Montag, 21. März 2022

Mitarbeitervertretung und Leitende Mitarbeitende von Pius-Hospital Oldenburg fordern in einem "offenen Brief" die Wiedereinsetzung des Verwaltungsrats

Der Offene Brief (den auch der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung unterzeichnet haben soll) wirft Weihbischof Theising vor, mit "Machtanspruch und Dogmatismus" den Erhalt der katholischen Trägerschaft des Pius-Hospitals dem Wohl der Patienten zu opfern. "Dieses gefährdet unsere Zukunft ohne Rücksicht oder christliche Empathie", heißt es in dem Schreiben. Es gebe zudem einen Interessenskonflikt, wenn sowohl Verwaltungsrat als auch Stiftungsaufsicht vom Offizialat besetzt würden. Der Stifterwille werde für machtpolitische Zwecke missbraucht.
berichtet Kirche und Leben (KL)

Das Pius-Hospital Oldenburg ist ein Akut-Krankenhaus in der Stadt Oldenburg in Niedersachsen. Zusammen mit dem Evangelischen Krankenhaus, Klinikum Oldenburg und der Karl-Jaspers-Klinik bildet es den Medizinischen Campus der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Seit Juli 2021 fanden Gespräche mit dem nahgelegenen Evangelischen Krankenhaus bezüglich einer Fusion statt. Durch den Zusammenschluss beider Häuser würde das größte konfessionelle Krankenhaus in Niedersachsen entstehen. Da dies nicht mit der Stiftungssatzung des Pius-Hospitals vereinbart werden könne, wurden die Verwaltungsratsmitglieder durch das Offizialat in Vechta Anfang März 2022 deshalb von ihren Aufgaben entbunden. An der Spitze des neuen Verwaltungsrats steht der Weihbischof Wilfried Theising.(Wikipedia).
Es ist nach eigenen Angaben das größte katholische Krankenhaus im Nordwesten Deutschlands. Zum Hospital gehören 13 Kliniken, darunter sechs Universitätskliniken. Fast 1.500 Arbeitnehmer kümmern sich jährlich um etwa 61.500 Patientinnen und Patienten.

Man kann jetzt natürlich gespannt sein, welche Regelungen etwa beim Datenschutz oder beim Mitarbeitervertretungsrecht gelten würden, wenn katholische und evangelische Einrichtungen fusionieren.
  • Gilt katholisches oder evangelisches Datenschutzrecht, oder kommt was eigenes ("evangolisch" oder "kathelisch")?
  • Gibt es ein Rest- oder Übergangsmandat für die bisher getrennten Mitarbeitervertretungen und dann eine gemeinsame neu gewählte Personalvertretung?
  • Gilt jeweils örtlich das MVG für die ursprünglich protestantische und MAVO für die urspünglich katholische Einrichtung weiter?
  • Wie schaut das mit den katholischen Loyalitätsanforderungen aus?
  • Wiederheirat nach Scheidung oder der Austritt aus der katholischen Kirche führt für die ArbeitnehmerInnen der ehemals katholischen Gebäude zwangsläufig zur Kündigung, ist bei einem Einsatz in den ehemals evangelischen Bauteilen aber problemlos?
  • Oder wird da auf das Bekenntnis der jeweiligen MitarbeiterInnen selbst abgehoben? Die katholischen ArbeitnehmerInnen dürfen also unter dem Damoklesschwert der Kündigung die protestantischen KollegInnen in der Einrichtung nicht heiraten, wenn diese geschieden sind - für die evangelischen PartnerInnen wäre das aber alles problemlos? Und was gilt dann für Muslime oder Angehörige einer anderen bzw. keiner Religionsgemeinschaft?
Kein Wunder, dass sich staatliche Behörden und Gerichte schwer tun, in dem undurchdringlichen Urwald unterschiedlichster selbst gebastelter Regelungen (auf katholischer Seite zusätzlich mit einem eigenen Datenschutzrecht der Orden) noch halbwegs Ordnung und Sinn zu entdecken. Der Blog "Artikel 91" schreibt dann auch:
Laut einem Sprecher der nordrhein-westfälischen Aufsicht sei es sowohl beim Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland sowie bei der Neuapostolischen Kirche Westdeutschland (NAK) »fraglich, ob das eigene Datenschutzrecht die Anforderungen des Art. 91 (1) DS-GVO« erfüllt. Im äußersten Fall könnte das dazu führen, dass die betroffenen Gemeinschaften die DSGVO anwenden müssen und ihre eigenen Aufsichten keine Rechtsgrundlage haben. Inwiefern das mit dem grundgesetzlich (und europarechtlich) verbürgten Selbstverwaltungsrecht der Kirchen vereinbar wäre, ist noch nicht abzusehen.
Aber wie schon mehrfach betont: die Erde ist keine Scheibe. Und was das überbeanspruchte kirchliche Selbstverwaltungsrecht betrifft: das gilt (unter dem "Schrankenvorbehalt") nur für die originär eigenen Angelegenheiten, und zudem fehlt den Kirchen die Rechtsetzungsbefugnis für Personen, die den Kirchen nicht angehören.
Wieso dann für die persönlichen Daten der Patientinnen und Patienten, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der jeweiligen Kirche gar nicht erst angehören, kircheneigene Regelungen gelten sollen, hat uns noch niemand schlüssig begründen können. Die ausschweifenden Ausführungen von kirchentreuen Arbeitsrechtsprofessoren vermögen Verfassungsrechtler jedenfalls nicht zu überzeugen. Aber das war ja mit dem angeblichen Streikverbot schon so.
Die beste und einzig zielführende Regelung ist (nicht nur) in solchen Situationen die unveränderte Anwendung des staatlichen Rechts.

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