Mittwoch, 6. Mai 2015

Kein großer Wurf zum kirchlichen Arbeitsrecht

mit dieser Überschrift ist von ver.di die EKD-Denkschrift zur Arbeitswelt beurteilt worden. Mit der gleichen Überschrift möchten wir die gestern veröffentlichte Pressemeldung Nr. 072 der DBK mit der neu gefassten Grundordnung sowie der neuen Rahmen-KODA-Ordnung beurteilen.

Warum?
Nun - lassen Sie uns erst einmal die Änderungen der Grundordnung analysieren, die sich nach der gestern von uns wiedergegebenen Pressemeldung der DBK vom 05.05.2015 (die beiden neuen Ordnungen hatten wir auch schon verlinkt) und Medienveröffentlichungen im Wesentlichen auf den Umgang mit Loyalitätsverstößen und die Einbindung von Koalitionen (Gewerkschaften) erstrecken sollen:

zur Grundordnung:
Wesentliche Änderung soll nach der Pressemeldung der Umgang mit Loyalitätsverstößen sein. Der entsprechende Artikel 5 der Grundordnung wurde neu gefasst. Nun wird differenziert zwischen schwerwiegenden Verstößen, die von "allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" begangen werden könnten (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 GrO n.F.) und darüber hinaus von solchen Verstößen, die von "katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" begangen werden.
Der Abschluss einer "kirchenrechtlich unzulässigen Zivilehe" (Wiederheirat nach Scheidung) ist für Katholiken nach wie vor ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß. Bisher war in diesen Fällen eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen, "wenn sie (die Ehe) unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird." (Art. 6 Abs. 5 UAbs. 2 GrO a.F.). Künftig soll eine Kündigung möglich sein, "wenn diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen." (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c GrO n.F.).
Dass eine solche Beeinträchtigung vorliegt, wird "bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet." Dann aber kommt nach Art. 5 Abs. 3 der GrO (n.F.) die Kündigung nach wie vor in Betracht. Und sie ist bei dem vorgenannten Mitarbeiterkreis mit "besonderen Aufgaben" sogar ein regelmäßiger Kündigungsgrund - von einer Kündigung kann in diesen Fällen nur "ausnahmsweise abgesehen werden". Das war bisher in Art. 5 Abs. 3 GrO (a.F.) genauso geregelt.
Nur alter Wein in neuen Schläuchen? Oder wird die Guillotine durch das Damoklesschwert ersetzt?


Nicht ganz, denn das Eingehen einer "eingetragenen Lebenspartnerschaft" ist nun auch nur noch für Katholiken ein Kündigungsgrund (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d) GrO n.F.). Bisher war dies - wie die zivilrechtliche Eheschließung - für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "gleich ob sie der katholischen Kirche angehören oder nicht" ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung nach sich ziehen konnte - aber nicht zwingend erfolgen musste.
Die DBK nimmt hier eine Vorgabe auf, die schon im Art. 1 des Reichskonkordats *) enthalten und durch Urteil des BVerfG v. 14.12.1965 (1 BvR 413/60) bekräftigt sind. **) Die bisherigen Regelungen (insbesondere zur „Lebenspartnerschaft“) für nichtkatholische Mitarbeiter waren vor diesem Hintergrund rechtlich angreifbar.
Im Endeffekt gehen die Bischöfe mit dieser Regelung aber ein neues Risiko sein. Denn objektiv betrachtet stellt die neue Regelung für katholische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Benachteiligung wegen deren Glaubens dar. Sie könnte also gegen das Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen verstoßen, das auch europäisches Recht ist.
Um eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten – was in Landshut rechts der Isar kein zur Kündigung führender Loyalitätsverstoß ist, dürfte in Landshut links der Isar nicht anders bewertet werden – haben die Bischöfe in Art. 5 Abs. 4 der GrO (n.F.) nun eine zentrale Stelle vorgesehen, bei der sich kirchliche Dienstgeber vergewissern sollen, ob eine aus Loyalitätsverstößen beabsichtigte Kündigung auch in anderen Bistümern zu einer Kündigung führen würde.


Neu geregelt wird in Artikel 6 GrO (n.F.) das Koalitionsrecht. Bisher war es in Anlehnung an das Grundrecht des Grundgesetzes allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erlaubt, sich in Koalitionen (Gewerkschaften) zu betätigen, für diese zu werben, über deren Aufgaben und Tätigkeiten zu informieren sowie Koalitionsmitglieder zu betreuen.
Mit der Neufassung wird auch der Koalition selbst und ausdrücklich auch deren Beschäftigten das Recht zugestanden, diese Aufgaben innerhalb der kirchlichen Einrichtung auszuüben.
Darüber hinaus wird „die Mitwirkung von tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges gewährleistet."
Im Kirchenbereich tätige Vertreter der Koalition müssen aber „das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zur Gestaltung der sozialen Ordnung ihres Dienstes achten und die Eigenart des kirchlichen Dienstes respektieren.“
Was darunter zu verstehen ist, bestimmen natürlich die Kirchen selbst. Mit anderen Worten – ein Gewerkschaftsvertreter, der in einer kirchlichen Einrichtung tätig werden will, muss nicht nur eine ausgesprochene „Beißhemmung“ haben sondern für seine Tätigkeit auch noch einen „Maulkorb“ anlegen. Dermaßen „weichgespülte“ Gewerkschaftsvertreter dürfen dann in der Einrichtung oder einer arbeitsrechtlichen Kommission tätig werden.

