In seiner Predigt anlässlich der sonntäglichen Messfreier in Brüssel hat Papst Franziskus mehrere klare "Ansagen gemacht", die auch für die Kirche in Deutschland von Bedeutung sein können. Der gesamte Text der Predigt ist
von VaticanNews hier dokumentiert. Wir können uns daher auf zwei Punkte konzentrieren:
...Der Egoismus ist, wie alles, was die Liebe verhindert, ein „Ärgernis“, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde der Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt (vgl. Ps 9,13). Das galt zur Zeit des heiligen Paulus genauso wie für uns heute. Wenn man dem Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften allein die Prinzipien des Eigennutzes und allein die Gesetzmäßigkeiten des Marktes zugrundelegt (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 54-58), entsteht eine Welt, in der es keinen Platz mehr gibt für die, die in Schwierigkeiten sind, keine Barmherzigkeit für die, die Fehler machen, kein Mitgefühl für die, die leiden und nicht zurechtkommen...
mit
"Gesetzen des Marktes" müssen wir auch die sogenannten "caritativen Einrichtungen" der Kirchen ansprechen, die heute eben nicht mehr caritativ - also selbstlos - tätig sind, sondern ihre Leistungen "auf dem Markt anbieten" und sich den Marktmechanismen unterwerfen.
In einem anschließend folgenden Teil führte der Papst dann auch aus:
Das Wort Gottes ist eindeutig: Es sagt, dass man die „Klagerufe der Erntearbeiter“ und den „Schrei der Armen“ nicht ignorieren darf, nicht auslöschen kann, als wären sie ein falscher Ton im perfekten Konzert der Welt des Wohlstands. Auch können sie nicht gedämpft werden durch Formen einer oberflächlichen Scheinwohltätigkeit.
...
Wenn wir für die Zukunft säen wollen, auch auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene, dann wird es gut sein, das Evangelium der Barmherzigkeit wieder zur Grundlage unserer Entscheidungen zu machen. ...
Die zweite Zitierung müssen wir einem Thema widmen, das auch die deutsche Kirche erschüttert. Der Papst meinte:
Denken wir an das, was passiert, wenn kleine Kinder von denen, die sich um sie kümmern sollten, skandalisiert, verletzt, missbraucht werden, an die Wunden des Schmerzes und der Hilflosigkeit vor allem bei den Opfern, aber auch in ihren Familien und in der Gemeinschaft. Mit meinem Geist und meinem Herzen gehe ich zurück zu den Geschichten einiger dieser Kleinen, die ich vorgestern getroffen habe. Ich habe ihnen zugehört, ich habe ihr Leid als Misshandelte gespürt, und ich wiederhole es hier: In der Kirche ist Platz für alle, für jeden, aber jeder wird verurteilt werden, und es gibt keinen Platz für Missbrauch, keinen Platz für das Vertuschen von Missbrauch! Ich bitte alle: Vertuscht keinen Missbrauch! Ich bitte die Bischöfe: Vertuschen Sie den Missbrauch nicht! Verurteilen Sie die Missbrauchstäter und helfen Sie ihnen, sich von der Krankheit des Missbrauchs zu heilen. Das Böse kann nicht versteckt werden: Das Böse muss an die Öffentlichkeit gebracht werden, es muss bekannt werden, wie es einige Missbrauchsopfer getan haben, und zwar mit Mut. Es muss bekanntwerden! Und der Missbrauchstäter muss verurteilt werden. Der Missbrauchstäter muss verurteilt werden, ob Laie, Priester oder Bischof: er muss verurteilt werden!
Wir möchten uns hier nicht auf das Thema "Missbrauch" fokussieren. Wir meinen aber,nciht nur die Vertuschung von Missbrauch, sondern auch von anderen von Fehlern, von Skandalen und Unzulänglichkeiten - das alles hat eine gemeinsame Ursache. Kirche soll "gut dastehen" - sie wird aber von Menschen repräsentiert, die Fehler machen und sich einfach irren können. "Erare humanum est", wie es so schön heißt.
Und einer der dauerhaftesten und fortwirkenden Skandale (vgl. Würzburger Synode) unserer Kirche ist, dass diese Kirche, die doch so für die Schwächeren in der Gesellschaft einsetzen soll - dass diese Kirche entscheidend und fortwirkend dazu beiträgt, dass es beispielsweise Armuts- bzw. Dumpinglöhne in der Altenpflege gibt. Auch das ist Missbrauch, und zwar der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, der den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden und ihren Mitgliedsunternehmen zugewachsen ist. Solange sich die kirchlichen Wohlfahrtsverbände allgemein verbindlichen Tarifverträgen verweigern, solange tragen sie Mitschuld. Und solange sind die Kirchen unglaubwürdig in und mit ihren Appellen. Und solange wird sich die Kirche sehr schwer tun, die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer für sich zu gewinnen.