Mittwoch, 30. November 2022

Bischof Hanke (Eichstätt) zur Reform der Grundordnung

In einem Bericht des Domradio (Köln) wird Bischof Hanke dazu wie folgt zitiert:
...
Arbeitsrecht ließ sich nicht mehr anders gestalten

Das jüngst verabschiedete, neue kirchliche Arbeitsrecht sieht Hanke nüchtern. Für die Kirche als Arbeitgeberin im sozialen, caritativen, pädagogischen und administrativen Bereich mit rund 800.000 Arbeitsplätzen lasse sich der Rahmen "wohl nicht mehr anders gestalten", sagte er. Für ihn steht aber auch fest, dass in den Einrichtungen viele engagierte und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Arbeit leisteten und deren Atmosphäre prägten, selbst wenn sie nicht aus der Kirche oder aus der Mitte der Kirche kämen.

Nach den Worten des Bischofs sind Veränderungen des kirchlichen Arbeitsrechts in relativ kurzen Abständen notwendig geworden. "Als Kirche werden wir kleiner, von den Mitgliedern her, von der äußeren Gestalt her." Irgendwann stelle sich dann aber auch die Frage, ob das breite Spektrum kirchlicher Einrichtungen bleiben könne und solle. Die Kirche sei schließlich keine bloße Unternehmerin mit ethischem Profil, gab Hanke zu bedenken.

Als Bruch empfinde er im neuen Arbeitsrecht die "rechtlich zugesprochene Privatisierung des Lebenszeugnisses" für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkündigungsbereich, erklärte der Bischof. Er sehe zwar das Anliegen, bisherige Inkonsequenzen und Heimlichtuerei zu unterlassen: "Aber ist es nicht so, dass mich eine kirchliche Beauftragung oder Sendung entprivatisiert und mich ganz in Dienst nimmt?" Das nunmehr für den Verkündigungsbereich geltende Arbeitsrecht sehe dies anders. Ein bischöflicher Mitbruder habe übrigens die Frage gestellt, ob mit diesem Schritt nicht die innerkirchliche Selbstsäkularisierung vorangetrieben werde.
Mir scheint, dem bischöflichen Mitbruder fehlt der Blick "über den Tellerrand" - in mehrfacher Hinsicht:
1. Bereits jenseits der deutschen Grenzen wird der "Dritte Weg" der deutschen Kirche nicht verstanden. Schon in Österreich gilt für die Kirchen das staatliche Arbeitsrecht uneingeschränkt. Und die Katholiken und Kirchengemeinden in Salzburg oder Kufstein sind nicht weniger katholisch als die in Freilassing oder Kiefersfelden.
2. Die Kirchen können selbst darüber (Zitat) "befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen können sich dabei auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung ..." (Zitat Ende), also in Folge einer Entscheidung der Kirchen für Arbeitsverträge, einer Rechtswahl - wie das Bundesverfassungsgericht bereits am 04.06.1985 entschieden hat (-- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 -- BVerfGE 70, 138 (138)BVerfGE 70, 138 (139))
3. Den Kirchen fehlt jede Rechtsetzungsbefugnis für Personen, die ihr nicht angehören (3. Leitsatz bei Bundesverfassungsgericht vom 14.12.1965 - - 1 BvR 413/60 - (-- BVerfGE 19, 206 --)) und
4. Das universelle Kircherecht (can. 1286 CIC) verpflichtet die kirchlichen Vermögensverwalter, das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens einzuhalten - ausdrücklich unter Hinweis auf die Vorgaben der eigenen Soziallehre, die beständig unter anderem auf das Gewerkschaftsprinzip und die vollständige Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer verweist (Mater et Magistra, Laborem exercens ....) - für entgegenstehende Regelungen besteht also kein Raum.
5. Warum sollte sich Gott nicht auch der Nichtkatholiken und der staatlich bereit gestellten Werkzeuge bedienen, um sein Wirken in der Welt zu unterstützen?

e.s.

Dienstag, 29. November 2022

Strukturreform im Erzbistum Köln weitgehend entschieden

berichteten das Domradio und katholisch.de und katholisch.de führte aus:
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Nun startet laut Erzbistum ein mehrjähriger und individuell vor Ort anzupassender Entwicklungsprozess in drei Phasen. In den territorial neu festgelegten Einheiten sollen sich die bisher dort tätigen Pfarrer und Seelsorgeteams zunächst untereinander kennenlernen und erste Abstimmungen vornehmen. In einer zweiten Phase solle es einen gemeinsamen Pfarrer und ein gemeinsam ernanntes Pastoralteam geben. In der dritten Phase werde ein Kirchengemeindeverband errichtet oder es würden alle bestehenden Kirchengemeinden zu einer Kirchengemeinde fusioniert. Mit dem Vorgehen modifiziert das mitgliederstärkste deutsche Bistum ursprüngliche Pläne Woelkis, 50 bis 60 Großpfarreien zu bilden. Diese Festlegung rechtlicher Strukturen war an der Kirchenbasis auf heftige Kritik gestoßen. (KNA)
fällt da was auf? Nein?

Frage:
HausmeisterInnen und KüsterInnen, KirchenmusikerInnen, Reinigungskräfte, Verwaltungspersonal (Leitungen, Buchhaltungskräfte, PfarrsekretärInnen) - sind diese Menschen alle im "Pastoralteam" mit erfasst, oder gibt es solche Arbeitskräfte im Erzbistum Köln gar nicht?

Das Domradio nimmt wenigstens noch an, dass es da irgendwie eine Verwaltung geben müsste:
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eine dritte Entwicklungsphase, die durch die Errichtung eines gemeinsamen Kirchengemeindeverbandes oder der Fusion aller in der Pastoralen Einheit bestehenden Kirchengemeinden zu einer Kirchengemeinde gekennzeichnet ist. Dadurch kann die Pastorale Einheit die Verwaltung der einzelnen Kirchengemeinden und Seelsorgebereiche unterstützen und erleichtern.

