Samstag, 24. Januar 2015

"Wieviel Wettbewerb verträgt die Solidarität?"

Unter diesem Motto haben am Donnerstag bei der 4. ordentlichen Landesbezirksfachbereichskonferenz unseres Fachbereichs u.a. Eugen Münch, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rhön-Klinikum-AG und der "Stiftung Münch", Fritz Schösser - Versichertenvertreter in der GKV und Sylvia Bühler vom ver.di Bundesvorstand diskutiert.

Mein Eindruck:
Zum Subsidiaritätsgrundsatz gehörte früher auch der Gedanke, dass der Staat die freigemeinnützigen Träger, die ihn bei der Erfüllung des Anspruchs "Sozialstaat" unterstützen, so hoch subventionieren musste wie es nötig war, um den Standard zu erreichen, den der Staat auch bei eigenen Einrichtungen zugrunde legte.



Heute "kauft" der Staat diese Sozialleistungen unter dem Stichwort "Wettbewerb" zum günstigsten Angebot ein.
Da in den Sozial- und Gesundheitsdiensten die Personalkosten den höchsten Anteil haben, wird der Preiswettbewerb (und nicht ein Qualitätswettbewerb) auf dem Rücken des Personals und der Patienten ausgetragen.
"Der Wettbewerb heute ist ein reiner Preiswettbewerb, und der führt dazu, dass sie jedes Jahr ein bisschen mehr leisten müssen und ein bisschen weniger erhalten." (Münch)

Dazu werden Tätigkeitsbereiche "outgesourct". Der Bring- und Holdienst ist nicht mehr Bestandteil des eigenen Geschäftsbereichs, sondern ausgegliedert und plötzlich ein Transportunternehmen. Die gleiche Methode ist schon früher erfolgreich praktiziert worden - bei der Küche oder dem Hausmeister- und Reinigungsbereich (neudeutsch: Facility Management). Und schon haben wir Beschäftigte, die nicht mehr der ursprünglichen Tarifbindung unterliegen.
Es soll schon Betriebe und Einrichtungen geben, in denen lediglich noch etwas Verwaltungspersonal zum "Beschäftigtenkern" gehört. Andere MitarbeiterInnen - bis hin zu Ärzten und Pflegepersonal - kommen von "Fremdfirmen".

Private Anbieter sind vielfach nicht Tarifgebunden und können entsprechende Dumpinglöhne durchsetzen, wenn sie regionale Monopolstellungen erreichen. Ver.di rennt mit Häuserkämpfen und inzwischen rund 3000 Tarifverträgen alleine in unserem Fachbereich vergeblich gegen diese Prekarisierung an.
Die "Billigbieter" setzen tarifgebundene und tarifreue Einrichtungen unter Druck.
Private Konzerne mit entsprechendem "Einsatzkapital" können sich auch einige Zeit einen Preis- und damit Verdrängungswettbewerb leisten. Gemeinnützige Träger sind ohne die Absicht der "Gewinnerzielung" tätig. Sie haben keine entsprechende "Kampfkassen" füllen können. Und sie sind damit den Kampfpreisen der privaten Anbieter ausgeliefert.
"Ein privater Investor investiert aus einer strategischen gewinnorientierten Geschäftsentscheidung. Ein öffentlicher oder gemeinnütziger Investor investiert aus Not." (Schösser).

Das Ergebnis unseres "Wettbewerbs" ist, dass profitable Geschäftsbereiche von den gewinnorientierten Anbietern (McPflege, McKiTA ...) okkupiert werden, während die für Aktionäre uninteressanten Geschäftsbereiche (wie z.B. eine Obdachlosenbetreuung) bei den gemeinnützigen Anbietern bleiben.
Ertragreiche Segmente werden privatisiert - der Rest bleibt der Wohlfahrt.


Meine Frage:
Ist es wirklich Aufgabe des Sozialstaates, die Gewinne der privaten Anbieter zu subventionieren?


Solidarität sieht anders aus - und ein Wettbewerb muss eine faire Wettbewerbsgrundlage haben.
Da gehören dann auch gleiche Löhne dazu. Dann könnte auch ein Qualitätswettbewerb funktionieren.

(vgl. auch unseren Beitrag vom 13. Dezember 2013 "Kommerzialisierung der Daseinsvorsorge?" sowie die Nachricht von ver.di: "Agaplesion: Aufstrebender Kirchenkonzern - Die Kommerzialisierung und Monopolisierung des Gesundheitswesens macht auch vor kirchlichen Einrichtungen nicht Halt. ...")


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