprecher der nordrhein-westfälischen Aufsicht sei es sowohl beim Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland sowie bei der Neuapostolischen Kirche Westdeutschland (NAK) »fraglich, ob das eigene Datenschutzrecht die Anforderungen des Art. 91 (1) DS-GVO« erfüllt. Im äußersten Fall könnte das dazu führen, dass die betroffenen Gemeinschaften die DSGVO anwenden müssen und ihre eigenen Aufsichten keine Rechtsgrundlage haben. Inwiefern das mit dem grundgesetzlich (und europarechtlich) verbürgten Selbstverwaltungsrecht der Kirchen vereinbar wäre, ist noch nicht abzusehen.
Aber wie schon mehrfach betont: die Erde ist keine Scheibe. Und was das überbeanspruchte kirchliche Selbstverwaltungsrecht betrifft: das gilt (unter dem "Schrankenvorbehalt") nur für die originär eigenen Angelegenheiten, und zudem fehlt den Kirchen die Rechtsetzungsbefugnis für Personen, die den Kirchen nicht angehören.
Wieso dann für die persönlichen Daten der Patientinnen und Patienten, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der jeweiligen Kirche gar nicht erst angehören, kircheneigene Regelungen gelten sollen, hat uns noch niemand schlüssig begründen können. Die ausschweifenden Ausführungen von kirchentreuen Arbeitsrechtsprofessoren vermögen Verfassungsrechtler jedenfalls nicht zu überzeugen. Aber das war ja mit dem angeblichen Streikverbot schon so.
Die beste und einzig zielführende Regelung ist (nicht nur) in solchen Situationen die unveränderte Anwendung des staatlichen Rechts.

Sonntag, 20. März 2022

Sonntagsnotizen - Neues Grundgesetz im Vatikan

berichtet Radio Vatikan und meint:
Das vatikanische Presseamt hat an diesem Samstagmittag das neue Grundgesetz des Vatikans veröffentlicht. Die sogenannte „Apostolische Konstitution“ soll am kommenden 5. Juni, dem Pfingstsonntag, in Kraft treten.
Darüber hinaus wird die Änderung auch inhaltlich etwas erläutert.
Die Reform scheint so wichtig zu sein, dass sogar der SPIEGEL (online) - gegenüber kirchlichen Fragen nicht unbedingt immer aufgeschlossen - der Reform einen Artikel an prominenter Stelle gönnt.
Weitgehende Öffnung für Frauen und Laien
Vatikan veröffentlicht überraschend neue Verfassung
Jahrelang wurde darüber diskutiert, nun ist die neue Verfassung des Vatikans plötzlich und kommentarlos erschienen. Dabei enthält die Apostolische Konstitution grundlegende Reformen.
19.03.2022, 20.17 Uhr

...
Durch die Reform ist es nun jedem getauften Katholiken und jeder getauften Katholikin prinzipiell ermöglicht, die meisten Dikasterien – eine Art Ministerium im Vatikanstaat – zu leiten. Zuvor war das nur männlichen Klerikern, üblicherweise Kardinälen oder Bischöfen, vorbehalten. Im Vorwort von »Praedicate Evangelium« heißt es nun: »Papst, Bischöfe und andere ordinierte Pfarrer sind nicht die einzigen Bekehrer in der Kirche«. Im Haupttext wird angeführt, dass jeder und jede Gläubige ein Dikasterium leiten könne, solange der Papst sie für qualifiziert erachte und sie auf den Posten berufe.
...
Weitere Quellen:
Domradio - Papst öffnet Kurienspitze auch für Frauen (mit weiteren Links zum Thema)
katholisch.de - Kurienreform veröffentlicht: Papst ermöglicht Frauen in Leitungsämtern

Wenn Laien und insbesondere auch die von klerikalen Ämtern bisher grundsätzlich ausgeschlossenen Frauen an entscheidender Stelle im Vatikan zugelassen werden, dann können die Ortskirchen eigentlich nicht mehr dahinter zurück bleiben. Insbesondere vermeintliche theologische Begründungen sind nun nicht mehr möglich. Wir sind gespannt.

Samstag, 19. März 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit dem Staatskirchenrecht (2) - Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.1.) Ankündigung

In mehreren Blogbeiträgen haben wir nach diversen Aufforderungen und Hinweisen zur Entweltlichung auf aktuelle Wortmeldungen von der Reform des -/ bis zur Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht hingewiesen.
Beispielhaft erinnern wir nun an folgende zuletzt veröffentlichten Beiträge:
22.01.2022 - Caritaspräsidentin für Reform des kirchlichen Arbeitsrechts (?)
14.02.2022 - Das kirchliche Arbeitsrecht muss abgeschafft werden - Gastbeitrag von MdB Frank Bsirske, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
16.02.2022 - Caritas kritisiert deutsches katholisches Arbeitsrecht: "Das widerspricht der katholischen Kirche"
17.02.2022 - Juristen basteln an neuem Arbeitsrecht für die Katholische Kirche
21.02.2022 - Jetzt besteht eine realistische Chance, das kirchliche Arbeitsrecht abzuschaffen. Nutzen wir sie! - Gastbeitrag von Klaus Barthel, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD
22.02.2022 - Kirchliches Arbeitsrecht unter Druck – die Grundordnung wackelt
02.03.2022 - Abschaffung kirchlicher Privilegien im Arbeitsrecht: Arbeitsnehmer:innenrechte ausnahmslos stärken! Arbeitnehmer:innen beteiligen!
05.03.2022 - Samstagsnotizen: Wie weiter mit dem Staatskirchenrecht?
06.03.2022 - Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 7. bis 10. März
08.03.2022 - Geburtstag Oswald von Nell-Breuning 8. März1890 - Abbau kirchlicher Sonderrechte im Arbeitsrecht ...
16.03.2022 - "WARUM BRAUCHEN WIR ÜBERHAUPT NOCH DIESEN SONDERWEG?" Bischof Hanke schlägt Abkehr von kirchlichem Arbeitsrecht vor
17.03.2022 - Das (kirchliche) Arbeitsrecht ist Verrat an der Sendung der Kirche
Das Thema durchzieht unseren Blog seit dem wir "in's Netz gegangen" sind. Es wäre unglaubhaft, wenn wir behaupten würden, dass sich niemand von uns Gedanken darüber gemacht hätte, wie eine solche Abkehr bewirkt werden könnte. Wir verkennen auch nicht, dass eine solche Abkehr Folgen hätte, die zu bedenken sind. Wir hatten daher in unserem Beitrag vom 16. März ausgeführt:
Ein theologisch seriöser Umgang mit der Thematik könnte so aussehen, dass die Bischöfe einen gemeinsamen Diskussionsprozess mit den Gewerkschaften starten, in dem die Beschäftigten, die kirchlichen Arbeitsrechtsfunktionäre beider Seiten und die kirchlichen Sozialethiker, sowie politisch Verantwortliche einbezogen sind und die anstehenden Fragen diskutieren - inklusive der Frage, wie ein Übergang ins weltliche System aussehen könnte.

