Freitag, 20. Mai 2016

Unternehmensmitbestimmung - bei der Kirche und anderswo (Anfrage Bündnis 90/Grüne)

Im März hatte der DGB 40 Jahre Unternehmensmitbestimmung gefeiert. Festredner Kardinal Marx hat sich in deutlichen Worten geäußert:
'"Im Mittelpunkt steht nicht das Kapital, sondern der Mensch"Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, hat die Gewerkschaften zu einer Weiterentwicklung der Mitbestimmung ermutigt. Die Mitbestimmung ergebe sich aus der Würde des Menschen... Marx äußerte sich zur Eröffnung der Ausstellung "Vom Wert der Mitbestimmung" der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in der Berliner Akademie der Künste. Dabei bezeichnete er die Mitbestimmung als Kernelement der sozialen Marktwirtschaft...'   (Domradio 8.3.2016: Kardinal Marx: Mitbestimmung weiterentwickeln)
In Kreisen der katholischen Kirche ist allerdings die Unternehmensmitbestimmung, wie man hört, vorläufig weiterhin auf die lange Bank geschoben worden.

Bündnis 90/Grüne haben das Mitbestimmungsjubiläum zu einer interessanten kleinen Anfrage genutzt, in der auch der kirchliche Bereich thematisiert wird. (Drucksache 18/8354 vom 6.5.2016).

Erstaunlich ist die Antwort der Bundesregierung: zur Beantwortung der Fragen verfügt sie über wenig nennenswerte belastbare Daten, es gäbe keine Mitteilungspflichten und keine offiziellen Datenbanken, man kenne keine Motive für die Flucht aus der Mitbestimmung; schließlich plant sie auch keine Maßnahmen.

Auch zur Frage nach dem Unternehmensmitbestimmungsrecht bei der Kirchen kennt die Bundesregierung keine "mitbestimmungsrelevanten Daten". Geläufig sind ihr hingegen die Artikel 140 GG und 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung, welche die Kirchen (angeblich *) vor der Unternehmensbestimmung schützen.

Gewissermassen als Illustration zum Thema kann  man Medienmeldungen in den letzten Wochen betrachten, die sich mit Geschäftspraktiken des Malteser-Konzerns befassen. (Ausführliches Dossier mit zahlreichen Verweisen auf Medienberichte in Presse und Fernsehen bei labournet.de. )

Es geht um die Malta Clean Service GmbH, die vermutlich nicht unter die Grundordnung des kirchlichen Dienstes fällt, gleichwohl aber verfügt der Malteserkonzern laut Konzernabschluss 2014 über eine 51 %ige Mehrheit. (Nicht die einzige Firma, die mehrheitlich von den Maltesern kontrolliert wird und vor allem Dienste in den Grundordnungsanwendenden Maltesereinrichtungen leistet.)
Interessant ist ja in diesem Zusammenhang die Frage, wie katholisch muss eine katholische Einrichtung sein, um vor der Unternehmesmitbestimmung geschützt zu sein? Wie viele nicht-kirchliche Einrichtungen darf ein Konzern (mit welchem Anteil) besitzen, um noch als kirchlicher Konzern durchzugehen?

Gibt das Catholic Identic Matrix (German-CIM), mit dem sich das Katholisch-Sein von Kliniken bzw. kirchliche Einrichtungen messen lässt, auch Zertifikate zur Abwehr der Mitbestimmung aus?



*) Anmerkung
Dass gewerblich tätige Unternehmen nicht der Befreiung vom Betriebsverfassungs- und den Personalvertretungsgesetzen unterliegen, sollte sich seit der Entscheidung des BayVGH zur "Klosterbrauerei Andechs" eigentlich bis nach Berlin herumgesprochen haben.
Wir dürfen auf unsere Beiträge "Caritas-Verdi: Countdown zum 31.12.2013" vom 30. Juli 2013 und "Caritas-Verdi: KODA der MARIENBERG-Service Gesellschaft mbH ..." vom 15. Aug. 2012 verweisen.
Es ist immer wieder erstaunlich, auf wie wenige Widerstand der Anspruch von gewerblich tätigen Betrieben stößt, sich als vermeintliche kirchliche Lebensäußerung zu bezeichnen. Aber vielleicht ist es ja auch wirklich schwierig, eine Trennlinie zwischen "gewerblich" und "kirchlich" zu ziehen.

Im Übrigen sollte es auch der Bundesregierung bekannt sein, dass - bei gleicher verfassungsrechtlicher Grundlage, nämlich Art. 136 ff WRV - die Kirchen sehr wohl dem Betriebsrätegesetz der Weimarer Republik unterlagen.
Es liegt nach den unveränderten verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die sich ebenso in den Konkordatsverträgen finden, lediglich am Staat, durch den "Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" die Grenzen der kirchlichen Selbstordnung und Selbstverwaltung fest zu legen. Der Staat kann alleine entscheiden, ob er den Rahmen dessen, was er den Kirchen zugesteht, enger oder auch weiter legt.

Dass den Kirchen eine eigene Rechtsetzungsbefugnis für Personen fehlt, die ihr nicht angehören, haben wir unter Bezug auf die einschlägigen Rechtsnormen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch schon mehrfach (z.B. am 4. November letzten Jahres) dargelegt - und auf c. 11 CIC kann ebenfalls hingewiesen werden.
Welche innerkirchliche Rechtsnorm soll also auf welcher Rechtsgrundlage für Personen, die nicht Mitglieder der Kirche sind, gelten?

Die ständige Wiederholung der Behauptung, die Kirchen stünden über dem Staat, macht diese Behauptung nicht richtig. Auch nicht, wenn diese Wiederholung von der Bundesregierung kommt.

1 Kommentar:

  1. Stefan Sell heute zum Thema Unternehmensmitbestimmung/Gewerkschaftsrechte und die fatale Entwicklung in den letzten Jahren. Sehr lesenswert!
    http://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2016/05/117.html

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