Mittwoch, 12. Juni 2019

Vertrauenskrise und Glaubwürdigkeit - die Bischöfe wissen nicht mehr weiter

Missbrauch und Finanzskandale, die "gute alte Zeit" der ungetrübten klerikalen Macht geht zu Ende. Die Bischöfe stehen vor den Trümmern ihres alten Kirchengebäudes, und ständig kracht wieder irgendwo ein neuer Balken herunter. Die sprudelnden Geldquellen versiegen - ein Bistum nach dem anderen muss sich beschränken. Gerade durchleidet Hamburg einen schmerzhaften Sanierungskurs - wohl im Vorgriff auf Ausfälle, die auch andere Bistümer absehbar ereilen werden:
Bereits 2017 hatte eine Wirtschaftsprüfung ergeben, dass das zu dem Zeitpunkt mit rund 80 Millionen Euro verschuldete Erzbistum (Hamburg) bis 2021 eine Überschuldung von etwa 350 Millionen Euro riskiere, wenn nichts dagegen unternommen werde.
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Laut einer von den beiden großen Kirchen in Deutschland geförderten Studie wird die Zahl der Kirchenmitglieder in der Bundesrepublik bis 2060 um 49 Prozent zurückgehen.
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Mit dem Rückgang der Mitgliederzahl werden sich laut Studie auch die finanziellen Möglichkeiten der Kirchen halbieren. Zwar nehmen die Forscher an, dass das Kirchensteueraufkommen nominal bis 2060 konstant bleibt und – wie 2017 – bei etwa 12 Milliarden Euro jährlich liegen wird. Bei entsprechender Ausgabenentwicklung würde das allerdings einen Kaufkraftverlust von 51 Prozent bedeuten.
(Quelle)

Das hat wohl auch aufgeschreckt. Es lässt sich nicht mehr im bequemen Sessel ruhen. Was tun?
"Entweltlich Euch" - der gute Rat von Papst Franziskus in seiner berühmten Freiburger Konzerthausrede ist immer noch nicht richtig gehört worden.
Aber ist ist ja klar, "wenn ein deutscher Papst - der seine deutsche Kirche kennt wie kein anderer - in Deutschland vor der Nomenklatur der deutschen Katholiken eine Ansprache hält, dann meint er natürlich Nicaragua". So kann man die Versuche zusammen fassen, mit denen der Aufruf des Papstes zerredet wurde.
Die Folge ist ein Scherbenhaufen.   
zeichnet ein Bild von der Ratlosigkeit der Bischöfe, stellvertretend wird der Mainzer Bischof zu den Chancen und Grenzen des "synodalen Wegs" zitiert, mit dem ein Weg aus der Vertrauenskrise der katholischen Kirche gefunden werden soll:

Kohlgraf macht Diskussion um Frauenweihe "ratlos"

Hildesheims Bischof Heiner Wilmer im Interview
Sueddeutsche Zeitung, 12.06.2019 S. 5 (print)
"Die Vertrauenskrise fährt mit voller Wucht ins Gebälk der Kirche, das begreifen wir immer noch nicht. Wir reagieren mit dem Disziplinar- und Kirchenrecht, verbessern Prävention und Kommunikation, arbeiten mit Justiz und Politik zusammen. Das ist alles gut und richtig. Aber wir gehen das Thema noch nicht grundsätzlich an: Was bedeutet es für unser Reden über Gott, die Kirche, für die Verkündigung des Evangeliums? Unser Kirchenbild war ein Grud dafür, dass es zu diesem Ausmaß sexualisierter Gewalt kommen konnte. Wir haben nicht den Menschen gesehen. Wir waren viel zu sehr am polierten Image der Kirche interessiert. Das finde ich ganz fürchterlich."
Dabei ist es doch relativ einfach:
Ursächlich für alle Probleme ist eine massive Vertrauenskrise unserer Kirche.
Vetrauenskrise - das kommt daher, dass Anspruch und Wirklichkeit auseinander klaffen. Wer Wasser predigt, darf nicht selbst Wein trinken.
Und die Vertrauenskrise geht weit über die Themen Missbrauch und Frauen oder auch Finanzskandale hinaus. Das sind nur die - zugestanden massiven - Probleme eines Eisbergs, der weit überwiegend noch unsichtbar unter Wasser liegt, aber Stück für Stück auftaucht. Und wenn an der Spitze des Eisberges ein Problem abgeschmolzen ist, dann dreht sich der Koloss und ein anderer Teil des Eisbergs tritt in das Licht der Sonne.
Wir beschränken uns dabei auf die Thematik des Arbeitsrechts:
Wer die Katholiken auffordert, "bei den Gewerkschaften mit zu tun" (Würzburger Synode, Beschluss Kirche und Arbeiterschaft),
wer nicht nur in seinen Sozialenzykliken das Gewerkschaftsprinzip anpreist,
wer aber selbst für seine eigenen Mitarbeiter*innen die Zusammenarbeit mit deren Gewerkschaft ablehnt,
der hat seine Glaubwürdigkeit für diesen Teil der Verkündung verloren. Und der muss selbst von sich etwas tun, um wieder glaubwürdig zu werden.
"Brücken bauen" müssen diejenigen, die in der Vergangenheit die Brücken eingerissen haben.
Und das waren nicht die Gewerkschaften, die nicht nur im Reichskonkordat auf dem Altar der Konkordanz mit dem faschistischen Nationalstaat geopfert wurden.
  

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