Ankündigung:
Wir wollen nun den Blog und unsere Reihe "Samstagsnotizen" nutzen, um anhand der Grundordnung und ihrer Regelungsbereiche die hierzu anstehenden Fragen und mögliche Auswirkungen in einzelnen Thesen zur Diskussion zu stellen. Dabei wird es sich um Denkanstöße und mögliche Lösungsansätze handeln, die teilweise bereits im Blog angesprochene Fragen nochmals in Erinnerung rufen - die aber nicht den Anspruch auf allein selig machende Lösungswege erheben können.
Wir erheben nur dann den Anspruch "unfehlbar" zu sein, wenn wir uns im Einklang mit den ‚ex cathedra' verkündeten päpstlichen Vorgaben, dem weltweiten Bischofskollegiun bzw. mit der Gesamtheit der Gläubigen befinden.

Freitag, 18. März 2022

Zum Nachdenken über die Verteilung von Macht und Ohnmacht in unserer Kirche

Die Theologin Doris Reisinger sieht in der Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche eine "heillos verfahrene Situation aus massenhaftem Unwissen, Intransparenz, Inkompetenz, Wunschdenken, PR, Skrupellosigkeit, Machtkonzentration, Machtverschleierung, Gaslighting, entsetzlichem Leiden und spirituellem Kitsch".
Quelle: katholisch.de

Reisingers
Rede zur Verleihung des "Herbert-Haag-Preises für Freiheit in der Kirche" ist ähnlich schneidend, schonungslos und unerbittlich wie die Worte des alttestamentlichen Propheten (Amos), der den Mächtigen seiner Zeit ihre Frevel vorhielt und ihnen mit dem Untergang drohte. "Denn siehe, der Herr befiehlt, und man schlägt das große Haus in Stücke und das kleine in Trümmer."

In Reisingers Analyse hat sich die Kirche in ihrer heutigen Gestalt bereits ruiniert. Der Missbrauchsskandal legt das bloß. Aber: "Wir haben ein massives Problem, und das ist die Illusion von der Kirche als heiler Welt. Es klingt absurd, aber auch in einer Zeit, in der das Wort Kirche fast schon synonym mit dem Wort Missbrauch ist, halten viele noch an Illusionen über die Kirche fest."
meint dazu Joachim Frank auch auf katholisch.de.
Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP). Die GKP verleiht mit der Deutschen Bischofskonferenz und dem Katholischen Medienverband jährlich den Katholischen Medienpreis.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck beschreibt den Zustand der Kirche mit dramatischen Worten. "Wir stehen mit der Katholischen Kirche nicht nur am Abgrund, sondern sind bereits weit in den Abgrund geraten", so Overbeck.
berichtet das Domradio - und der
Theologe und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding (Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum), pocht (daher?) auf schnelle Veränderungen in der katholischen Kirche. "Wir brauchen Reformen – jetzt", sagte er am Mittwochabend im Dom von Münster.
Quellen: katholisch.de und "Kirche und Leben"

Donnerstag, 17. März 2022

Das (kirchliche) Arbeitsrecht ist Verrat an der Sendung der Kirche

kommentiert katholisch.de die Debatte um die Aufrechterhaltung eines kircheneigenes Arbeitsrechts.
Das Forum Deutscher Katholiken ist gegen Änderungen beim kirchlichen Arbeitsrecht ***), weil das "Verrat an der Sendung der Kirche" wäre. Pia Dyckmans * ) blickt auf die Sendung der Kirche und sieht gerade im momentanen Arbeitsrecht Probleme bei der Sendung.
Die Kommentatorin führt aus:
Das kirchliche Arbeitsrecht ist diskriminierend. Nach den vergangenen Wochen mit #OutInChurch und den jüngsten Äußerungen mancher Bischöfe überrascht dieser Satz nicht wirklich. Doch das Forum Deutscher Katholiken **) bezeichnet nun die Änderung eben jenes Rechts als "Verrat der Kirche an ihrer Sendung". Ist es nicht genau umgekehrt? Ist das Arbeitsrecht nicht vielmehr Verrat an der Sendung der Kirche? ***)


*)
Die Autorin Pia Dyckmans ist Presse- und Öffentlichkeitsreferentin der Jesuiten in Zentraleuropa.

**)
Wir berichteten gestern. Und wir meinen, dass dem "Forum" nahestehende Menschen nicht zwischen "sein" (wie)" und "tun" (was) unterscheiden können.
Entscheidend ist nicht, wie - mit welchen Bedürfnissen - ein Mensch von Gott geschaffen ist. Der Grundsatz der "Nächstenliebe" gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, persönlichen Neigungen oder der religiösen Einstellung.
Entscheidend ist vielmehr, was die Menschen tun. Ein Dieb ist ein Dieb, ein Räuber ist ein Räuber, ein Täter ist ein Täter, egal ob getauft, katholisch oder gar geweiht.

Die Grundordnung verlangt dagegen, dass der "barmherzige Samariter" heterosexuell ist und dazu erst konvertiert, bevor er sich um den "unter die Räuber gefallenen Bedürftigen" kümmern dar. 

Und bei der Gelegenheit hat die Kirche dann aufgrund der Vorlage von willfährigen Juristen - nicht aber von eigenen Sozialethikern und Theologen - in der Grundordnung auch noch - entgegen der eigenen Lehre - eine gewerkschaftliche Betätigung unter Rückgriff auf den historisch schwer belasteten Begriff der "Dienstgemeinschaft" zumindest indirekt als "der Kirche wesensfremd" bezeichnet. 
Nun behauptet jeder Arbeitgeber gerne, dass in seinem Betrieb kein gewerkschaftliches Engagement erwünscht oder nötig ist. Wenn ein Pfarrer oder gar Bischof das meint, dann wird für manchen leider ein "Glaubenssatz" daraus. 
Was aber "katholische Lehre" wäre, das ist letztendlich im Katechismus nachzulesen. Und der gilt auch für die Mitglieder im "Forum Deutscher Katholiken".  

***)
Vor einem Monat hatten mehrere Generalvikare die Bischöfe aufgefordert, das "kirchliche Arbeitsrecht" zügig zu ändern. Nach unserer Meinung reicht die Abschaffung völlig aus. 

