Samstag, 19. Februar 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer Kirche (7)

mit einer kleinen Pause blicken wir wieder auf ein Thema, das uns wohl noch einige Zeit beschäftigen wird. Unsere Kirche befinde sich wohl in der Zerreißprobe zwischen Beharrungskräften und Reformeifer.

Redakteur Jens Joest von "Kirche und Leben" bestätigt die Dringlichkeit einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechts
"weil Nichtstun viele Menschen vorsätzlich verletzen würde"
(Quelle: Kirche und leben online).
Inzwischen haben auch Limburg (Quelle) und Trier (Quelle) offiziell erklärt, keine Konsequenzen wegen der persönlichen sexuellen Orientierung der MitarbeiterInnen vornehmem zu wollen.
Leider dreht sich die wesentliche innerkirchliche Diskussion (immer noch) "nur" um die bis in die intime persönliche Lebensführung reichenden Loyalitätspflichten, die ohnehin nicht mehr gerichtsfest sind. Seit wann ist das Schlafzimmer der MitarbeiterInnen von kirchlichen Einrichtungen auch eine kircheninterne "eigene" Angelegenheit, das der "Selbstordnung" (wo stehen die Betten) und "Selbstverwaltung" (welche Farbe hat das Laken) der Kirche unterliegt?
Bemerkenswert am Rande - die Loyalitätspflichten bewegen sich um die ganz persönliche intime Frage der Sexualität. Anscheinend ist dieses sehr persönliche Thema einen ganzen moralisierenden Wertekanon bis hin zur Kündigungsdrohung ("Wiederverheiratet", "Lebenspartnerschaft") Wert gewesen. Andere - z.T. sehr verwerfliche - Handlungen wie etwa die Zahlung ungerechter Löhne oder die Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern sowie überhöhte Ausgaben und Verschwendung (7. Gebot - Katechismus 2409, 2436) bis hin zu Totschlag und Mord (5. Gebot) sind dagegen ohne jede arbeitsrechtliche Sanktionsvorgaben. Ist das so, weil die Verstöße gegen das 7. Gebot besonders vom "Führungspersonal" begangen werden könnten?

Wenn man genauer hinschaut, dann haben die Beharrungskräfte - meist etwas verklausuliert - Angst vor einer Änderung, die dem Führungspersonal die Einlfußnahme beschränkt und damit "Macht entzieht". Das gilt im Bereich des gesamten kirchlichen Arbeitsrecht (vgl. Grundordnung) - von den Loyalitätspflichten über die innerbetriebliche Mitbestimmung bis hin zur Weigerung, mit den Gewerkschafen (III. Weg) zu kooperieren .
Schließlich behalten die Bischöfe auch bei den Regelungen des III. Weges die Letztentscheidung über die Inkraftsetzung von Beschlüssen der einschlägigen Kommissionen, deren "Arbeitgeberseite" i.d.R. wieder von den Bischöfen besetzt wird. Eine doppelte und dreifache Sicherung, wenn man das (nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unwirksame) Streikverbot noch hinzunimmt.
Dabei steht letzteres im Widerspruch zum universellen Kirchenrecht (c. 1286 1° CIC9, dem päpstlichen Lehramt (in Form der einschlägigen Sozialenzykliken) und auch dem Katechismus. Und es ist eine unbegründete, unsinnige Furcht - denn genauso wie den Mitgliedern der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften (Tarifkommission) kann den Bischöfen die Entscheidung über die Annahme einer tarifvertraglichen Vereinbarung eingeräumt werden - die dann auch zur tarifvertraglichen Friedenspflicht führen würde.
Ursächlich scheint eine "klerikale Machtmentalität" in der Kirche, die Kurienkardin Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation, in seinem Eingangsstatement zu Beginn eines Kongresses über das "Priestertum in der Krise" heftig kritisierte (Quelle).
Aufgabe des bis Samstag dauernden Symposiums ist es laut Ouellet, das allgemeine Priestertum aller getauften Christen und das besondere der ordinierten wieder in ein richtiges Verhältnis zu setzen. Durch seine Abgrenzung von der protestantischen Reformation habe das katholische Lehramt das Sakrament der Priesterweihe überbetont.

Damit habe die römisch-katholische Kirche "eine klerikale Machtmentalität und Haltung übermäßiger Kontrolle der Kleriker über die gesamte kirchliche Gemeinschaft gebilligt". Bei der von Franziskus angestoßenen Weltsynode gehe es daher auch hier um "ein neues Gleichgewicht".

Nun, die Weltsynode brauchen wir nicht, um die weltweit einmaligen Eigenheiten der deutschen Kirche im Bereich des Arbeitsrechts abzuschaffen. Das kann sehr schnell gehen. Die Orden päpstlichen Rechts sind ohnehin nicht an die Grundordnung gebunden. Die kircheneigenen Einrichtungen, die ihre Leistungen "im Markt" anbieten - und daher gewerblich (und nicht uneigennützig ohne Absicht der Gewinnerzielung) operieren - unterliegen ohnehin dem weltlichen Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsrecht. Und wenn ein Caritasverband beschließt, die Anwendung der Grundordnung auszusetzen (was ja viele Generalvikare fordern und einige Bischöfe ohnehin erklärt haben), und stattdessen das o.g. universelle Kirchenrecht zur Anwendung zu bringen ... kann das auch kein Kündigungsgrund gegenüber den Mitgliedern des Verbandes und seiner Ausführungsorgane sein.

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