Die TAGESSCHAU stellt das Ergebnis der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst im Überblick wie folgt dar (Stand: 30.04.2016 15:51 Uhr):
LOHNERHÖHUNG: Rückwirkend ab 1. März 2016 soll es 2,4 Prozent und ab 1. Februar 2017 dann 2,35 Prozent mehr geben. Die Laufzeit beträgt 24 Monate.und bewertet den Abschluss wie folgt:
ALTERSVERSORGUNG: Statt der vom kommunalen Arbeitgeberverband VKA ursprünglich geforderten generellen Einschnitte bei zusätzlichen betrieblichen Renten wird ein Zusatzbeitrag von 0,4 Prozent zu Lasten der Arbeitnehmer eingeführt. Genauso viel sollen die Arbeitgeber zahlen. Das soll aber nur dort gelten, wo die Pensionskassen Finanzprobleme haben. 35 Prozent der Beschäftigten sind laut Verdi-Chef Frank Bsirske betroffen - etwa in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg. Bis zu einem Drittel der Gesamtrente machen diese Zusatzrenten bei den Beschäftigten aus.
ENTGELTORDNUNG: Das umfassende Regelwerk zur Eingruppierung von 1,8 Millionen Beschäftigten mit hunderten Berufen in die Lohnordnung wird reformiert. 1088 von 4000 Merkmalen zu den genauen Tätigkeiten werden neu bewertet. Viele Arbeitnehmer sollen ein höheres, niemand ein niedrigeres Grundgehalt bekommen. Die Reform soll die Kommunen 680 Millionen Euro kosten. Einen gleichgroßen Teil sollen die Beschäftigten schultern - durch Einschnitte beim Weihnachtsgeld.
AZUBIS: Die Ausbildungsvergütung wird in zwei Stufen um dann 65 Euro erhöht. Auch andere kleinere Verbesserungen soll es geben: Bei den Azubis etwa einen Tag mehr Urlaub.
Nicht durchsetzen konnten sich die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach einem Ende sachgrundloser Befristungen.
KOSTEN: Mit sechs Milliarden Euro mehr rechnen die Kommunen, mit 700 Millionen Euro mehr der Bund. Dazu kämen die Kosten für die per Gesetz geplante Übernahme auf die Beamten und Soldaten. Die 680 Millionen für die neue Entgeltordnung kommen für die Kommunen noch dazu.
Schnelle Einigung im öffentlichen Dienst
Empfehlenswert, fair, annehmbar
Mehr Geld statt mehr Streiks - ein Durchbruch am Verhandlungstisch sorgt für Ruhe im öffentlichen Dienst. Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich auf ein Gesamtpaket. Erste Reaktionen: positiv. Nur vom Städtetag kommt leises Murren.
Auch die FAZ widmet dem Tarifabschluss eine ausführliche Stellungnahme:
Einigung im Tarifstreitund HEUTE schreibt:
Fast fünf Prozent mehr Gehalt für öffentlichen Dienst
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...Tatsächlich haben die massiven Warnstreiks erst Bewegung in die Tarifverhandlungen gebracht, deren Ergebnis "deutlich über dem ursprünglichen Angebot der Arbeitgeber von 1 Prozent für 2016 und 2 Prozent für 2017" liegt (FAZ). Auch Robert Hinke, Fachbereichsleiter unseres Fachbereichs in Bayern, stellt in seiner Bewertung fest:
Mit massiven Streiks hatten die Gewerkschaften den Arbeitgebern Dampf gemacht. Zwei Tage hatten beide Seiten über höhere Löhne für die mehr als zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen verhandelt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach als Arbeitgeber-Verhandlungsführer nach der Einigung von einem fairen Kompromiss, der inhaltlich auch auf die Beamten übertragen werden solle. Ver.di-Chef Frank Bsirske sprach von "deutlichen Reallohnverbesserungen". Die Tarifkommission habe den Mitgliedern der Gewerkschaft die Annahme des Abschlusses empfohlen.
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Der Tarifabschluss ist Meilenweit entfernt von den Bestrebungen der Arbeitgeber und ihres ersten Angebotes. Statt Einkommensverlusten gibt es Reallohnverbesserungen, die Leistungen der ZVK bleiben unangetastet und statt Abwertungen gibt es für zahlreiche Berufe Verbesserungen durch die neue Eingruppierungsordnung. Vor allem ist jetzt auch endgültig Schluss mit dem Zweiklassensystem der Alt und Neubeschäftigten.Damit beweist sich wieder einmal eine Kernaussage der kirchlichen Soziallehre:
Das uns diese vorläufige Einigung gelungen ist, haben wir eurem Engagement in massiveren Warnstreiks zu verdanken. In Bayern beteiligten sich insbesondere zahlreiche kommunale Krankenhäuser und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Wir setzten mit unseren Streikterminen in Bayern Schwerpunkte auch für andere Bereiche des Öffentlichen Dienstes!
...Mehr noch als in der Vergangenheit sind auch im Öffentlichen Dienst erfolgreiche Tarifrunden vom Druck abhängig den wir entfalten. Neben dem politischen und öffentlichen Druck geht es auch um die ökonomische Wirkung unserer Aktionen und Streikmaßnahmen. In zahlreichen Krankenhäusern mussten die OPs ihren Betrieb zeitweilig einstellen. In mehreren Werkstätten der Behindertenhilfe konnte die Fertigung spürbar beeinträchtigt werden.
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In Notdienstvereinbarungen, welche der Patientensicherheit dienen, legen uns viele Arbeitgeber Personalstandards vor, die im Arbeitsalltag gar nicht erreicht werden. Faktisch wird den Pflegekräften damit ihr verfassungsrechtlich zustehendes Streikrecht verweigert. Wir sind in dieser Tarifrunde dazu übergegangen, den Arbeitgebern Stationsschließungen mit einer Ankündigungsfrist von bis zu einer Woche anzukündigen. Damit können Betten oder ganze Stationen geschlossen werden, ohne Patienten zu gefährden. Das tut ökonomisch weh, beeinträchtigt betriebliche Abläufe und verhilft unseren KollegInnen zu ihrem Streikrecht.
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Erst die staatliche Arbeitsschutzgesetzgebung, die Entstehung der Gewerkschaften und die gesetzliche Anerkennung des Arbeitskampfrechts und der Tarifautonomie haben die Arbeitnehmerseite in den Stand versetzt, auf gleicher Höhe mit den Arbeitgebern Verträge auszuhandeln.(Reinhard Marx, "Das Kapital", S.78)
Im "klassischen Dritten Weg der Caritas" wird nun wieder versucht werden, den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes ohne Arbeitskampf nachzuverhandeln - die Arbeitgeber werden versuchen, die Übernahme zumindest zu verzögern, die Mitarbeiterseite wird versuchen, möglichst viele Abstriche zu vermeiden. Und die Verfechter des "Dritten Weges" werden dennoch weiterhin die Vorteile dieses Systems in den höchsten Tönen preisen. Denn "man müsse dabei ja nicht Mitglied einer Gewerkschaft sein, um in den Genuss von Tariferhöhungen zu kommen"
Dabei wäre es wahrscheinlicher einfacher, sich mit den Gewerkschaften zu vertragen und so die Grundlage für eine hohe Refinanzierung zu schaffen. Aber - wie sagte schon Norbert Blüm in einem Gastbeitrag in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (10.11.2009):
"Es gibt Baumpfleger, die sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen. Und wundern sich anschließend im Krankenhaus, dass sie vom Baum gefallen sind."
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