[Aufruf] Aktionstag 6. April "Für euch. Für uns. Für alle" | Sozial- und Erziehungsdienst

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

derzeit verhandelt ver.di mit den kommunalen Arbeitgebern für den Sozial- und Erziehungsdienst über eine finanzielle Aufwertung der Berufe und die Entlastung der Beschäftigten. Doch die Arbeitgeber lehnen bislang echte Verbesserungen ab. Und das geht alle an: Kolleg*innen bei allen Trägern, ob AWO, DRK, Caritas, Diakonie, Kirchen, Paritätischer, Volkssolidarität, Lebenshilfe oder in privaten Betrieben. Denn viele freigemeinnützige und private Einrichtungen orientieren sich am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).

 

Deshalb ruft ver.di am Mittwoch, dem 6. April 2022, zu Aktionen der nicht direkt betroffenen Beschäftigten auf. Macht mit! 

Zeigt eure Solidarität, indem ihr euch an der Foto-Aktion beteiligt oder in eurer Einrichtung gemeinsam mit Kolleg*innen an diesem Tag Textilaufkleber tragt und Euch so solidarisch zeigt. Ihr könnt die Aufkleber in eurem/eurer ver.di-Ansprechpartner*in bestellen. Unter Angabe der Postleitzahl eures Betriebs könnt ihr hier euren nächsten ver.di-Kontakt finden: https://gesundheit-soziales.verdi.de/service/ver-di-vor-ort

 

Wer weitere Infos zu den Aktionsideen benötigt, findet ihr sie hier, u.a. auch Vorlage für Plakate zum Selbstausdruck u.a.m. Ihr habt andere Ideen für Aktionen? Super, dann los! Lasst eurer Kreativität freien Lauf.

 

Alle Infos zum Aktionstag auf einen Blick: https://gesundheit-soziales.verdi.de/mein-arbeitsplatz/sozial-und-erziehungsdienst/++co++0e9964e0-9611-11ec-b160-001a4a160100  

Mehr Infos zum aktuellen Stand der Tarifrunde: www.mehr-braucht-mehr.verdi.de

 

Für euch. Beschäftigte der gesamten Branche zeigen am 6. April ihre Solidarität mit den Kolleg*innen im öffentlichen Dienst.

Für uns. Ob in freigemeinnützigen oder privaten Einrichtungen – vielerorts orientieren sich die Arbeitsbedingungen am TVöD. Deshalb ist ein Erfolg der Beschäftigten in den Kommunen ein Erfolg für uns alle.

Für alle. Bessere Arbeitsbedingungen in Kitas, in der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe, in der gesamten Sozialen Arbeit sind nicht nur für die Beschäftigten wichtig. Die Gesellschaft als Ganzes profitiert davon.

Mittwoch, 16. März 2022

"WARUM BRAUCHEN WIR ÜBERHAUPT NOCH DIESEN SONDERWEG?" Bischof Hanke schlägt Abkehr von kirchlichem Arbeitsrecht vor

berichtete katholisch.de und führte aus:
Das kirchliche Arbeitsrecht legitimiert Kündigungen wegen der sexuellen Orientierung, verbietet Gewerkschaften. In der Reformdebatte wagt der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke nun einen weitreichenden Vorstoß. Seine Forderung: Ganz abschaffen *).
(darüber berichtet auch das Domradio)

Wo der Bischof recht hat, hat er recht.

Das meint im Übrigen auch das Kolpingwerk
Bundesvorstand: Verzicht auf Grundordnung könnte Vorteil sein
Kolpingwerk stellt kirchliches Arbeitsrecht insgesamt infrage
und ebenso
„Ein kräftiger Schub für notwendige Reformen“
Das Kolpingwerk Deutschland begrüßt die Beratungsergebnisse der dritten Synodalversammlung in Frankfurt und bittet die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz zukünftig auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zu verzichten.
...


Die Forderung wird, allerdings mit Einschränkungen, 
auch von der konservativen katholischen Tagespost unterstützt:

Das kirchliche Arbeitsrecht ist nicht erst seit gestern ein Problem. Bischof Hanke hat das richtig erkannt und liegt mit seinem Vorschlag der Abschaffung völlig richtig. Würde das kirchliche Arbeitsrecht, selbst in seiner seit 2015 entschärften Form, an jeder Stelle in kirchlichen Einrichtungen in letzter Konsequenz angewandt, müsste so mancher Kindergarten und so manches Altenheim in katholischer Trägerschaft wegen Mitarbeitermangel schließen. Neben dem allgemeinen Fachkräftemangel in Deutschland trifft die unhaltbar fortschreitende Säkularisierung die kirchlichen Einrichtungen zusätzlich.
...
(Lediglich) Die angestellten Laien im Verkündigungsdienst müssen auf Grund der geforderten Authentizität der Verkündigung im Auftrag der Kirche eine Sonderstellung einnehmen. Für diesen einen Bereich wird sich sicher eine kirchenrechtlich und arbeitsrechtlich tragfähige Lösung finden lassen. Auch in weltlichen Unternehmen finden sich Arbeitsbereiche, die absolute Solidarität mit dem Arbeitgeber erfordern.

Dass die völlige Abschaffung des eigenen kirchlichen Arbeitsrechts an vielen Stellen eine große Entlastung bedeutet und einen deutlichen Gewinn an Ehrlichkeit gegenüber einer völlig säkularisierten Welt darstellt, sollte einsichtig sein. Bleibt am Ende die Frage, ob die Bischöfe den Mut aufbringen, in der säkularen Welt des Wirtschaftens als ganz normale Arbeitgeber aufzutreten.

Anzumerken ist aber auch, dass das "Katholiken-Forum" **) die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts ablehnt. Wer dies allerdings mit der Begründung tut, >ANSONSTEN "VERRÄT" KIRCHE IHRE SENDUNG< der distanziert sich von der eigenen Soziallehre, die sich im päpstlichen Lehramt konkretisiert.
"Das Forum Deutscher Katholiken **) verlangt aber doch gerade, dass die Kirche an ihrer Lehre festhält!"
Schon alleine aus diesem Grund muss die Kirche ihr gewerkschaftsfeindliches Arbeitsrecht aufgeben - alles andere ist unglaubwürdig ***).