Montag, 28. November 2022

Bayerische FDP will strikte Trennung von Staat und Kirche - eigenes Arbeitsrecht streichen

berichtete das Domradio (Köln)
"Den gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragen"
Die Kirchen haben in Deutschland viele Sonderrechte, wie das Erheben von Kirchensteuern, die Besetzung von Lehrstühlen oder ein eigenes Arbeitsrecht. Wenn es nach der FDP in Bayern geht, sollen diese Rechte gestrichen werden.
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Freitag, 25. November 2022

Antidiskriminierungsbeauftragten Ferda Ataman will Sonderrechte für kirchliche Arbeitgeber weiter beschneiden

Wie der SPIEGEL berichtet, reichen der Bundesantidiskriminierungsbeauftragten Ferda Ataman die Lockerungen durch die Neufassung der Grundordnung nicht:
Die sogenannte Kirchenklausel im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) müsse geändert werden, sagte sie am Mittwoch in Berlin. »Anforderungen an die Religionszugehörigkeit oder an die Lebensweise von Mitarbeitenden sollte es zukünftig nur noch im engsten Verkündungsbereich geben.« Der Artikel regelt eine »zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung«.
Quelle 1; Quelle 2;
Auch die ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (Huk) kritisierte die neue Grundordnung als unzureichend. »Es bleibt ein Rätsel, warum die Bischöfe Trans*- und Inter*-Personen explizit nicht den versprochenen Schutz zusagen«, sagte Sprecher Thomas Pöschl. Er sprach von einem »gravierenden Defizit«.
berichtet der SPIEGEL selbst weiter.
Das ist nicht überraschend. Die Deutsche Welle veröffentlichte schon im August den Hinweis auf Ataman's Jahresbericht:
Ferda Ataman mahnt Regierung zu mehr Minderheitenschutz

Felix Neumann analysioert auf Katholisch.de die entsprechenden Passagen und meint dazu:
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Sind trans Personen immer noch außen vor? Ist sexuelle Identität gleich geschlechtliche Identität?

Transgeschlechtlichkeit wird weder in der Grundordnung noch in den Bischöflichen Erläuterungen explizit erwähnt. Vor allem eine Regelung der neuen Grundordnung wird von der LSBTIQ-Community ausgesprochen kritisch betrachtet: "Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen ist eine Bereicherung. Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Alters, ihrer Behinderung, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein. Vorausgesetzt werden eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangeliums und die Bereitschaft, den christlichen Charakter der Einrichtung zu achten und dazu beizutragen, ihn im eigenen Aufgabenfeld zur Geltung zu bringen." (Art. 3 Abs. 2 GO)

Im zweiten Satz werden die Merkmale aufgezählt, die auch im staatlichen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt sind. Bei der Gesetzgebung wurde unter der Bezeichnung "sexuelle Identität" zwar auch Trans- und Intergeschlechtlichkeit verstanden. Im Zuge der Rechtsentwicklung durch die Auslegung durch die Gerichte, insbesondere durch den Europäischen Gerichtshof, hat sich die Auslegung aber dahingehend verschoben, dass Trans- und Intergeschlechtlichkeit als Aspekt des Merkmals "Geschlecht" gefasst wird, während "sexuelle Identität" enggeführt wird auf sexuelle Orientierung. Da aber das lehramtliche katholische Geschlechterverständnis von einer strikten Zweigeschlechtlichkeit ausgeht, ist fraglich, ob man diese Passage völlig in Analogie zum weltlichen AGG auslegen kann. In diesem Fall wären auch Transmenschen eingeschlossen. Wenn man aber "Geschlecht" wie das Lehramt auslegen muss, dann wären sie gerade nicht geschützt. Der Begriff, der eindeutig auch Trans- und Intergeschlechtlichkeit umfasst, wäre "geschlechtliche Identität".

Im Vergleich zum AGG ist bei der Aufzählung in der Grundordnung noch der Begriff "Lebensform" hinzugekommen, der aber nicht definiert und erläutert wird. Ob damit nur Ehen und Partnerschaften gemeint sind oder auch Ausdrücke geschlechtlicher Identität, muss sich im Zuge der Rechtsanwendung durch Gerichte und Arbeitgeber erst zeigen.

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Donnerstag, 24. November 2022

Weitere Pressemeldungen und erste Kommentierungen zur Neufassung der Grundordnung

Die Neufassung der Grundordnung hat zu einigen Pressemeldungen geführt - aber außerhalb der kirchlichen Medien keine "Meldungswelle" ausgelöst. Wir dokumentieren exemplarisch einige Pressemeldungen.

1. Kirchliche Medien:
1.1. Radio Vatikan:
Deutsche Bischöfe beschließen neues kirchliches Arbeitsrecht
„Neues Arbeitsrecht Beitrag zu einer Kirche ohne Angst“
Neues Arbeitsrecht „überfällig“ und „Paradigmenwechsel" (Zusammenfassung anderer Meldungen)
Arbeitsrechtsreform wird vielfach umgesetzt

1.2. Domradio:
So bald wie möglich umsetzen (Bericht aus Hamburg)
Keine Angst mehr vor Kündigung (mit Hinweis auf einzelne kritische Stimmen)

1.3. katholisch.de:
Arbeitsrecht: Kirche sanktioniert private Lebensführung nicht mehr
"Überfälliger Schritt", "Teilerfolg": Stimmen zum neuen Arbeitsrecht
Immer mehr Bistümer kündigen Umsetzung von neuem Arbeitsrecht an

1.4. Kirche und Leben:
Bischöfe beschließen neues Arbeitsrecht - Privatleben bleibt privat
Bischof Felix Genn: Bistum Münster wird neues Arbeitsrecht einführen
Viel Erleichterung – Queere Katholiken sehen aber nur „Teilerfolg“
#OutInChurch: Kein Ende der Willkür im katholischen Arbeitsrecht

1.5. und als "Schmankerl" das schon bisher durch extremistische Aussagen aufgefallene kath.net (eine privat betriebene Agentur selbst ernannter Rechtgläubiger aus Österreich):
Callboys, Nutten und Drogenjunkies - Wie wärs mit einem (Neben)job in der ‚deutschen Kirche‘?

