Mittwoch, 9. März 2022

Bistum Limburg: Erklärung des Generalvikars zur Anwendung der kirchlichen Grundordnung

Im Bistum Limburg bekennen wir uns zu Vielfalt und Diversität. Wir wollen Angst und Unsicherheit überwinden. Deshalb setzen wir uns für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ein. Der Bischof und ich sagen Ihnen zu, dass in der Diözese Limburg die Grundordnung im Blick auf die sexuelle Orientierung sowie das Beziehungsleben bzw. den Familienstand keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass die Grundordnung hinsichtlich Artikel 5. Abs. 2. Buchstb. c und d für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt wird. Die sexuelle Orientierung, das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe wird keine arbeitsrechtlichen Sanktionen nach sich ziehen. Dies gilt für alle Gruppen von kirchlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern, für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie alle, die mit einer „Missio canonica“ oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung ihren Dienst wahrnehmen. Unsere Zusicherung gilt sowohl für bestehende als auch künftige Arbeitsverhältnisse.
Gleichzeitig ermutige ich alle anderen kirchlichen Rechts- und Anstellungsträger im Bistum Limburg im caritativen und verbandlichen Bereich sowie auf Ebene der Kirchengemeinde, eine ähnliche Selbstverpflichtung einzugehen.
Quelle: Amtsblatt des Bistums Limburg "klick" und Bericht auf katholisch.de sowie im Domradio

Die kirchliche Rechtsordnung ist immer wieder für eine Überraschung gut. Der Generalvikar sichert auch im Namen des Bischofs zu, dass konkret bezeichnete Teile der Grundordnung - also eines bischöflichen Gesetzes - keine Anwendung findet. Wie lange das so ist, bleibt unklar. Sicher ist nur, dass auch die anderen kirchlichen Rechtsträger im Bistum eine solche Selbstverpflichtung eingehen sollen - aber nicht müssen. Das bischöfliche Gesetz bleibt also weiterhin in Kraft.
Unter allen möglichen Varianten scheint uns das die am wenigsten verbindliche Regelung zu sein.
Dabei wäre Rechtssicherheit sehr einfach herzustellen: Ein Erlass im Amtsblatt, der die bestehenden Artikel der Grundordnung außer Kraft setzt, würde ausreichen.
(Sarah Röser *) im online-magazin "Feinschwarz")

Bei der Gelegenheit bringt katholisch.de einen Bericht über den "Flickenteppich Grundordnung".
Wie die 27 Diözesen mit Loyalitätspflichten umgehen
Grundordnung im Ausnahmezustand – Flickenteppich kirchliches Arbeitsrecht?
Auf dem Papier gilt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes uneingeschränkt. In der Praxis haben aber so gut wie alle Bistümer Kompromissbereitschaft bis Reformfreude signalisiert. Ein Blick in alle 27 Diözesen zeigt, ob es einen Flickenteppich im kirchlichen Arbeitsrecht gibt.
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Trotz vieler mehr oder weniger deutlicher Ansagen wurde der Verzicht auf Kündigungen aus Gründen der Lebensführung noch nirgends in ein bischöfliches Gesetz gegossen. Formal gibt es also immer noch eine einheitliche Grundordnung in allen deutschen Diözesen – inklusive des hoch umstrittenen Artikels 5, in dem die Kündigungsgründe wegen Verstößen gegen die Loyalität aufgeführt sind.
Der Rechtslage auf dem Papier nach müssen katholische Beschäftigte also immer noch mit einer Kündigung rechnen, wenn sie kirchlich nicht anerkannte Zivilehen eingehen – überall.
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Die Tübinger Kanonistin Sarah Röser *), die sich auf kirchliches Arbeitsrecht spezialisiert hat, kritisierte im Online-Magazin "Feinschwarz" bischöfliche "Lippenbekenntnisse". "Wenn jetzt manche diözesanen Verantwortlichen in Aussicht stellen, die entsprechenden Artikel der Grundordnung im Augenblick nicht anzuwenden, mag das auf den ersten Blick für viele erfreulich klingen", urteilt sie. Ohne eine verbindliche rechtliche Festschreibung der Erklärungen könnten diese aber jederzeit wieder revidiert werden. "Lippenbekenntnisse sind schnell gemacht – es wird sich zeigen, ob ihnen rechtsverbindliche Taten folgen", so Röser.

Bedenklich erscheint uns aber vor allem, dass sich die erkennbaren Reformbemühungen lediglich auf einen Aspekt der Grundordnung beschränken.
Wer sich als Mitarbeiter der katholischen Kirchen offen zur eigenen Homosexualität bekennt, kann seinen Job verlieren. Nun wollen die deutschen Bischöfe diese Ungleichbehandlung mit einer Änderung des Kirchenarbeitsrechts abschaffen.
»Hier braucht es Bewegung, hier ist Druck entstanden«, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, zur Eröffnung der DBK-Frühjahrsvollversammlung im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen in Bayern. »Wir gehen auf eine Veränderung der Grundordnung hin.«
berichtet SPIEGEL ONLINE


*)
Sarah Röser M.A. arbeitet als Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht der Universität Tübingen und promoviert mit einer Doktorarbeit zum kirchlichen Arbeitsrecht an der Universität Freiburg.

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