Anmerkungen:
*) Der in Bezug genommene Bericht im Eichstätter Kurier ist leider hinter einer "Schranke" publiziert. Wir zitieren daher die u.E. nach wichtigsten Passagen im Auszug:
Ganz konkret hat die Bischofskonferenz sich aber zum Thema kirchliches Arbeitsrecht positioniert. Da könnte es noch in diesem Jahr eine neue Grundordnung geben. Hanke befürwortet diese Veränderungen grundsätzlich. "Noch ist aber nichts beschlossen, es liegen ja auch keine Unterlagen vor", sagt er. Derzeit beschäftige sich die Arbeitsrechtskommission mit dem Thema. Hanke rechnet frühestens im Herbst mit einem Beschluss der Bischöfe.
Dass die katholische Kirche in Sachen Arbeitsrecht flexibler werden muss, dafür hat sich Hanke schon seit Längerem eingesetzt. Er hatte sich für ein Institutionenrecht ausgesprochen - also Arbeitsplätze des kirchlichen Trägers, die mit Blick auf den jeweiligen Arbeitsbereich ganz flexibel besetzt werden können. Allerdings habe sich ein Individualarbeitsrecht etabliert, das jetzt entkernt werde. "Warum brauchen wir überhaupt noch diesen Sonderweg eines kirchlichen Arbeitsrechts?", fragt sich der Bischof. "Warum übernimmt man nicht gleich das zivile Arbeitsrecht, zumal gemäß der christlichen Soziallehre, die wir ja vertreten, Gewerkschaften eine wichtige Funktion in der Arbeitswelt haben?"

**) Das Forum Deutscher Katholiken versteht sich als lockerer Zusammenschluss "papst- und kirchentreuer" Katholiken. Gegründet wurde das Forum im Jahr 2000 in Fulda; seinen Sitz hat es in Kaufering.

***) Ein theologisch seriöser Umgang mit der Thematik könnte so aussehen, dass die Bischöfe einen gemeinsamen Diskussionsprozess mit den Gewerkschaften starten, in dem die Beschäftigten, die kirchlichen Arbeitsrechtsfunktionäre beider Seiten und die kirchlichen Sozialethiker, sowie politisch Verantwortliche einbezogen sind und die anstehenden Fragen diskutieren - inklusive der Frage, wie ein Übergang ins weltliche System aussehen könnte.

Dienstag, 15. März 2022

Gibt es ein Grundrecht auf Vergessen?

Im Zusammenhang mit diversen kirchlichen Skandalen wird immer wieder gefragt, ob es denn nicht endlich geboten sei, die "alten Kammellen", die strafrechtlich längst nicht mehr von Belang seien, ruhen zu lassen und immer wieder "aufzuwärmen". Wäre es nicht endlich geboten, "Gras über die Sache wachsen zu lassen" anstatt auf längst vergessenen Fehlern von "vor Jahrzehnten herum zu kauen"? *)
Nun - auch wir nehmen für unseren Blog das "Grundrecht der Freiheit der Berichterstattung" heraus und verweisen in der Diskussion bisweilen auch auf ältere Sachverhalte.

In einem interessanten Urteil hat das OLG Wien nun die Entscheidung 6490/07 des EGMR »Rothe gegen Österreich« zu Art. 8, 10 EMRK wieder in das Bewusstsein gerückt.
»Der EGMR hat in der Entscheidung […] festgehalten, dass Berichte, die auf die Morallehre einer einflussreichen religiösen Gemeinschaft Bezug nehmen und der Frage nachgehen, ob kirchliche Würdenträger nach den von der Kirche vorgegebenen Moralvorstellungen leben, einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten«
so das OLG Wien im aktuellen Fall. Die Abwägung zwischen dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf Achtung des Privatlebens sei bei Personen, die als Würdenträger in der Öffentlichkeit stehen, zugunsten der freien Meinungsäusserung vorzunehmen:
»Denn der Antragsteller steht als – wenngleich seit 2018 pensionierter – Bischof als kirchlicher Würdenträger nach wie vor in der Öffentlichkeit. Er nahm auch in jüngerer Vergangenheit […] Stellung zu Fragen der Kirche, insbesondere zu deren Familienbild, zu Liebe und Sexualität[…]. Da die inkriminierte Veröffentlichung sich just mit dem Handeln der kirchlichen Organe und deren Dogmen im Zusammenhang mit der Sexualmoral und dem Thema des sexuellen Missbrauchs bzw des oftmals mit diesen Verhaltensweisen einhergehenden Missbrauchs von Macht- und Autoritätsverhältnissen befasst, ist die ohnehin nur am Rande und vor allem im Zusammenhang mit einem angezeigten Sexualverbrechen erwähnte Information, dass der Antragsteller selbst homosexuelle Neigungen haben soll, ebenso wie die Darstellung seiner Reaktion auf die diesbezüglich medial erhobenen Zuschreibungen, was zur zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner nach außen hin vertretenen Positionen in Fragen der sexuellen Morallehre relevant ist, im Rahmen der vom Autor angestrebten Debatte von öffentlichem Interesse.«

Warum wir darauf gerade heute hinweisen?
Am 14./15. März 1525 wurden in Memmingen die "Erste Menschenrechtserklärung Europas" veröffentlicht, die sogenannten "Zwölf Bauernartikel". Bereits die erste Forderung "hat es in sich". Sie wäre immer noch eine Steilvorlage für den "Synodalen Weg".

*)
Vgl. auch "Christ in der Gegenwart" Nr. 7/2022 S. 3 [9]

Wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist verurteilt, sie noch einmal zu erleben

in diesem Sinne *) hat sich nun wohl auch Papst Franziskus geäussert. Das Domradio berichtet:
14.03.2022 Papst geht mit Machtmenschen hart ins Gericht
Nichts aus der Vergangenheit gelernt
Papst Franziskus hat die mangelnde Bereitschaft verurteilt, Konsequenzen aus der Vergangenheit zu ziehen. Er habe den Eindruck, "dass die Welt im Wesentlichen weiterhin nach veralteten Kriterien regiert wird", so das Kirchenoberhaupt.
...
Daher ist es gut und richtig, dass die evangelische Nordkirche die Unterstützung des NS-Regimes durch die Vertreter der Kirche untersucht hat - mit bestürzendem Ergebnis:
Wie nah waren Schleswig-Holsteins Pastoren dem NS?
"Es gibt praktisch fast keine neutrale Predigt"
Die frühere evangelische Landeskirche Schleswig-Holsteins war offenbar stärker in den Nationalsozialismus verstrickt als bisher angenommen. Ein Wissenschaftler wertete Personalakten der Landeskirche aus.


... Der Wissenschaftler wertete demnach für seine fast 2.000 Seiten umfassende Promotion die Personalakten aller 729 Pastoren der Landeskirche in der Zeit zwischen 1933 und 1945 aus. Befürwortung und Unterstützung der NS-Herrschaft seien "erstaunlich weit verbreitet" gewesen, resümierte Hertz. "Es gibt praktisch fast keine NS-neutrale Predigt."