2. Säkulare Medien:
BUND-Verlag:
Reform des kirchlichen Arbeitsrechts

Münchner Merkur
Bischöfe ändern kirchliches Arbeitsrecht
„Der Teufel steckt im Detail“: Neues Arbeitsrecht

Der SPIEGEL:
Wiederheirat und gleichgeschlechtliche Ehe führen nicht mehr zur Kündigung
One Love, two Love – die katholische Kirche erlaubt's! – Immerhin fähig zu Reformen beim Arbeitsrecht?

Süddeutsche Zeitung:
Bischöfe ändern kirchliches Arbeitsrecht
Neues Arbeitsrecht: Reformbewegungen sehen "Teilerfolg"
"Der Teufel steckt im Detail": Neues Arbeitsrecht
Homosexuelle kritisieren Arbeitsrecht in katholischer Kirche

WELT:
Das kann ein Aufbruch zu einer neuen Kirche sein (Kommentar)

ZDF - heute:
Angstfrei arbeiten in der katholischen Kirche (Kommentar)



Soweit ersichtlich wird an folgenden allgemeinen Regelungen Kritik geübt:
Was als „kirchenfeindliches Verhalten" (Art. 7 Abs. 3 Grundordnung) mit einer Kündigungssanktion zu verstehen ist, bleibt nach wie vor offen. Der in der Grundordnung verwendete Begriff "insbesondere" weist darauf hin, dass es sich hier um keine abschließende sondern eine beispielhafte Auflistung handelt.
Kirchenfeindliche Betätigungen erfassen Handlungen, die öffentlich wahrnehmbar sind und sich gegen die Kirche oder deren Werteordnung richten. Hierzu zählen insbesondere
- das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. die Propagierung der Abtreibung oder von Fremdenhass),
- die Herabwürdigung von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen,
- die Propagierung von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Glaubensinhalten stehen, während der Arbeitszeit oder im dienstlichen Zusammenhang, auch die Werbung für andere Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaften
Katholisch.de schreibt dazu:
Unter den dafür aufgezählten Beispielen ist weiter das "öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche" und in neuer Formulierung die "Herabwürdigung" statt der "Verunglimpfung" von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen. Im staatlichen Strafrecht wird von "Herabwürdigung" im Zusammenhang schon von einfachen Beleidigungen gesprochen, während das Wort "Verunglimpfung" vor allem der Schmähung des Bundespräsidenten, des Staates und seiner Symbole, aber auch des Andenkens Verstorbener vorbehalten ist. An dieser Stelle scheinen Sanktionen also früher zu drohen als im Entwurf vorgesehen.
Wenn man diesen Artikel weiter liest kommt man auch zur Ausführung:
Sicher ist, dass die Kritik von gewerkschaftlicher Seite am kirchlichen Arbeitsrecht nicht abreißen wird. Keiner der Forderungen vor allem der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die sich aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zu eigen gemacht hat, wird erfüllt: Weiterhin gilt eine eigene Mitarbeitervertretungsordnung statt dem Betriebsverfassungsgesetz, weiterhin bleibt Streik tabu, weiterhin gibt es keine Tarifverträge, weiterhin keine unternehmerische Mitbestimmung. Wo es Änderungen in den Artikeln zum kollektiven Arbeitsrecht gibt, wurden lediglich in Formulierungen explizit gemacht, was ohnehin schon so praktiziert wird, etwa wenn nun ausdrücklich betont wird, dass vor kirchlichen Arbeitsgerichten allen Beteiligten ein Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt wird.
Katholisch.de verweist im Kontext also auf das kirchliche Streikverbot und die Verweigerung von Tarifverträgen (Art. 9 Abs. 3 der Grundordnung, was sich weder auf die eigene Soziallehre noch auf den Katechismus und damit auch nicht auf theologische Grundlagen stützen kann)
Streik und Aussperrung widersprechen diesem Grunderfordernis und scheiden daher aus. Kirchliche Dienstgeber schließen keine Tarifverträge mit tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) ab
Kann es noch so weit kommen, dass die verfassungsrechtlich garantierte gewerkschaftliche Betätigung als "kirchenfeindliches Verhalten" bezeichnet wird?

Mittwoch, 23. November 2022

Ver.di-Pressemitteilung zur Grundordnung

wie wir gestern bereits berichteten, haben die Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland mehrheitlich auf der Beibehaltung des eigenen Arbeitsrechts geeinigt. Ver.di hat dazu eine Medieninformation „Katholische Kirche beharrt auf diskriminierendem Arbeitsrecht - Gesetzgeber muss eingreifen“ erstellt:
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die heute von der Vollversammlung der Diözesen Deutschlands beschlossene neue Grundordnung der katholischen Kirche. „Die beschlossene Reform ist völlig unzureichend. Es darf nicht länger akzeptiert werden, dass die katholische Kirche in die Lebensführung ihrer Beschäftigten eingreift, Menschen diskriminiert und ihnen weiterhin grundlegende Rechte verweigert“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Die Bischöfe scheinen in einer völlig anderen Welt zu leben als der überwiegende Teil der Bevölkerung. Sie reagieren nur nach massivem öffentlichen Druck und dann auch nur mit minimalen Verbesserungen. Die Bundesregierung kann nicht länger dulden, dass unter dem Dach der Kirche in erheblichem Ausmaße Unrecht geschieht.“

So könne Beschäftigten der katholischen Kirche oder ihres Wohlfahrtsverbandes Caritas gekündigt werden, wenn sie aus der Kirche austreten. „Glaube ist eine sehr persönliche Angelegenheit, es darf doch nicht sein, dass man als Krankenschwester im Krankenhaus oder als Erzieherin in der Kindertagestätte seine Stelle verliert, wenn man sich entscheidet, nicht mehr einer Kirche anzugehören. Schließlich gibt man bei einem Kirchenaustritt weder die berufliche Professionalität noch das Engagement ab“, so Bühler. Ein weiterer Kündigungsgrund sei sogenannte „kirchenfeindliche Betätigung“. Was gegen die Werteordnung der Kirche verstoße, lege diese selbst fest. „Es kann zum Beispiel Kündigung drohen, wenn jemand für die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen demonstriert. Das ist nicht hinnehmbar“, stellte die Gewerkschafterin klar. Tarifverhandlungen auf Augenhöhe erteile die Kirchenspitze mit der neuen Grundordnung erneut eine Absage. Sie weigere sich weiterhin, das Grundrecht der Beschäftigten auf Streik anzuerkennen und bestehe auf einer schwächeren betrieblichen Mitbestimmung als im weltlichen Arbeitsrecht, auch Unternehmensmitbestimmung unter Beteiligung der Beschäftigten ist nicht in Sicht.

