Die drei (Erz-)Diözesen "preschen" hier scheinbar etwas voraus, denn nach diversen Medienberichten - z.B. im Donaukurier aus Eichstätt: "Neues kirchliches Arbeitsrecht: Eichstätter Rechtsprofessorin Oxenknecht-Witzsch ist skeptisch" - sollen 9 der 27 Diözesanbischöfe von der Neufassung zumindest nicht begeistert sein; darunter die bayerischen Bischöfe aus Eichstätt, Passau und Regensburg. Es ist somit nicht sicher, ob die Grundordnung wirklich von allen Diözesanbischöfen einheitlich geändert wird. Dem Vernehmen nach werde "vor allem die Vereinbarkeit der novellierten Grundordnung mit dem allgemeinen Kirchenrecht in Frage" gestellt.
Es wäre interessant zu erfahren, wo die konkreten Befürchtungen liegen. Eigentlich kommen dafür nur die Neuerungen gegenüber der bisherigen Regelung in Betracht.
1. Konfliktmöglichkeit: "Loyalitätsanforderungen":
Die Medien und diverse Sachverständige arbeiten sich seit der Pressemitteilung vom Mai 2015 an den optisch umfangreicheren, neu gefassten Loyalitätspflichten (Art. 5 GrO) ab.
Während die einen ein "juristisches Monstrum" und die Regelungswut beklagen (Zitat aus dem genannten Donaukurier): Der Verweis auf „schwere sittliche Verfehlungen“ (der für alle Beschäftigten gelten soll, Artikel 5 Abs. 2 Nr. 1 b neue Grundordnung) genüge ihrer Ansicht nach. „Das ist weit gefasst.“ ... (Zitat Ende) sehen andere gerade in dieser weiten Fassung mit ihren unbestimmten Rechtsinhalten die Gefahr von willkürlichen Entscheidungen durch die Arbeitgeber, die durch die "zentrale Gutachterstelle" (Art. 5 Abs. 4 GrO) nicht vereinheitlicht werden könne.
Wir hatten in unserem Beitrag vom 27. April 2015 auf die Problematik hingewiesen, nichtkatholische Beschäftigte durch spezifisch katholische Loyalitätsanforderungen binden zu wollen, und auf die einschlägigen Regelungen des CIC i.V. mit dem RKonk verwiesen.
Diese Problematik ist nun "umschifft". Die Grundordnung differenziert im Wesentlichen zwischen allgemeinen Vorgaben, die für alle Beschäftigten gelten sollen, und deutlich erhöhten Loyalitätsanforderungen für katholische Beschäftigte. Darüber hinaus gibt es noch besondere Loyalitätspflichten für den pastoralen und liturgischen Dienst.
Und aus dieser Differenzierung kann geschlossen werden, dass das, was etwa bei katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich zusätzlich als Kündigungsgrund genannt ist, für die nichtkatholischen Beschäftigten dann auch gerade nicht als Kündigungsgrund gelten soll.
Damit ist aber auch deutlich, dass die Wiederheirat nach der Scheidung oder die eingetragene Lebenspartnerschaft, die für katholische Beschäftigte weiterhin ausdrücklich als Kündigungsgründe genannt sind, für die nichtkatholischen Beschäftigten eben nicht mehr Gründe für eine Kündigung sein sollen. Im juristischen Sprachgebrauch nennt man so etwas einen "Umkehrschluss". Die genannten Beispiele - Wiederheirat nach der Scheidung oder eingetragene Lebenspartnerschaft - sollen also ausdrücklich nicht vom Begriff der "schweren sittlichen Verfehlung" umfasst sein - denn der gilt als Kündigungsgrund für alle Beschäftigten.
Logisch, oder?
Mit diesem Widerspruch zu Prof. Dr. Oxenknecht-Witzsch wollen wir es dann aber beim Thema "Loyalitätspflichten" bewenden lassen.
2. Mögliche weitere Konfliktfelder:
Nun hat die Grundordnung mehrere Neuerungen, die auch den Geltungsbereich (Art. 1) umfassen, und ebenso Gewerkschaften ansprechen (Art. 6).
Hinsichtlich der Gewerkschaften soll - insbesondere nach den Vorschlägen der ebenfalls neuen, unter Beteiligung der Zentral-KODA erarbeiteten, KODA-Rahmen-Ordnung - geplant sein, sich eher weniger an die katholischen Soziallehre (vgl. z.B. Mater et Magistra 97 oder Laborem exercens 20) zu halten, die nach c. 1286 1° CIC von den kirchlichen Vermögensverwaltern zu beachten wäre. Die Grundordnung bietet für diese Aussage zwar selbst (mit Ausnahme der weiteren Verweigerung von Tarifverträgen) kaum einen Ansatzpunkt, sie verweist aber ausdrücklich auf die jeweiligen KODA-Ordnungen, und die werden - in der Regel wiederum unter Beratung der jeweiligen KODA's - aus dem Muster der Rahmen-KODA-Ordnung erstellt.