Äußerungen gegen jüdische Religion
Stellvertretend für seine Erkenntnisse steht nach Angaben der Uni das Zitat des Stormarner Propstes Gustav Dührkop: "Wer Deutscher und Christ sein will, der trete selbstlos in die vordersten Reihen und helfe des Führers Werk vollenden." ....
(Quelle).
Die Haltung der protestantischen Kirchenvertreter, die insbesondere in Preußen im Sinne einer "Staatskirche" aufgewachsen waren, ist nicht verwunderlich. Sie darf den einzelnen Personen insofern auch nicht vorgeworfen werden. Die mehr als deutlichen Fingerzeige aus Rom (vgl. "Mit brennender Sorge" vom 21. März 2017) sprachen dagegen für die katholische Kirche eine deutlich andere Sprache.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die nationalsozialischte Idee der "Dienstgemeinschaft" gerade bei der protestantischen Kirche auf fruchtbaren Boden viel (wir berichteten).
Warum aber dann in den "Aufbaujahren" nach der Nazizeit auch die katholische Kirche - in ökumenischer Zusammenarbeit und entgegen den päpstlichen Hinweisen (wir berichteten) - in bewusster Abkehr von der Weltkirche dieser Ideologie gefolgt ist, erschließt sich uns nicht.
Es mag "Geschichtsvergessenheit" gewesen sein, oder auch das schlechte Gewissen, die Gewerkschaften dem Nazi-Terror unwidersprochen ausgeliefert (wir berichteten) zu haben.
Es wird Zeit, dass sich auch die katholische Kirche ihrer Verantwortung stellt - und die historisch schwer belastete Ideologie der "Dienstgemeinschaft" dorthin verfrachtet wo sie hingehört - auf die Müllhalde der Geschichte.


*)
frei nach George Santayana in The Life of Reason:
„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“
(“Those who cannot remember the past are condemned to repeat it”).

Montag, 14. März 2022

Sachgrundlose Befristung - nun endlich in den ersten Amtsblättern

wir hatten jahrelang immer wieder über dieses Thema und die Entscheidung des (katholischen) Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes - KAGH - vom November letzten Jahres bereits berichtet:
Artikel 7 Abs. 1 Satz 3 der "Grundordnung" ist eindeutig:
3 Die Beschlüsse dieser arbeitsrechtlichen Kommissionen bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung für die jeweilige (Erz-)Diözese.
Und so dürfte das auch in allen Arbeitsverträgen vereinbart sein, die auf Regelungen aus dem "Dritten Weg" verweisen. Erst die bischöfliche Inkraftsetzung (kirchenrechtlich: Promulgation) macht ein Kirchengesetz zu einem Gesetz. Wie eine solche Rechtsetzung erfolgt, ist global in cc. 7 ff des "Codex Iuris Canonici" (CIC) festgeschrieben.
Partikulare Gesetz werden auf die vom Gesetzgeber bestimmte Weise (Veröffentlichung im diözesanen Amtsblatt) promulgiert, und ihre Verpflichtungskraft beginnt einen Monat nach dem Tag der Promulgation, wenn nicht ein anderer Termin im Gesetz selbst festgesetzt wird.
Can. 8 § 2 CIC
Erst mit dieser Rechtsetzung wird eine Norm rechtswirksam. Erst damit - und nicht rückwirkend (Can. 9 CIC) - sind die dem jeweiligen Bischof unterstehenden Einrichtungen verpflichtet (Can 11 CIC), die entsprechende Norm auch anzuwenden. Und was jetzt, wenn eine solche bischöfliche Inkraftsetzung nicht erfolgt?
Nun - so berichtet katholisch.de -
setzen die deutschen Bischöfe in ihren Bistümern zum 1. März eine Regelung in Kraft, derzufolge Arbeitsverträge ohne Sachgrund nur noch auf 14 Monate befristet werden dürfen. Bis zu dieser Gesamtdauer kann ein befristetes Arbeitsverhältnis höchstens einmal verlängert werden. Die Regelungen gelten für alle Arbeitsverträge, die in katholischen Einrichtungen ab diesem Datum geschlossen werden. Sie treten binnen zwölf Monaten außer Kraft, wenn der staatliche Gesetzgeber eine Neuregelung der sachgrundlosen Befristung trifft. Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung treten abweichende Regeln, wie sie beispielsweise in den nordrhein-westfälischen Bistümern getroffen wurden, außer Kraft.
...
Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof entschied, dass die Entscheidung über Befristungen eine zulässige "kirchenspezifische Materie" sei. Die Thematik spiele, ganz unabhängig von der Regelung durch den staatlichen Gesetzgeber, für die Glaubwürdigkeit der Kirche als Ganze eine wesentliche Rolle, da sie zeige, ob die Kirche bereit sei, die Aussagen der katholischen Soziallehre auf sich anzuwenden, auch wenn damit wirtschaftliche Nachteile verbunden sein mögen, heißt es in dem Urteil.
...
Bisher wurde die Neuregelung in den aktuellen Ausgaben der Bischöflichen Amtsblätter von Essen, Freiburg, Hamburg, Köln, Magdeburg, Münster, Paderborn und Trier veröffentlicht, mit einer Veröffentlichung in den restlichen Bistümern ist in der nächsten Ausgabe zu rechnen.
Wie heißt es so schön? "Unsere Kirche rechnet in Ewigkeitsmaßstäben."
Das ist demzufolge nach Jahren des kollektiven Bettelns und der Ausschöpfung des innerkirchlichen Rechtswegs für Rechtsstreitigkeiten der diversen Mitarbeitervertretungen ein beachtenswerter Erfolg.

Sollen wir nun darauf warten, dass die Aussagen der katholischen Soziallehre zum Gewerkschaftsprinzip in den kirchlichen Gremien ankommen - und die Erkenntnis, dass die Glaubwürdigkeit der Kirche als Ganze durch die bisherigen Abschottungsbemühungen und die Kommunikationsverweigerung der Bischöfe auch massiv leidet?

Freitag, 11. März 2022

Zum Abschlussbericht der Bischofskonferenz

 Der Pressebericht des Vorsitzenden Dr. Georg Bätzing zur Bischofskonferenz ist inzwischen veröffentlicht worden "klick mich". 

Unter Ziffer 5. Kirchliches Arbeitsrecht - Zum Prozess der Weiterentwicklung der Grundordnung wird ausgeführt:
Beim Thema Arbeitsrecht stehen wir an einem spannenden Punkt, als dass gerade eine Dynamik entstanden ist; nicht nur durch die dritte Synodalversammlung, sondern auch durch die Initiative #OutInChurch.