„Diese Realitätsverweigerung ist erstaunlich“, kritisierte Bühler. „Die rund 25.000 karitativen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen finanzieren sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Trotzdem dürfen die katholischen Arbeitgeber mit Billigung des Staates ihren Beschäftigten Rechte vorenthalten, die in jedem anderen Betrieb gelten. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag die Prüfung des kirchlichen Sonderrechts vereinbart. Die Bischöfe haben erneut gewichtige Argumente für ein Eingreifen des Gesetzgebers geliefert. Die Bundesregierung muss die nötigen Konsequenzen zu ziehen.“

Quelle: Ver.di-Pressemitteilung vom 22.11.2022



Die Beschlussversion der Grundordnung vom 22.11.2022 unterscheidet sich in den für abhängig Beschäftigte wesentlichen Punkten kaum vom bekannten Entwurf (siehe auch die Stellungnahme der EXPERTENINITIATIVE RELIGIONSPOLITIK zum Entwurf). Die ausführliche gewerkschaftliche Stellungnahme zum Entwurf für eine geänderte Grundordnung steht als PDF-Download hier zur Verfügung: https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/mein-arbeitsplatz/kirchliche-betriebe/++co++116ec17a-6685-11ed-a39e-001a4a160100
Die neue Fassung der Grundordnung kann hier https://www.dbk.de/ueber-uns/verband-der-dioezesen-deutschlands-vdd/dokumente angesehen werden. Auch das Bistum Limburg hat den Entwurf veröffentlicht.
Dazu die Pressemeldung | Nr. 188 der deutschen Bischofskonferenz zur Neufassung "klick"

Dienstag, 22. November 2022

BREAKING NEWS - Grundordnung, Verpatzte Chance

wie katholisch.de soeben berichtet, ist die Neufassung der Grundordnung mehrheitlich beschlossen worden:
Die deutschen Bischöfe haben das kirchliche Arbeitsrecht mit dem Beschluss einer neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes grundlegend reformiert. Wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Dienstag mitteilte, hat der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) in seiner Vollversammlung die Musterordnung mit der notwendigen Mehrheit verabschiedet. Künftig soll damit der "Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre", rechtlichen Bewertungen entzogen werden, heißt es in der Grundordnung. Für eine zweite Ehe oder eine gleichgeschlechtliche Beziehung droht auch für katholische Beschäftigte nicht mehr die Kündigung. Damit die Grundordnung nun geltendes Recht wird, muss sie von den einzelnen Diözesanbischöfen für ihr Bistum als bischöfliches Gesetz in Kraft gesetzt werden. Zusammen mit der Grundordnung wurden auch "Bischöfliche Erläuterungen" veröffentlicht, die das kirchliche Arbeitsrecht theologisch begründen und Hinweise zu seiner Anwendung geben.
...

Streiks und Verhandlung von Tarifverträgen ausgeschlossen

Keine grundlegenden Veränderungen gibt es im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts, wo die Kirche weiterhin auf den "Dritten Weg" setzt und das Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendet. Auch künftig bleiben Streiks und die Verhandlung von Tarifverträgen also ausgeschlossen, die Kirche verzichtet auch nicht auf eigene Mitarbeitervertretungsordnungen und eine eigene kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit für das kollektive Arbeitsrecht.
(Quelle)
Die deutsche katholische Kirche bleibt also weiter auf protestantischen Pfaden. Im Widerspruch zum universellen Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche (can. 1286 CIC) wird weiterhin ein gewerkschaftsfeindliches eigenes Arbeitsrecht propagiert - und die im Katechismus (Nr. 2435) dokumentierte Glaubensvorgabe für katholische Mitarbeiter'Innen ausser Kraft gesetzt. Dass ein solches Streikverbot - wie das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat - unwirksam ist (weil das verfassungsrechtlich gewährleistete Koalitionsrecht beschränkt würde), schert die Bischöfe nicht im Geringsten.

Montag, 21. November 2022

Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) berät über kirchliches Arbeitsrecht

Wie wir bereits vor einigen Tagen angekündigt haben, berät die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) heute und morgen über die Entwicklung der Grundordnung als Basis eines eigenen, vom staatlichen Recht abweichenden "Kirchlichen Arbeitsrechts". Dass die katholische Kirche in Deutschland - entgegen can. 1286 CIC - Regelungsbefugnisse für ein eigenes Arbeitsrecht beansprucht, haben wir immer wieder beklagt. Und wir beklagen weiter, dass diese Normen entgegen den Vorgaben der eigenen Soziallehre - etwa zum Gewerkschaftsprinzip - stehen. Sie sind also "durch und durch unkatholisch".
Dennoch ist der Anspruch der Kirche erst durch die weltlichen Arbeitsgerichte "gestutzt" worden. Denn viele der Bestimmungen sind mit dem "für alle geltenden Gesetz" - etwa dem Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - unvereinbar. Das zeigt aber auch: erst durch Druck scheint sich die Kirche zu bewegen, von sich aus ist diese Kirche zu einer eigenständigen Reform wohl nicht in der Lage. Das schreibt nun so auch katholisch.de
... bislang verknüpft die Kirche das Angestelltenverhältnis mit bestimmten Pflichten, die weit über das hinausgehen, was ein normaler Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern verlangen kann.

So durften kirchliche Angestellte, gleich ob es sich um eine Ärztin oder um einen Kirchenmusiker handelt, noch bis vor wenigen Jahren nach einer Scheidung nicht wieder zivil heiraten. Das offene Zusammenleben mit gleichgeschlechtlichen Partnern war ebenfalls nicht gestattet – sofern das, wie es im derzeit noch gültigen kirchlichen Arbeitsrecht heißt, Anlass zu einem "erheblichen Ärgernis im beruflichen Wirkungskreis" gab. Denn dabei handelt es sich aus Sicht der Kirche um "schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen".

