Donnerstag, 2. Dezember 2021

Im Kalender ROT ANSTREICHEN

das kirchenspezifische zuerst:
Zentral-KODA: sachgrundlose Befristung wird eingeschränkt
teilt uns ein Kollege aus der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas mit, und weiter:
Die Mitarbeiterseite der Zentral-KODA hatte im Jahr 2017 einen Antrag auf Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bei Arbeitsverhältnissen von Caritas und verfasster Kirche gestellt.

Es folgten Studientag, Ausschussberatung, Diskussionen … und letztendlich die Ablehnung im Plenum der Zentral-KODA.

Daraufhin rief die Mitarbeiterseite den Vermittlungsausschuss unter Vorsitz der beiden Bundesarbeitsrichter i.R. Christoph Schmitz-Scholemann und Klaus Bepler an. Der Vermittlungsausschuss fasste im Jahr 2019 einstimmig folgenden Beschluss:
„Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen ohne Sachgrund für die Dauer von bis zu 14 Monaten abgeschlossen werden. Bis zu dieser Gesamtdauer von 14 Monaten ist eine einmalige Fristverlängerung statthaft.“

Ein typischer Kompromiss: Wir wollten die Abschaffung, die Dienstgeberseite wollte weiterhin die im Teilzeit- und Befristungsgesetz getroffene Regelung (2 Jahre mit dreimaliger Verlängerung) beibehalten.

Unmittelbar nach der einstimmigen Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses beklagte die Dienstgeberseite die Zentral-KODA und bezweifelte deren Beschlusskompetenz für diese Regelung. Zunächst 2020 vor dem Interdiözesanen Arbeitsgericht NRW, dann jetzt, am Freitag, 26. November 2021, vor dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshof (KAGH) in Bonn wurde von den Gerichten die Regelungskompetenz für die Zentral-KODA bestätigt.

Das bedeutet: Der Beschluss (des Vermittlungsausschusses) der Zentral-KODA zur Eindämmung der sachgrundlosen Befristung ist rechtmäßig und muss jetzt den Diözesanbischöfen zur Inkraftsetzung zugeleitet werden.

(Unsere (d.h. die des berichtenden AK-Mitgliedes) Rechtsauffassung ist, dass dieser Beschluss ab dem 26.11.21 gültig ist – und nicht erst ab Inkraftsetzung *).)
Sachgrundlose Befristungen bei Caritas und verfasster Kirche sind somit künftig nur noch für die Dauer von maximal 14 Monaten bei höchstens einmaliger Verlängerung zulässig.

Ein toller Erfolg…
in der Sache (die Eindämmung sachgrundloser Befristungen ist längst überfällig),
in der Zuständigkeit der Zentral-KODA (die Dienstgeberseite versuchen seit Jahren die Zuständigkeit der Zentral-KODA einzuschränken)
und auch als politisches Signal (nach der Ernüchterung, dass im vorgelegten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung die Einschränkung der sachgrundlosen Befristung nicht mehr als politisches Thema erwähnt wird).
ein toller Erfolg - auch weil nun (soweit ersichtlich erstmals?) eine Beschlussfassung vorliegt, die besser ist als die gesetzliche (Mindest-)Regelung (hier: § 14 Abs. 2 TzBfG) und nicht auf einer tarifvertraglichen Grundlage im öffentlichen Dienst aufbaut. Deshalb: "ROT ANSTREICHEN"

*) Lasst uns bitte etwas Wasser in den Wein gießen:
Artikel 7 Abs. 1 Satz 3 der "Grundordnung" ist eindeutig:
3 Die Beschlüsse dieser arbeitsrechtlichen Kommissionen bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung für die jeweilige (Erz-)Diözese.
Und so dürfte das auch in allen Arbeitsverträgen vereinbart sein, die auf Regelungen aus dem "Dritten Weg" verweisen. Erst die bischöfliche Inkraftsetzung (kirchenrechtlich: Promulgation) macht ein Kirchengesetz zu einem Gesetz. Wie eine solche Rechtsetzung erfolgt, ist global in cc. 7 ff des "Codex Iuris Canonici" (CIC) festgeschrieben.
Partikulare Gesetz werden auf die vom Gesetzgeber bestimmte Weise (Veröffentlichung im diözesanen Amtsblatt) promulgiert, und ihre Verpflichtungskraft beginnt einen Monat nach dem Tag der Promulgation, wenn nicht ein anderer Termin im Gesetz selbst festgesetzt wird.
Can. 8 § 2 CIC
Erst mit dieser Rechtsetzung wird eine Norm rechtswirksam. Erst damit - und nicht rückwirkend (Can. 9 CIC) - sind die dem jeweiligen Bischof unterstehenden Einrichtungen verpflichtet (Can 11 CIC), die entsprechende Norm auch anzuwenden. Und was jetzt, wenn eine solche bischöfliche Inkraftsetzung nicht erfolgt?

Und noch zwei Dinge zum "ROT ANSTREICHEN" und "VORMERKEN":
Der Pflegenotstand in Deutschland wird nach neuen Hochrechnungen brisanter als bislang angenommen - keine schöne Nachricht, die Prof. Dr. Sell ausgerechnet am 1. Advent in seinem Blog verbreitet.
Bis zum Jahr 2030 sollen bei konservativen Annahmen mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, auch weil es mit dann insgesamt rund sechs Millionen Pflegebedürftigen über eine Million Betroffene mehr geben wird als bisher angenommen. ... Die Pflege in den Krankenhäusern ist hier nicht berücksichtigt.
Eine tolle Aussicht, die an das Drama um die Verweigerung eines allgemein verbindlichen Mindestlohnes durch die Caritas-Arbeitgeber in der Altenpflege erinnert. Schön, dass ver.di wenigstens eine hohe steuerfreie Corona-Prämie bei den Ländern durchgesetzt hat (wir berichteten am Montag). 

Da ist es ja für die Kirchen gut, dass die EKD-Synodale Kerstin Griese in den Koaltionsverhandlungen offensichtlich die kirchlichen Interessen vertreten hat:
Kerstin Griese ist froh, dass sich in den Koalitionsverhandlungen beim Thema kirchliches Arbeitsrecht die Haltung der SPD durchgesetzt hat – „nämlich, dass wir uns des Themas annehmen müssen, aber mit den Kirchen gemeinsam.“
wie sie auf ihrer homepage deutlich macht. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet darüber:
Religion:
Das neue Verhältnis zwischen Politik und Kirche
...
Genauso soll auch das kirchliche Arbeitsrecht, das Mitarbeiterin in kirchlichen Betrieben (Anm.: nach unserer Überzeugung verfassungswidrig) Streiks untersagt und von ihnen eine besondere Loyalität zum Arbeitgeber verlangt, auf den Prüfstand. ... hier habe sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, sagt Griese
Welcher Arbeitgeber lässt freiwillig Streiks in seinen Einrichtungen zu? Wohl dem, der keine Lobbyisten braucht, weil seine Vertreter selbst die politischen Entscheidungen mit verantworten.

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