Die Grundordnung des Kirchlichen Dienstes, die am 1. Januar 2016 in allen (Erz-)Diözesen in Kraft gesetzt wurde, sollte nach fünf Jahren – so war es damals festgelegt worden – einer Evaluierung unterzogen werden. Diese wird seit dem vergangenen Jahr durchgeführt. Wichtig ist zu beachten, dass die Evaluierung nicht nur die Fragen der Loyalitätsobliegenheiten und der Kündigungsgefahr betrifft, sondern eine Vielzahl von Einzelfragen, da das Kirchliche Arbeitsrecht ein höchst komplexes Konstrukt ist. Die von den Bischöfen angestoßene Reform des Arbeitsrechts verfolgt das Ziel, ein neues Narrativ vom kirchlichen Dienst zu entwickeln, das sich einem institutionenorientierten Ansatz verpflichtet weiß. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die positiven und bereichernden Aspekte der Arbeit im kirchlichen Dienst gegenüber dem bisher überwiegend sanktionierenden Charakter einiger Regelungen der Grundordnung sehr viel stärker in den Blick genommen. Neben dem rechtlich-justiziablen Teil soll die Grundordnung künftig auch zentrale programmatische Aussagen zu den Grundlagen des kirchlichen Dienstes enthalten (etwa zum Sendungsauftrag, zur Dienstgemeinschaft oder zu den Grundfunktionen der Kirche) und die Verantwortung des Dienstgebers für den Erhalt und die Stärkung des kirchlichen Profils zum Ausdruck bringen.

Die Synodalversammlung hat am 5. Februar 2022 den Handlungstext „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ in erster Lesung beraten und mit großer Mehrheit angenommen. Dieser Vorschlag fokussiert sehr stark auf die Loyalitätsobliegenheiten; der Fokus ist von daher mit den Planungen zur grundsätzlichen Neuformulierung der Grundordnung nicht vollkommen identisch.

Wir haben uns in der Vollversammlung aufgrund der verschiedenen Initiativen, die das Thema gerade nach vorne bringen, über den aktuellen Stand des Beratungsprozesses informiert. Wir werden in den verschiedenen Gremien auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz die Beratungen priorisiert voranbringen, aber wir müssen die vorgesehenen Schritte einhalten. Es geht uns Bischöfen um Sorgfalt, Prozesstreue, Sachlichkeit und das Signal, dass es einen Willen zur Veränderung gibt. Dieser Wille ist – das steht außer Frage – da. Ich denke, dass Veränderungen noch im Laufe dieses Jahres möglich sind.
Unter Verweis auf unseren Beitrag vom Dienstag erinnern wir hier an das Angebot der in ver.di organisierten kirchlichen MitarbeiterInnen, sich (auf Grundlage der katholischen Soziallehre, insbesondere der päpstlichen Sozialenzykliken) an der weiteren Diskussion konstruktiv zu beteiligen.

[Sozial- und Erziehungsdienst] Profis am Limit! Digitale Konferenz | 15. März 2022

 Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach den erfolgreichen bundesweiten Aktionen zum Internationalen Frauentag geht es gleich weiter: Am 15. März 2022 findet der jährliche "Internationale Tag der Sozialen Arbeit“ (World Social Work Day) statt. Und damit die nächste Gelegenheit, die großen Herausforderungen in allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit sichtbar zu machen und die notwenigen Schritte für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen aufzuzeigen. 

 

Hierfür sind eine Reihe öffentlichkeitswirksamer Aktionen vor Ort geplant. Zugleich wollen wir mit Verantwortlichen aus der Bundespolitik ins Gespräch kommen.

 

Am 15.03.22 von 18:30 bis 20:00 Uhr findet eine digitale Podiumsdiskussion statt.

 

Mit dabei: Christine Behle (stellvertretende ver.di-Vorsitzende), Saskia Esken (SPD), Mareike Wulf (CDU), Ricarda Lang (Bündnis90/Die Grünen), Janine Wissler (Die Linke) und Prof. Dr. Stefan Sell (Sozialwissenschaftler).

 

Die Diskussion wird auf unserer Kampagnenseite sowie über unseren Facebook-Kanal und unseren Youtube-Kanal übertragen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Mittwoch, 9. März 2022

Bistum Limburg: Erklärung des Generalvikars zur Anwendung der kirchlichen Grundordnung

Im Bistum Limburg bekennen wir uns zu Vielfalt und Diversität. Wir wollen Angst und Unsicherheit überwinden. Deshalb setzen wir uns für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ein. Der Bischof und ich sagen Ihnen zu, dass in der Diözese Limburg die Grundordnung im Blick auf die sexuelle Orientierung sowie das Beziehungsleben bzw. den Familienstand keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass die Grundordnung hinsichtlich Artikel 5. Abs. 2. Buchstb. c und d für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt wird. Die sexuelle Orientierung, das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe wird keine arbeitsrechtlichen Sanktionen nach sich ziehen. Dies gilt für alle Gruppen von kirchlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern, für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie alle, die mit einer „Missio canonica“ oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung ihren Dienst wahrnehmen. Unsere Zusicherung gilt sowohl für bestehende als auch künftige Arbeitsverhältnisse.
Gleichzeitig ermutige ich alle anderen kirchlichen Rechts- und Anstellungsträger im Bistum Limburg im caritativen und verbandlichen Bereich sowie auf Ebene der Kirchengemeinde, eine ähnliche Selbstverpflichtung einzugehen.
Quelle: Amtsblatt des Bistums Limburg "klick" und Bericht auf katholisch.de sowie im Domradio

Die kirchliche Rechtsordnung ist immer wieder für eine Überraschung gut. Der Generalvikar sichert auch im Namen des Bischofs zu, dass konkret bezeichnete Teile der Grundordnung - also eines bischöflichen Gesetzes - keine Anwendung findet. Wie lange das so ist, bleibt unklar. Sicher ist nur, dass auch die anderen kirchlichen Rechtsträger im Bistum eine solche Selbstverpflichtung eingehen sollen - aber nicht müssen. Das bischöfliche Gesetz bleibt also weiterhin in Kraft.
Unter allen möglichen Varianten scheint uns das die am wenigsten verbindliche Regelung zu sein.
Dabei wäre Rechtssicherheit sehr einfach herzustellen: Ein Erlass im Amtsblatt, der die bestehenden Artikel der Grundordnung außer Kraft setzt, würde ausreichen.
(Sarah Röser *) im online-magazin "Feinschwarz")