In Doppelmoral eingerichtet

Diese Auflagen führten dazu, dass sich viele kirchliche Angestellte in einer Doppelmoral einrichteten: Hier wurde eine homosexuelle Partnerschaft heimlich gelebt, da eine zweite Ehe nicht vor dem Standesamt beglaubigt. Und wenn es dann doch "herauskam", reagierte der kirchliche Arbeitgeber oft mit einer Kündigung. Etliche solcher Fälle landeten vor dem Arbeitsgericht, meist von kritischen Medienberichten begleitet. Und vor Gericht bekam die Kirche immer seltener Recht – insbesondere dann, wenn die Fälle bis vor europäische Instanzen gingen.
...
Die Reformbereitschaft "unter Druck" endet dann freilich auch, wenn der Druck nicht mehr als drückend empfunden wird. Die Kirche reformiert nur so weit, wie sie sich getrieben und gezwungen sieht. Und der Druck besteht derzeit beim persönlichen Intimleben der kirchlichen Mitarbeiter*Innen. Das ist auch die Erkenntnis von katholisch.de
Zwar stehen die Bischöfe unterschiedlich zur geplanten Lockerung, die einen begrüßen sie, andere finden sie problematisch. Aber einen "Flickenteppich" im kirchlichen Arbeitsrecht wollen offenbar die meisten vermeiden. Denn der würde dazu führen, dass etwa ein in zweiter Zivilehe lebender Arzt seinen Klinikjob im "sittenstrengen" Bistum A kündigt und ins "liberale" Bistum B wechselt.

Deshalb erwarten Beobachter, dass sich die Bischöfe bei ihrem Ständigen Rat am 21. und 22. November trotz aller Meinungsunterschiede zum Thema Sexualmoral doch auf eine einheitliche Grundordnung einigen, in der künftig das Liebesleben der kirchlichen Angestellten außen vor bleibt.
Die Bischöfe werden dann also auch nur die minimalen Reformen vorsehen, die von allen Bischöfen mit getragen werden können. Das kennen wir ja auch aus den Verhandlungen im "Dritten Weg". Verbesserungen bei den arbeitsvertraglichen Regelungen werden nur soweit akzeptiert, wie alle Vertreter der Arbeitgeberseite bereit sind, diese mit zu tragen und umzusetzen. Das viel beschworende "Mehrheitsprinzip" bei der Beschlussfassung gibt es erfahrungsgemäß nicht - weil sich alle Vertreter der Arbeitgeberseite regelmäßig zu einer gemeinsamen "Bankabstimmung" abstimmen. Dass da einmal ein Vertreter ausschert, kommt vor - ist aber eine Ausnahme, für die sich die jeweiligen Vertreter dann oft auch noch entschuldigen, nach dem Motto "mein Bischof hat mich leider ausdrücklich beauftragt" ... .

Weitere Meldungen:
Ver.di:
Chance nutzen

Domradio:
Liebesleben soll privat bleiben
Euphorie mit Einschränkungen
Radikale Reform oder kleine Korrektur?

Sonntag, 20. November 2022

Sonntagsnotizen - Gedanken zu Christkönig

Vielleicht verwundert es den einen oder anderen User, dass wir dem "Synodalen Weg" hier so wenig Aufmerksamkeit widmen. Tatsächlich - Auseinandersetzungen über Glaubenswahrheiten oder Sakramente sind theologische Fragen. Uns interessiert im Wesentlichen das Arbeitsrecht, wobei wir auch hinterfragen, ob so manche scheinbar theologisch begründete Anforderung wirklich eine theologische Grundlage hat. Daher werden Sie auch heute in unserem Blogbeitrag keine weiteren Ausführungen zum "Synodalen Weg" und dem Rapport-Besuch der Deutschen Bischöfe in Rom finden.

Stattdessen erlauben wir uns einen "Schlenker" zum heutigen Christkönigsfest.
1935 wurde das Reichssportfest auf den Sonntag nach Pfingsten (dem Dreifaltigkeitssonntag, den sogenannten Bekenntnissonntag) gelegt und den jungen Christen die Möglichkeit genommen, den Bekenntnissonntag zu feiern. Als Alternativtermin wählten sie deshalb das Christkönigsfest Ende Oktober. Dieser Termin hatte einen starken Symbolcharakter: mit ihrem deutlichen Bekenntnis zu Jesus Christus, dem König der Welt, erteilten sie dem Führerkult der Nationalsozialisten eine deutliche Absage.
(Quelle und mehr - klick)

Der Christkönigssonntag ist also gerade in Deutschland eine klare Absage an den Führerkult der Nationalsozialisten und ihre Ideologie, die sich in den Begriffen wie "Volksgemeinschaft", "Betriebsgemeinschaft" und "Dienstgemeinschaft" niederschlug. Stattdessen steht das Bekenntnis zur "Gemeinschaft der Kirche" und dem päpstlichen Lehramt, das sich etwa in den Sozialenzykliken ausdrückte. Umso trauriger ist es, dass sich die katholische Kirche in Deutschland den unselige Begriff der "Dienstgemeinschaft" zu eigen gemacht hat.
Wie das historisch erfolgte und einzuordnen ist, haben wir im Beitrag "Dienstgemeinschaft – Idee und Wirklichkeit" heraus gearbeitet. Und dabei nicht übersehen, dass diese Entscheidung - in Anlehnung an die evangelischen Kirchen - schon damals gegen ausdrückliche päpstliche Mahnungen erfolgte.

Darüber sollte man nachdenken.