Die KODA-Rahmen-Ordnung nimmt offenbar Denkansätze der evangelischen Kirchen auf *). Zur dort angebotenen "Mitwirkung" (die über die Regelung der Grundordnung hinausgehen) hat sich ver.di - beispielhaft sei die Fachbereichsleiterin beim Landesverband Baden-Württemberg, Irene Gölz zitiert - bereits mehrfach geäussert. Gölz verweist
auf den Vortrag von Frau Pfarr **). Das sind genau die Gründe gewesen, warum wir der Evangelischen Landeskirche in Baden gesagt haben, dass wir uns an der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) nicht beteiligen. Ich wiederhole die wichtigsten Punkte noch einmal:Wir haben diesbezüglich auch schon im Mai eine erste Stellungnahme abgegeben.
Erstens hat die Festlegung des Verfahrens vollkommen ohne uns stattgefunden ***). Die Kirche hat erst das Verfahren festgelegt und uns dann eingeladen, uns an dem festgelegten Verfahren zu beteiligen. Wir sind zwar in den Dialog eingetreten ... aber das sind Gespräche, die eher inoffiziellen Charakter haben.
Zum zweiten sehen wir das nicht als "angemessene koalitionsgemäße Beteiligung" an. Wir haben die Beteiligung an der ARK abgelehnt, weil das Gesetz so ausgestaltet ist, dass wir die Interessen unserer Mitglieder nicht durchsetzen können.
Wir haben auch nachgefragt, wie man uns die Sitze in der ARK zuweisen will. Dann ist uns nochmal deutlich gesagt worden, dass wir uns mit den anderen Verbänden einigen und dann ggf. zum Kirchengericht gehen müssen. Ich behaupte, dass das überhaupt nicht funktionieren kann. Auch wir sind Konkurrenzorganisationen auf der Arbeitnehmerseite.
Deswegen haben wir freundlich abgelehnt und haben gesagt, dass wir uns an dieser ARK nicht beteiligen *).
Anmerkungen:
*) Die Regelungen z.B. der evangelischen Landeskirche Baden (und die Reaktion von ver.di hierauf) dürften dem früheren mitarbeiterseitigen Sprecher der Zentral-KODA, Georg Grädler (Freiburg) genauso bekannt sein wie dem derzeitigen Sprecher Thomas Schwendele (Rottenburg-Stuttgart).
**) Irene Gölz bezog sich auf ein Referat von Prof. Dr. Heide Pfarr: "Koalitionsrechte in kirchlichen Einrichtungen aus arbeits- und verfassungsrechtlicher Sicht - Das BAG-Urteil zum Streikrecht", das anlässlich einer Sozialethisch-theologischen Fachtagung in Bad Herrenalb vom 12. - 13.3.2015 gehalten wurde.
"Das BAG verlangt, dass Gewerkschaften einen effektiven Einfluss auf die Festlegung der Arbeitsbedingungen in den kirchlichen Einrichtungen haben müssen ...Die Dokumentation Nr. 22/15 der Fachtagung zum "Reform des kirchlichen Arbeitsrechts" ist für je 5,10 € zuzügl. Versandkostenpauschale / Porto von 2,50 € beim Evangelischen Pressedienst epd zu beziehen: www.epd.de, www.ev-akademie-baden.de bzw. www.kda-baden.de E-Mail: doku@epd.de bzw. vertrieb@gep.de
Durch die Regelungen für die Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommissionen, für die Möglichkeit der Einschaltung einer Schlichtung mit einem neutralen Vorsitz und schließlich durch die Besetzung des Schlichtungsausschusses sind die Rechte und Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften in keiner Weise garantiert.
Rechtlich bedeutet es: kirchliche Einrichtungen können bestreikt werden ...
...
So ... zeigen die Gesetzgebungsakte deutlich, dass offensichtlich starke Kräfte in der Synode der evangelischen Kirche ihre grundsätzliche Haltung gegenüber gewerkschaftlichen Beteiligungen im Dritten Weg nicht aufzugeben bereit sind. Wenn sich Gewerkschaften angesichts dieser Tatsache einer Mitwirkung im Dritten Weg verweigern, mag das bedauerlich sein, ist aber mehr als verständlich. Ich selbst empfand diese Art der kirchlichen Gesetzgebung abwechselnd schlicht als dumm, gegenüber geltendem Recht und der Rechtsprechung als unerträglich borniert oder bewusst provokativ. Auf jeden Fall nicht als christlich."
...
Hätte die evangelische Kirche den Dritten Weg rechtmäßig ausgestaltet, könnte sie nach der Rechtsprechung des BAG zwischen dem Zweiten Weg und dem (rechtmäßig ausgestalteten) Dritten Weg wählen. Nachdem nun aber der Dritte Weg so ausgestaltet wurde, dass er die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften verletzt, bleibt für einen Ausgleich nur der Zweite Weg. ...
***) Da "das Nähere" gem. Art. 6 Abs. 3 S. 2 GrO in der jeweiligen AK- / KODA-Ordnung geregelt werden soll, und die Rahmen-KODA-Ordnung insofern nur eine Empfehlung darstellt, könnte wenigstens dieser Fehler bei den weiteren Beratungen im Bereich der katholischen Kirche vermieden werden.
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