Bei der Gelegenheit bringt katholisch.de einen Bericht über den "Flickenteppich Grundordnung".
Wie die 27 Diözesen mit Loyalitätspflichten umgehen
Grundordnung im Ausnahmezustand – Flickenteppich kirchliches Arbeitsrecht?
Auf dem Papier gilt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes uneingeschränkt. In der Praxis haben aber so gut wie alle Bistümer Kompromissbereitschaft bis Reformfreude signalisiert. Ein Blick in alle 27 Diözesen zeigt, ob es einen Flickenteppich im kirchlichen Arbeitsrecht gibt.
...
Trotz vieler mehr oder weniger deutlicher Ansagen wurde der Verzicht auf Kündigungen aus Gründen der Lebensführung noch nirgends in ein bischöfliches Gesetz gegossen. Formal gibt es also immer noch eine einheitliche Grundordnung in allen deutschen Diözesen – inklusive des hoch umstrittenen Artikels 5, in dem die Kündigungsgründe wegen Verstößen gegen die Loyalität aufgeführt sind.
Der Rechtslage auf dem Papier nach müssen katholische Beschäftigte also immer noch mit einer Kündigung rechnen, wenn sie kirchlich nicht anerkannte Zivilehen eingehen – überall.
...
Die Tübinger Kanonistin Sarah Röser *), die sich auf kirchliches Arbeitsrecht spezialisiert hat, kritisierte im Online-Magazin "Feinschwarz" bischöfliche "Lippenbekenntnisse". "Wenn jetzt manche diözesanen Verantwortlichen in Aussicht stellen, die entsprechenden Artikel der Grundordnung im Augenblick nicht anzuwenden, mag das auf den ersten Blick für viele erfreulich klingen", urteilt sie. Ohne eine verbindliche rechtliche Festschreibung der Erklärungen könnten diese aber jederzeit wieder revidiert werden. "Lippenbekenntnisse sind schnell gemacht – es wird sich zeigen, ob ihnen rechtsverbindliche Taten folgen", so Röser.

Bedenklich erscheint uns aber vor allem, dass sich die erkennbaren Reformbemühungen lediglich auf einen Aspekt der Grundordnung beschränken.
Wer sich als Mitarbeiter der katholischen Kirchen offen zur eigenen Homosexualität bekennt, kann seinen Job verlieren. Nun wollen die deutschen Bischöfe diese Ungleichbehandlung mit einer Änderung des Kirchenarbeitsrechts abschaffen.
»Hier braucht es Bewegung, hier ist Druck entstanden«, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, zur Eröffnung der DBK-Frühjahrsvollversammlung im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen in Bayern. »Wir gehen auf eine Veränderung der Grundordnung hin.«
berichtet SPIEGEL ONLINE


*)
Sarah Röser M.A. arbeitet als Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht der Universität Tübingen und promoviert mit einer Doktorarbeit zum kirchlichen Arbeitsrecht an der Universität Freiburg.

Dienstag, 8. März 2022

Geburtstag Oswald von Nell-Breuning 8. März1890 - Abbau kirchlicher Sonderrechte im Arbeitsrecht - Internationaler Weltfrauentag und KiTA-Streiks

Den Abbau hat schon Nell-Breuning gefordert. Leider ist - außer der nur verbalen Aufforderung aus der Würzburger Synode, bei den Gewerkschaften mit zu tun - nichts aus diesen Forderungen von Nell-Breuning geworden. Das "Bekenntnis zum Gewerkschaftsprinzip", das die kirchlichen Sozialenzykliken kennzeichnet, hat es nicht über die Alpen hinweg zu den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschafft. Dort ist dagegen vielfach angekommen, dass ein Gewerkschafsbeitritt zur Kündigung führen könnte. Muss die fehlende innerkirchliche Bereitschaft und die Stärke der Beharrungskräfte in der Kirche nun doch "von draussen gekippt" werden?
Beteiligung der Gewerkschaften an Verhandlungen gefordert
Ver.di will umfassenden Abbau kirchlicher Sonderrechte im Arbeitsrecht

Die Ampelkoalition will das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen angleichen – doch am Tisch soll neben der Politik nur die Kirche setzen. Der Kirchenfachrat der Gewerkschaft ver.di fordert eine Beteiligung auch der Arbeitnehmer – und grundlegende Reformen.
beschreibt nun katholisch.de die Situation - und verkennt, dass der Kirchenfachrat von ver.di hier nur die innerkirchlichen Anforderungen aufgreift, die sich beispielsweise schon in Nr. 97 ff der päpstlichen Enzyklika "Mater et magistra" (1961) finden. Und "katholisch.de" verkennt auch, dass der Kirchenfachrat von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebildet wird. Das ist keine "externe Kampforganisation", die da zum Dialog mit den eigenen, solidarisch gewerkschaftlich organisierten Beschäftigen auffordert.
Ist es peinlich, dass selbst katholische Medien diesen Zusammenhang nicht erkennen - oder ist das die Folge eines jahrzehntelangen Geschwurbels um die historisch schwer belastete "Dienstgemeinschaft"? Anderswo nennt man dieses Geschwurbel auch "Hirnwäsche" und wirft es autokratischen Systemen als undemokratisch vor.

Btw.: Katechismus und Sozialenzykliken bestätigen ausdrücklich das Streikrecht. Am heutigen Internationalen Weltfrauentag müssen sich Eltern von Kindergartenkindern bundesweit (nicht nur in Bayern oder Niedersachsen und NRW) auf geschlossene Kitas einstellen. Die Gewerkschaft Verdi hat in den laufenden Tarifverhandlungen zu Warnstreiks aufgerufen. Sie fordert unter anderem höhere Löhne, mehr Anerkennung und Maßnahmen gegen Fachkräftemangel.
Quellen u.a.:
Bayerischer Rundfunk / br24 - Gewerkschaftsforum.de - NDR - RP Online - Sachsen Fernsehen online - Süddeutsche Zeitung -

Die tun was und nehmen ihr Schicksal solidarisch selbst in die Hand. Gut so - ganz im Sinne des Oswald von Nell-Breuning ...

Sonntag, 6. März 2022

Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 7. bis 10. März

Und - wie schaut's aus mit dem Bestand oder einer Reform des beanspruchten "Sonderarbeitsrecht"? Kommt das neue kirchliche Arbeitsrecht bereits im Juni, wie der Paderborner Generalvikar meint? Oder gibt es wieder beharren, zaudern und zögern wie Regensburgs Generalvikar Batz wohl erhofft? *) Und wie weit werden die Änderungen gehen? Werden da wirklich alle kritischen Bereiche der Grundordnung umfasst - oder beschränkt sich diese Reform nur auf die sehr strittigen Loyalitätspflichten, die ohnehin nicht mehr zu halten sind?