Freitag, 18. November 2022

Entwurf der katholischen GRUNDORDNUNG FÜR DEN KIRCHLICHEN DIENST mit gewerkschaftlicher Stellungnahme

Am 21./22. November wird die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD), deren Mitglieder auch die 27 Ortsbischöfe als alleinige kirchliche Gesetzgeber sind, darüber entscheiden, ob es eine neue Grundordnung geben wird und - falls ja - inwieweit sich diese verändert. Der ver.di-Kirchenfachrats hat eine gewerkschaftliche Stellungnahme zum Entwurf dieser überarbeiteten katholischen Grundordnung erarbeitet.
Auf der Homepage von ver.di ist eine Kurzversion eingestellt. Die ausführliche Bewertung des ver.di-Kirchenfachrats inkl. Erläuterungen steht dort auch als PDF-Download zur Verfügung: https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/mein-arbeitsplatz/kirchliche-betriebe/++co++116ec17a-6685-11ed-a39e-001a4a160100

Siehe auch:
katholisch.de: Gewerkschaft ver.di sieht Grundordnungsreform als verpasste Chance

ERZBISTUM KÖLN: SOLIDARITÄT MIT HILDEGARD DAHM

openPetition hat zu Unterschriften an die Kirchenleitung mit dem Erzbischof eingeladen https://www.openpetition.de/petition/online/erzbistum-koeln-solidaritaet-mit-hildegard-dahm
Begründung:
Es darf keinerlei arbeitsrechtliche Sanktion gegen Frau Dahm geben. Zeuginnen und Wistleblower müssen durch die Öffentlichkeit vor unverhältnismäßigen Massnahmen geschützt werden.
Auch sollte der Erzbischof sein Amt ruhen lassen, wenn es staatsantwaltschaftliche Ermittllungen wegen des Anfangsverdachtes einer falschen eidesstattlichen Versicherung gegen ihn eingeleitet worden sind.

Donnerstag, 17. November 2022

Kirchliche Sonderregelungen abschaffen - Mitarbeitervertreter fordern mehr Mitbestimmung

berichtet katholisch.de unter der Überschrift
BUNDESREGIERUNG SOLLE KIRCHLICHE SONDERREGELUNGEN ABSCHAFFEN
und führt dazu aus:
KASSEL ‐ Weniger Mitbestimmmungsrechte, besondere Loyalitätspflichten, Kündigung bei Kirchenaustritt: Kirchliche Mitarbeitervertreter fordern ein Ende der arbeitsrechtlichen Sonderregelungen für die Kirchen in Deutschland.

Mitarbeitervertreter haben auf einer Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht die Bundesregierung zur Abschaffung der Sonderregelungen für die Kirchen aufgefordert. Frank Bsirske, Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen und früherer Bundesvorsitzender der DGB-Gewerkschaft ver.di, kündigte am Dienstag in Kassel vor rund 220 Tagungsteilnehmern an, dass die Bundesregierung im April über eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts beraten wolle. ...
Quelle und mehr: katholisch.de (klick)
ebenso berichtet das Domradio (Köln)

Mittwoch, 16. November 2022

Kircheninfo Nr. 40 erschienen

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

liebe Freundinnen und Freunde des ver.di-Kircheninfos,

wir freuen uns, mit euch gleich zwei Jubiläen feiern zu können: Das Kirchen.info Nr. 40 ist fertig und bereits online bzw. für Besteller*innen auch in Printform auf dem Weg in den Briefkasten. Sein aktueller Titel „Zeit, zusammen zu halten“ hält wieder spannende Informationen und Berichte über gewerkschaftliche und kirchenrechtliche Entwicklungen in konfessionellen Betrieben in dieser krisengeschüttelten Zeit für euch bereit. Hier gelangt ihr direkt zur PDF des Kirchen.infos und einer Auswahl online gestellten Artikeln der neuen Ausgabe: www.kircheninfo.verdi.de

Des Weiteren fand vom 14.-15. November die 20. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Kassel statt. Dieses Mal unter dem Motto: „Das kirchliche Arbeitsrecht abschaffen? – Was sonst? Dort forderten die 220 teilnehmenden Kolleg*innen aus Mitarbeitervertretungen das Ende der kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht. Sie überreichten eine Resolution an die Bundestagsabgeordneten Kaweh Mansoori (SPD) und Frank Bsirske (Bündnis90/Die Grünen), die zu einer Podiumsdiskussion eingeladen worden waren. Die Pressemitteilung und die Resolution der Fachtagung in Kassel findet ihr als PDF online hier: Kirchliche Privilegien beseitigen! – ver.di (verdi.de)

Im Namen der Redaktion Kirchen.info wünsche ich euch eine interessante Lektüre. Für Fragen oder Hinweise stehe ich euch gern zur Verfügung.

Solidarische Grüße

Mario Gembus
Gewerkschaftssekretär

ver.di Bundesverwaltung
Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft
Kirchen, Diakonie und Caritas
Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin

Telefon: 030 6956 -1049
Fax: 030 6956 -3420
Mail: mario.gembus@verdi.de
aus dem Inhalt z.B. "Engagement in kirchlichen Betrieben: Tarifrunde öffentlicher Dienst - Engagement auch aus kirchlichen Betrieben gefragt"
Sozial- und Erziehungsdienst - KiTA Beschäftigte streiken mit
Betriebsseelsorger*innen unterstützen Streik für Entlastung - »Wir stehen solidarisch an ihrer Seite«
Katholische "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" - Eine verpasste Chance?

