Warum Pflegekräfte nicht überall gleich verdienenberichtete die Süddeutsche Zeitung gestern über die unterschiedliche Entlohnung in der Altenpflege (die selbst vielfach wieder zu Altersarmut führt) - und die Chancen eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages:
...Nun muss man wissen, dass das Tarifvertragsgesetz vorgibt, unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag allgemein verbindlich erklärt werden kann.
Um diese Lohnlücken zu schließen und auch für Pflegehelfer, die in vielen Heimen gut die Hälfte des Personals stellen, bundesweit bessere Gehälter zu erreichen, will Heil nun einen flächendeckenden Tarifvertrag einsetzen. Dieser soll dann auch solche Heimbetreiber zwingen, ihren Mitarbeitern mehr zu zahlen, die sich bislang dagegen wehren. Doch sein Plan ist nicht gerade leicht in die Tat umzusetzen.
Da ist zunächst der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) und sein Arbeitgeberverband, die sich für die private Hälfte der Heime zuständig fühlen. Sie bevorzugen eigene Arbeitsvertragsrichtlinien, ohne klassischen Tarif. ...
Auch die kirchlichen Arbeitgeber waren nicht gerade begeistert von der Idee, dass sie sich an weltliche Tarifverträge halten sollen. Kirchen bestehen arbeitsrechtlich auf einem sogenannten dritten Weg, der ihnen die Freiheit für eigene Regeln gibt. ...
Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wennÜberwiegende Bedeutung - d.h., dass etwa 50 % der Beschäftigten unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages (auch über einen Anwendungstarifvertrag) fallen müssen.
1. der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.
Das ist ohne die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, insbesondere die Caritas, nicht zu erreichen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu:
Etwa die Hälfte aller Pflegeheime in Deutschland wird von privaten Unternehmen betrieben. Die restlichen Einrichtungen führen gemeinnützige Verbände, die allerdings sehr unterschiedlich sind. Neben Arbeitgebern wie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband oder der Arbeiterwohlfahrt beschäftigen auch kirchliche Verbände wie Diakonie und Caritas mehrere 100 000 Pfleger und Pflegehelfer. Gut fünf Prozent aller Heime werden von Kommunen betrieben.Wer sich einem allgemein verbindlichen Tarifvertrag verweigert, nimmt also die Lohnkostenkonkurrenz, die zu Armutslöhnen und prekären Arbeitsbedingungen führt und auch tariftreue Arbeitgeber (über die Refinanzierung auf dem Niveau der "Billigheimer") unter Druck setzt - früher nannte man das "Schmutzkonkurrenz" - billigend in Kauf.
Dabei wird im universellen Kirchenrecht (Can. 1286 CIC) die genaueste Anwendung des weltlichen Arbeits- und Sozialrechts und die Berücksichtigung der katholischen Soziallehre vorgeschrieben. Und Beides sieht das "Gewerkschaftsprinzip" vor. Die (nur in Deutschland) bestehende Weigerung, Tarifverträge abzuschließen, kann dann aber auch nicht theologisch begründet werden - denn das universelle Kirchenrecht wie die eigene Soziallehre bauen selbst auf theologischer Begründung auf.
Diese Weigerung resultiert einzig und alleine aus der (jedem Arbeitgeber und damit auch den Kirchen) verfassungsrechtlich zugestandenen "negativen Koalitionsfreiheit". Kein Arbeitgeber ist "von Gesetz wegen" verpflichtet, Tarifverträge mit Gewerkschaften abzuschließen. Wer das aber verweigert, genießt auch keine "tarifvertragliche Friedenspflicht". Er muss damit rechnen, dass die eigenen Beschäftigten über Arbeitskampfmaßnahmen einen Tarifvertrag erzwingen wollen.
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