Im letzten Monat hat der Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen, Antonius Hamers, die Bischöfe vor diözesanen Alleingängen gewarnt
(Quelle 1, Quelle 2).

Wir empfehlen dringend, diese Warnung auch gegenüber deutschen Alleingängen zu erheben. Solche nationale Besonderheiten sind für die katholische Kirche schwer begründbar und haben es in einem zunehmenden europäischen Umfeld schwer. Was in Kufstein oder Salzburg zulässig ist, kann in Kiefersfelden oder Freilassing nicht gegen tragende Grundsätze der katholischen Lehre verstoßen. Was in Slubice von der katholischen Kirche gefördert wurde (vgl. Laborem exercens) kann diesseits der Oder im benachbarten Frankfurt nicht als "des Teufels" bezeichnet werden. Was unterscheidet die katholische Kirche von Kehl und Straßburg beiderseits des Rheins? Wie will man im "Dreiländereck" von Aachen, Lüttich und Maastricht "zwingende" nationale Besonderheiten gegenüber den europäischen Gerichten erklären?




Anmerkung:
*) Quelle:
Der Regensburger Generalvikar Roland Batz begrüßt die anstehende Überarbeitung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes. In einer am Mittwoch auf der Webseite des Bistums veröffentlichten Stellungnahme schreibt er, dass er den Veränderungen positiv entgegen sehe, "weil sie auf der einen Seite die Rechtssicherheit verbessern werden und weil auf der anderen Seite die Loyalitätspflichten in ein angemessenes Maß zur Lebenswirklichkeit vieler Menschen zu rücken sind". Dabei warnte er vor "übereilten Entscheidungen, die dann das rechte Maß genau verfehlen und ein notwendiges und mitunter fragiles Gleichgewicht zwischen Loyalität und persönlichen Lebenssituationen eben nicht gewährleisten".
noch Fragen?

Samstag, 5. März 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit dem Staatskirchenrecht?

Nach unserer Reihe "Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer Kirche"
(ein Beitrag zuletzt am Samstag) scheint eine Neuorientierung angebracht. Schließlich entwickelt sich die Diskuission zusehends nicht mehr in der innerkirchlichen Auseinandersetzung zur Umsetzung der eigenen, katholischen Soziallehre - sondern entlang der Frage, welche Grenzen der Staat den Kirchen aufzeigt.
Beispielhaft sei ein Twitter-Beitrag der Grünen zitiert:
Die Kirchen gehören in die Zivilgesellschaft
Deutschland braucht ein neues Religionsverfassungsrecht


... "Wer Aufarbeitung und Schutz vor Diskriminierung ernsthaft voranbringen will, darf diese archaische Verklammerung von Staat und Kirchen nicht länger als gottgegeben hinnehmen ..."
(Bezug)

Daher nun also: Wie weiter mit dem Staatskirchenrecht?
Die "Schranken des für alle geltenden Gesetzes" können bereits durch einfachgesetzliche Regelungen enger oder auch erweitert werden. Und Gesetzgeber ist nicht nur der Bundestag - das sind auch die Landesparlamente. Die katholische Kirche hat sich in einer Vielzahl von Konkordatsvereinbarungen dieser "Schrankenziehung" unterworfen. Dabei ist eine zunehmende Konkretisierung der Bereiche für die kirchlichen Selbstordnung und Selbstverwaltung festzustellen. Was ursprünglich also wohl als "bekannt" vorausgesetzt wurde, musste zunehmend normiert werden. Das ist nur auf den ersten Blick irritierend - eine Kirche, die den Anspruch erhebt, das menschliche Leben von der Zeugung bis zur Totenruhe zu beeinflussen, gerät zwangsläufig in eine Konfliktsituation mit dem Staat, der den gleichen Anspruch erhebt.
Die beste Konkordanz zwischen den beiden Sphären stellen die Konkordatsverträge *) dar, in denen die Grenzen der jeweiligen Befugnisse definiert werden.
Einige Beispiele:

Mittwoch, 2. März 2022

Abschaffung kirchlicher Privilegien im Arbeitsrecht: Arbeitsnehmer:innenrechte ausnahmslos stärken! Arbeitnehmer:innen beteiligen!

Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition sieht vor, dass „gemeinsam mit den Kirchen“ geprüft werden
soll, inwieweit das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen angeglichen werden kann. Es ist überfällig, dass das geschieht. Doch wer sind „die Kirchen“? Kürzlich hat die Bundeskonferenz der diakonischen Mitarbeitervertretungen gefordert, dass sie als betriebliche Interessenvertretungen ebenso so wie ver.di dabei einzubeziehen sind.

Der Kirchenfachrat von ver.di unterstützt diese und erhebt darüber hinausgehende Forderungen:

Arbeitnehmer:innenrechte ausnahmslos stärken! Arbeitnehmer:innen beteiligen!

In den vergangenen 70 Jahren hat sich die kirchliche Nebenrechtsordnung im Arbeitsrecht mit staat- licher Gewähr zu Ungunsten der kirchlich Beschäftigten verselbständigt. Die Gewerkschaft ver.di und der DGB zeigen seit Jahrzehnten die arbeitsrechtlichen Verwerfungen bei kirchlichen Arbeitgebern auf und fordern die Stärkung der Arbeitnehmer:innenrechte. Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland findet in einem Koalitionsvertrag das kirchliche Arbeitsrecht Erwähnung. Wir bewerten es als einen wichtigen Fortschritt, dass die Regierungskoalition die kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht auf den Prüfstand stellen will.

Die Ampelparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag formuliert, gemeinsam mit den Kirchen prüfen zu wollen, inwieweit das kirchliche an das staatliche Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Verkündigungsnahe Tätigkeiten sollen ausgenommen bleiben. Leider handelt es sich lediglich um eine Prüfabsicht, doch wir fordern echten Veränderungswillen. „Die Kirchen“ sind selbst Arbeitgeber, ebenso wie ihre Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas und die zehntausenden Betriebe und Unternehmen unter ihrem Dach. Sie selbst haben den heutigen Sonderstatus im Arbeitsrecht in den vergangenen Jahrzehnten befördert, profitieren von ihm und haben kein Interesse an seiner Einschränkung. Demzufolge ist ein entschiedenes politisches Vorgehen und ein säkularer Veränderungswille erforderlich. Das Arbeitsrecht ist vor allem ein Arbeitnehmerschutzrecht. Es ist also zwingend erforderlich, dass diejenigen beteiligt werden, deren Rechte es zu stärken gilt: Unsere rund 1,8 Millionen Kolleg*innen in kirchlichen Betrieben. Sie werden durch ihre Gewerkschaft ver.di und ihre betrieblichen Interessenvertretungen repräsentiert.