Dienstag, 15. November 2022

Erzbistum Köln verbietet Solidaritätsbekundungen in E-Mail-Signatur

berichtete gestern katholisch.de
Das Erzbistum Köln hat Mitarbeitenden per Dienstanweisung untersagt, Solidaritätsbekundungen in die dienstliche E-Mail-Signatur zu übernehmen. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" am Dienstag berichtete, hatten zuvor Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erzbistums eine rote Linie und den Hashtag "#SolidaritätMitFrauDahm" in ihre Signatur aufgenommen. Damit wollten sie demnach Unterstützung für Hildegard Dahm bekunden, der das Erzbistum nach einem Interview arbeitsrechtliche Konsequenzen gedroht hatte. "Mit dieser Signatur möchte ich zeigen, dass für mich eine rote Linie im Erzbistum Köln überschritten wurde", heißt es in einem Vorschlag für einen Standard-Begleittext.
Auf Anfrage von katholisch.de am Dienstag verwies das Erzbistum auf die Dienst- und Geschäftsordnung des Generalvikariats. "Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 DGO müssen intern und extern verwendete E-Mail-Signaturen einem vorgegebenen Muster folgen und allein die Identität und Kontaktdaten des Absenders beinhalten." ...
Es kann durchaus möglich sein, dass das Erzbistum solche Signaturen verbieten kann. Wir möchten daher auf erprobte Solidaritätsbekundungen aus der gewerkschaftlichen Praxis verweisen.
So wäre es z.B. möglich, die "rote Linie" solidarisch durch ein entsprechendes Kleidungsstück zu symbolisieren. Ein roter Schal, ein rotes Hemd, roter Pullover - viele solche Kleidungsstücke finden sich in den Garderoben von vielen Mitarbeitenden. Und niemand kann den Mitarbeitenden verbieten, in entsprechender Kleidung zum Dienst zu erscheinen.
Meint jedenfalls
Erich Sczepanski

Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke warnt vor hohen Erwartungen an den am Montag begonnenen Vatikanbesuch der deutschen Bischöfe.

Das berichtete heute das Domradio unter der Überschrift "Auf dem Hinweg mutiger als auf dem Rückweg" - mit einer bemerkenswerten Aussage zum kirchlichen Arbeitsrecht
Zudem hätten sie bislang nicht umgesetzt, was sie aus ihrer eigenen Amtsgewalt heraus könnten, etwa eine Öffnung des kirchlichen Arbeitsrechts. Er sehe "keinen deutschen Bischof, der wirklich den Namen Reformbischof verdiente", erklärte Lüdecke.
dem ist nichts hinzuzufügen.

Anmerkung:
Der sogenannte "Ad-limina-Besuch" ist die kirchenrechtlich vorgeschriebene Verpflichtung der Bischöfe, in mehrjährigen Abständen den vatikanischen Ministerien (Dikasterien) und dem Papst persönlich Bericht zu erstatten.

Samstag, 12. November 2022

MAV des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln fordert Hinweisgebersystem, wie es die EU in ihrer Richtlinie 2019/1937 („Whistleblower-Richtlinie") vorgibt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit Befremden haben wir die Stellungnahme des Erzbistums bzw. die persönliche Einlassung seines Sprechers vom 09.11.2022 (pek221109-jkl) zur Kenntnis genommen.

Darin werden neben der Bestätigung des Sachverhaltes, dass aufgrund von Hinweisen einer ehemaligen Mitarbeiterin im Haus die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen eines Anfangsverdachts gegen unseren Erzbischof aufgenommen hat, Vorwürfe und Unterstellungen gegenüber dieser Kollegin erhoben, die schließlich in der Ankündigung gipfeln, arbeitsrechtliche Konsequenzen zu prüfen, die sich letztlich auch an uns alle richtet. Die öffentliche Ankündigung solcher Maßnahmen empfinden viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als einschüchternd und bedrängend.

Die MAV-EGV tritt entschieden für das Recht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, Missstände bzw. Missbräuche offen und frei zu benennen, zumal wenn dies nicht in geeigneter Form intern möglich ist. Die vorliegende Stellungnahme führt bei vielen Mitarbeitenden zu Angst, Unsicherheit und Empörung, sodass in der Folge kein angstfreier Umgang und keine offene Kommunikation möglich erscheint.

Sie beweist vielmehr die Dringlichkeit der Einführung eines Hinweisgebersystems, wie es die EU in ihrer Richtlinie 2019/1937 („Whistleblower-Richtlinie") fordert. Dazu ist die Kirche nicht nur verpflichtet, sie wäre auch gut beraten, hier zügig voranzugehen – im Dienste eines vertrauensvollen und freien Umgangs miteinander und in der Hoffnung, verlorengegangene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen.

Ihre MAV EGV
Quelle: Facebook vom 11.11.2022

Anmerkung:

Donnerstag, 10. November 2022

Tarifregelungen in der Pflege: ver.di kritisiert geschichtsvergessene Wortwahl des Dienstgeberverbandes der Caritas

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert den Dienstgeberverband der Caritas, der in einer Pressemitteilung von einer „Gleichschaltung der Tariflandschaft anhand einer Allgemeinverbindlicherklärung“ gesprochen hatte, auf das Schärfste. „Der Begriff der Gleichschaltung wurde in der Zeit des Nationalsozialismus geprägt und bezeichnet die erzwungene Vereinheitlichung des gesamten politischen Lebens. Ihn in Zusammenhang mit Tarifregelungen in der Pflege zu verwenden, ist völlig inakzeptabel, und wir erwarten eine öffentliche Erklärung der Caritas dazu“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Angesichts des heutigen Gedenktages an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 mache es sprachlos, dass sich die Dienstgeber der Caritas eins rhetorischen Mittels bedienten, das von offensichtlicher Geschichtsvergessenheit zeuge.

Der jahrelange Prozess hin zu einer tariflichen Lösung für die stationäre und ambulante Pflege habe durch die Arbeitgebervertreter der Caritas einen herben Rückschlag erlitten, so Bühler weiter. Dass davon abgelenkt werden solle, sei nachvollziehbar, rechtfertige aber nicht die Verwendung inakzeptabler Begriffe. „Die weiterhin ablehnende Haltung der Caritas zu einer Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages in der Pflege ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten.“ Das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz sei dazu keine Alternative, und es schaffe auch keine Tarifbindung. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag würde hingegen Untergrenzen definieren und den Tarifvertragsparteien darüber hinaus ausreichend Spielraum für weitere Regelungen lassen.

Weitere Informationen und Link zum Offenen Brief an die Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas:

https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/mein-arbeitsplatz/altenpflege/++co++897d6c2a-602c-11ed-936e-001a4a160100 

Quelle: Ver.di-Pressemitteilung vom 9.11.2022


(Zur Erinnerung: praktisch alle namhaften katholischen Sozialethiker hatten sich in einer "Sozialethischen Stellungnahme zur Weigerung der Caritas, einem einheitlichen Tarifvertrag Altenpflege zuzustimmen" im März 2021 positioniert: 

Sozialethische Stellungnahme zur Weigerung der Caritas...)