Nur noch eine Randnotiz ist dann, dass die Bischöfe in Artikel 7 Abs. 1 GrO (n.F.) immer noch ein „verfassungsmäßig gewährleistetes Reicht, ein eigenes Arbeitsrechtsregelungsverfahren zu schaffen“ beanspruchen.
Ein solches Recht besteht mitnichten. Die Kirchen können sich vielmehr – wie alle Arbeitgeber – „auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung." (BVerfG Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Juni 1985, -- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 --). Beim Abschluss von Arbeitsverträgen - nicht nur mit Arbeitnehmern, die nicht der katholischen Kirche angehören - handelt es sich also mitnichten um eine eigene, kircheninterne Angelegenheit. Die Kirchen können natürlich anstelle von Tarifverträgen nach dem Tarifvertragsgesetz auch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ als Arbeitsvertragsgrundlage festlegen. Das tun sie mit den arbeitsrechtlichen Kommissionen – und das kann jeder andere Arbeitgeber auch.
Und die Kirchen müssen in diesem Fall – wie jeder andere Arbeitgeber auch – damit rechnen, dass die Mitglieder der Gewerkschaften in einen „Erzwingungsstreik“ treten, um den entsprechenden Arbeitgeber zum Abschluss eines Tarifvertrages zu zwingen. Das ist unmittelbare Auswirkung des verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsrechts, das als Grundrecht auch für kirchliche Mitarbeiter gilt – und das Bekenntnis zum Tarifvertrag ist im Übrigen auch Aussage des päpstlichen Lehramts (Mater et magistra).


*)
Art. 1 Reichskonkordat:
„Das Deutsche Reich (Rechtsnachfolgerin ist die Bundesrepublik Deutschland) anerkennt das Recht der katholischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ihre Angelegenheiten selbständig und zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen.“
Die Regelungen des Reichskonkordats gelten als völkerrechtliche Verträge im Rang eines Bundesgesetzes nach wie vor und sind nach c. 3 CIC auch gegenüber kirchlichen Normen vorrangig.

´**)
Urt. des BVerG v.14.12.1965 (1 BvR 413/60):
„Das Grundgesetz verbietet dem Staat einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören.“




zur Rahmen-KODA-Ordnung:
Die Kirchen beanspruchen nicht nur (rechtsirrig) ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht, ein eigenes Arbeitsrecht zu schaffen, sondern beanspruchen zugleich und immer noch ein Streikverbot für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Art. 7 Abs. 2 GrO n.F.).

Mit seiner Entscheidung vom 20.11.2012 - 1 AZR 179/11 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein absolutes Streikverbot als unzulässig betrachtet. Ein solches Verbot soll nach dem BAG nur zulässig sein, wenn den Gewerkschaften eine „koalitionsmäßige Betätigung“ in den arbeitsrechtlichen Kommissionen (Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts - KODA) der Kirchen möglich sei.

In § 9 der Rahmen-KODA-Ordnung wird nun nach dem Motto „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ ein Entsendungsrecht von Gewerkschaften konzipiert, das im Ergebnis lediglich eine körperliche Anwesenheit von Gewerkschaftsvertretern, diesen aber keinen nennenswerten Einfluss ermöglicht.
Auch hier (Abs. 5) wird wie in Art. 6 Abs. 4 GrO (n.F.) verlangt, dass nur „weichgespülte“ Vertreter der Koalition tätig werden. Mit anderen Worten: die Gewerkschaften sollen die Ergebnisse der arbeitsrechtlichen Kommissionen mit verantworten (und damit die Kommissionen einerseits als Tarifparteien aufwerten und andererseits auf das Streikrecht verzichten), ohne auf deren Entstehung nennenswerten Einfluss zu haben.

Hierzu gibt es zwei kurze und prägnante Anmerkungen:
1. eine koalitionsmäßige Betätigung ist mit diesen Vorgaben nicht gewährleistet, und
2. der Gewerkschaft ver.di geht es nicht um irgendwelche Sitze in irgendwelchen Kommissionen. Der Gewerkschaft geht es darum, den Lohnkostenwettbewerb in der Sozialbranche zu beenden. Dabei kommt es nicht auf eine Mitberatungsmöglichkeit in einer Kommission an. Die erkennbar beste Möglichkeit dazu ist der Abschluss von allgemein verbindlichen Tarifverträgen. Dieser Chance verweigern sich die Bischöfe – entgegen der katholischen Soziallehre – nach wie vor (Art. 7 Abs. 2 GrO). Sie nehmen also den Lohnkostenwettbewerb und die damit einhergehenden prekären Arbeitsverhältnisse billigend in Kauf.




Zusammenfassung:
Für nichtkatholische Beschäftigte enthält die Neufassung der Grundordnung tatsächlich deutliche Erleichterungen bei den Loyalitätsanforderungen. Für Katholiken ändert sich dagegen relativ wenig, die bisherigen Regelungen sind neu formuliert - aber wesentliche materielle Änderungen sind nicht erkennbar.
Auch die Beteiligungsmöglichkeiten von Koalitionen nach GrO und Rahmen-KODA-Ordnung bleiben weit hinter den Erwartungen - und der Erforderlichkeit sowie den Vorgaben der eigenen Soziallehre - zurück.
Deuschlands Bischöfe waren schon bisher schlecht beraten - und haben offenbar ihre Berater nicht gewechselt.

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