Mittwoch, 23. Februar 2022

Kirchliches Arbeitsrecht unter Druck – die Grundordnung wackelt

überschreibt "katholisch.de" einen aktuellen Artikel und führt dazu aus:
Plötzlich geht es ganz schnell: Bald könnten die Bischöfe beschließen, dass Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr befürchten müssen. Das geschieht nicht ganz freiwillig: Druck von innen und außen lässt kaum eine andere Wahl.

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Auch wenn die Bischöfe die Anforderungen an die persönliche Lebensführung ihrer Mitarbeiter zuletzt 2015 deutlich gesenkt haben: Immer noch stellt bei katholischen Mitarbeitern die erneute Heirat nach einer Scheidung oder eine gleichgeschlechtliche Ehe einen schwerwiegenden Verstoß dar, der eine Kündigung aus "kirchenspezifischen Gründen" ermöglicht – jedenfalls dann, wenn die kirchlich unerlaubte Zivilehe "nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen", heißt es im Artikel 5 der geltenden Grundordnung, deren Anerkennung teil jedes kirchlichen Arbeitsvertrags ist.

Bei Mitarbeitenden in der Pastoral oder solchen, die aufgrund einer "Missio Canonica" tätig sind, also etwa Religionslehrer im Kirchendienst, wird dieses "erhebliche Ärgernis" stets angenommen. Für die restlichen katholischen Mitarbeiter besteht die erhebliche Rechtsunsicherheit, dass sie kaum einschätzen können, ob die Wiederheirat eines Pfarrsekretärs oder die gleichgeschlechtliche Ehe einer Hausmeisterin im katholischen Krankenhaus "objektiv geeignet" sind, Ärgernis zu erregen.
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Der Tübinger Jurist Hermann Reichold, der die Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht leitet, spricht von einer "Artikel-5-Kündigungsorgie": Der Katalog an Kündigungsgründen sei schon "aufgrund seiner sehr selten praktisch gewordenen Drohkulisse heute aus der Zeit gefallen", sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht. Dazu tut auch die Situation am Arbeitsmarkt ihr übriges: Der vor allem im sozialen Bereich herrschende Fachkräftemangel, der Rückgang der Interessenten an pastoralen Berufen und das sinkende Ansehen der Kirche macht die Frage, wer überhaupt noch in kirchlichen Einrichtungen arbeiten will, viel drängender als die Frage, wie man unter den Beschäftigten eine der Lehre der Kirche entsprechende Lebensführung durchsetzen kann.

Dass die strengen Anforderungen, die kirchliche Arbeitgeber an die persönliche Lebensführung ihrer Mitarbeiter stellen, immer schwerer durchzusetzen sind, wird seit Jahren deutlich, vor allem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. ....

Wir warnen hier ausdrücklich davor, bei der Bearbeitung lediglich den Artikel 5 der Grundordnung (Konsequenzen bei Loyalitätsverstößen) in den Blick zu nehmen. Auch "katholisch.de" führt hierzu aus:
Dazu kommt ein rauerer Wind, der dem kirchlichen Arbeitsrecht von Seiten der Politik entgegen weht: SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, gemeinsam mit den Kirchen zu überprüfen, "inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann". Laut dem arbeitspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, dem ehemaligen ver.di-Chef Frank Bsirske, gebe es in der Koalition den klaren Willen, das kirchliche Arbeitsrecht einzuschränken – obwohl im Koalitionsvertrag nur ein Prüfauftrag formuliert ist.
(Anmerkung: katholisch.de bezieht sich hierbei auf den Gastbeitrag von Frank Bsirske in unserem Blog).

In einem Kommentar zur aktuellen Entwicklung führt Tilmann Kleinjung (Leiter der Redaktion Religion und Orientierung im Bayerischen Rundfunk - BR) bei "katholisch.de" weiter aus:
Kirchliches Arbeitsrecht: Abschied von der Zwei-Klassen-Gesellschaft?

Plötzlich ging es in manchen Bistümern schnell: Mitarbeiter müssen keine Konsequenzen wegen ihrer Partnerwahl fürchten. Tilmann Kleinjung hofft, dass das bald überall so ist – und blickt auch auf ein anderes Spezifikum des kirchlichen Arbeitsrechts.


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Es droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft für kirchliche Mitarbeiter. Aber die deutschen Bischöfe haben ja die Chance das zu verhindern, etwa bei ihrer nächsten Konferenz, in zwei Wochen in Vierzehnheiligen im Erzbistum Bamberg.

Dann sollten sie sich noch ein anderes Spezifikum des kirchlichen Arbeitsrechts vornehmen: den sogenannten "dritten Weg". Bei Caritas und Diakonie gibt es keine Tarifverhandlungen, hier werden Löhne in einer paritätisch besetzten Kommission ausgehandelt. Streikrecht haben Mitarbeitende nicht. Das vertrage sich nicht mit dem Ideal einer christlichen "Dienstgemeinschaft", finden beide Kirchen. Doch nachdem die arbeitsrechtliche Kommission der Caritas vor gut einem Jahr einem allgemeinverbindlichen Branchentarif in der Pflege nicht zugestimmt hatte, gab es auch in der Kirche Kritik an dieser Entscheidung und darüber hinaus am "dritten Weg". Wie kann ein kirchliches Unternehmen einem Tarif-Vertrag nicht zustimmen, der die Arbeitsbedingungen aller Pflegekräfte spürbar verbessert hätte? Die Kirche macht sich unglaubwürdig, wenn sie sich als Arbeitgeberin nicht an die Prinzipien hält, die sie selbst propagiert.
(Hervorhebungen durch die Blog-Redaktion)

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