Mittwoch, 9. November 2022

Kirchliche Zusatzversorgungskassen gut aufgestellt

bestätigte Berlins Finanzdirektor anlässlich einer Festveranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum kommunaler Zusatzversorgungskassen des ÖD (wo mit einem tarifvertraglich geregelten und an Kapitaldeckung orientierten Punktemodell die Berechnung des Umlagesatzes auf 100 Jahre Deckungsabschnitt kalkuliert wird.)in Ostdeutschland. An der Tagung nahm unter anderem auch Ulrich Mitzlaff AKA und KZVK Köln, teil:
Bernd Jünemann, Finanzdirektor des Erzbistums Berlin, sieht die kirchlichen Kassen von ihrer Struktur mit weitgehender Kapitaldeckung gut für die Zukunft aufgestellt.
Quelle: Pressebericht „Never change a running System“

dbb-Tarifvorstand Geyer (Kein gutes Modell für die Zukunft sei jedoch die reine Beitragszusage) und Verdi-Tarifexperte Norbert Flach erteilten Wünschen nach einer Beschränkung der Zusage auf Betriebesrente eine klare Absage:
„Eine Garantie ist immer nötig“. Die Bayerische ZVK sei mit ihrem Hybridmodell *) sehr erfolgreich. Da brauche es kein „pay and forget“ und auch keine „Kapitalanlage rein in Aktien“, so Flach mit Blick auf den geplanten Aktien-Kapitalstock in der GRV.
.

*)
Das "Hybridmodell" der bayerischen ZVK zeichnet sich insbesondere durch eine Mischfinanzierung aus - Kapitaldeckung und Umlage ergänzen sich so, dass die ZVK nicht von den Erschütterungen und Zufälligkeiten der Finanzmärkte abhängig ist. Wie sich die Orientierung auf die Kapitaldeckung auswirkt, haben wir unter dem Stichwort "Caritas Pensionskasse" im Blog dokumentiert.

Dass gelegentlich auftretende Problemchen einzelner Kassen gemeinsam partnerschaftlich gelöst werden können, haben ver.di und kommunale Arbeitgeber im Übrigen anlässlich der letzten Verwaltungsratssitzung am 20. Oktober in Neustadt an der Weinstraße gezeigt.

Dienstag, 1. November 2022

Drei Jahre VDD Verbandsrat

Nach der Reform des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) zum 1. November 2019 ist der neu geschaffene Verbandsrat ein auf Partizipation ausgerichtetes, zentrales Beratungs- und Entscheidungsorgan installiert, das mindestens drei Mal im Jahr tagen soll.
...
Nach seiner Konstituierung im Frühjahr 2020 wird sich der Verbandsrat mit grundsätzlichen Fragen und Herausforderungen der katholischen Kirche in Deutschland befassen müssen.
Hierzu zählen unter anderem
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  • Klärung, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Kirche in Deutschland die grundgesetzlich zugestandenen Autonomiebereiche eigenständig ausfüllen kann und will (etwa im Bereich des Arbeits- und Datenschutzrechts).
Es ist schon erstaunlich - nach Jahren bzw. nach Jahrzehnten der kirchlichen Rechtsetzung setzt sich der VDD nun erst einmal mit den Fragen auseinander, inwieweit kirchliche Autonomiebereiche etwa im Bereich des Arbeits- und Datenschutzrechts bestehen, und ob es überhaupt kirchliches Interesse ist, diese Autonomiebereich auch auszuschöpfen (wann war jetzt gleich wieder die Freiburger Rede zur "Entweltlichung"?)
Die Zusammensetzung des Verbandsrates vom 1. November 2019 bis zum 31. Oktober 2022 ist von der Vollversammlung des VDD beschlossen worden.
...
  • Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), Vorsitzender der Vollversammlung seit 3. März 2020
  • Kardinal Reinhard Marx (München und Freising)
  • Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln)
  • Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg)
  • Bischof Dr. Franz Jung (Würzburg), Vorsitzender des Verbandsrates (seit 25. Juni 2020)
  •  Bischof Dr. Felix Genn (Münster)
  •  Bischof Dr. Ulrich Neymeyr (Erfurt)
  •  Generalvikar Dr. Roland Batz (Regensburg)
  •  Generalvikar Alfons Hardt (Paderborn)
  •  Generalvikar P. Manfred Kollig SSCC (Berlin)
  •  Generalvikar Klaus Pfeffer (Essen)
  •  Generalvikar Dr. Clemens Stroppel (Rottenburg-Stuttgart)
  •  Generalvikar Andreas Sturm (Speyer)
  •  Finanzdirektorin Kirsten Straus (Trier)
  •  Finanzdirektor Dr. Josef Sonnleitner (Passau)
  •  Finanzdirektor Gerhard Stanke (Fulda)
  •  Prof. Dr. Thomas Sternberg (Zentralkomitee der deutschen Katholiken)
  •  Hildegard Müller (stellvertretende Vorsitzende des Verbandsrates seit 25. Juni 2020, Zentralkomitee der deutschen Katholiken) (beratend)
  •  Dr. Beate Gilles (Geschäftsführerin des VDD) (beratend)
  •  Dr. Matthias Meyer (stellv. Geschäftsführer des VDD und Leiter der Geschäftsstelle)
Quellen: Deutsche Bischofskonferenz

Erst einmal: Klasse - da entscheiden die Generalvikare und Bischöfe (also die Arbeitgeber) darüber, ob es weiterhin in "kirchlichem" Interesse liegt, gewerkschaftliche Betätigungen in den eigenen Einrichtungen zu blockieren.
Toll - sowas wünscht sich jeder Arbeitgeber.

Nach nunmehr drei Jahren sollte der Verbandsrat zumindest eine Klärung erreicht haben, inwieweit dem "zugestandenen Autonomiebereich" Grenzen gesetzt sind, und wo kirchliche Regelungen diese Schranken überschreiten. Es ist nicht "Fünf nach zwölf" - es ist schon deutlich später. Und anscheinend wurde der Weckruf von den Beteiligten über lange Jahre hin nicht gehört.