Samstag, 28. März 2015

Einheit hat Zukunft

In den Turbulenzen um die Tarifauseinandersetzungen
- bei den Ländern (TV-L), die sich wegen der Attacken auf die Zusatzversorgung auch dort auf kirchliche Beschäftigte auswirken, wo der TVöD von Bund und Kommunen (und nicht der TV-L) die Bezugsgrundlage der eigenen Regelungen ist,
- und um den Sozial- und Erziehungsdienst, die sich zumindest mittelbar auf die Beschäftigten bei Caritas- und Kirche auswirken (wenn nicht gar, wie bei den bayerischen Pfarrkindergärten, über die "Vergütungsautomatik" eine unmittelbare Auswirkung besteht)
ist es fast untergegangen.
Höchste Zeit also, zu Beginn der Karwoche 2015 darauf hinzuweisen:

Einheit hat Zukunft
Vor über 70 Jahren - am 18. März 1945, also noch in den letzten Kriegstagen - gründeten 80 Frauen und Männer im soeben befreiten Aachen den ersten "Freien Deutschen Gewerkschaftsbund". Weltanschauliche und parteipolitische Unabhängigkeit sollte die Spaltung der Arbeitnehmer in Richtungsgewerkschaften verhindern, die 12 Jahre vorher die Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung durch die Nazis erleichtert hatte, und so diese neu gegründete gewerkschaftliche Bewegung auszeichnen.
... Diese Sozialdemokraten, Christen und Kommunisten machten damit nach zwölf Jahren Naziherrschaft den ersten Schritt zu einer geeinten Arbeiterbewegung. Ihr Ziel war, das Einende zu betonen und das Trennende zu überwinden: die Gewerkschaften sollten nie wieder Tummelplatz parteipolitischer Leidenschaften sein.
Quelle: DGB - Bundesvorstand.

Engagierte Katholiken folgten dabei der Botschaft, die Papst Pius. X. schon 1912 mit seiner Enzyklika "Singulari quadam" an die Deutschen Bischöfe gerichtet hatte, um den "Deutschen Gewerkschaftsstreit" zu beenden.
Und am 1. November 1945 nahm Pius XII in einem Brief an Kardinal Faulhaber diesen Gedanken auf. Er schrieb:
Zum Gebiet der sozialen Frage gehört aber zweifellos in erster Linie jener Streitpunkt, der sich auf den zu gründenden Verband aller Arbeiter bezieht, die, wie Ihr schreibt, "demnächst in einer einzigen Körperschaft" zusammen geschlossen werden sollen.
...
Das eine vor allem soll mit aller Kraft erreicht werden, daß aus diesem einen Verband zusammengeschlossener Menschen nicht ein scharfer Kampf gegen die bürgerliche Ordnung und nicht ein Streit der politischen Parteien entsteht, sondern daß vielmehr unsere Arbeiter, jeder nach seinem Können, zur Eintracht, Ordnung und Beständigkeit des gesellschaftlichen Lebens beitragen. Denn wenn auf die Staatsleitung der vergangenen Jahre, die auf Gewalt und Unterdrückung aufbaute, nunmehr wieder eine Herrschaft folgen würde, die ebenso jene Prinzipen des geistigen Lebens verachten und ausschalten würde ... dann würde zweifellos Euer Vaterland nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden
Quelle: Texte zur katholischen Soziallehre, 9. Auflage, Ketteler Verlag, S. 162

Die Einheitsgewerkschaft war also - auch aus päpstlicher Sicht - ausdrücklich auch mit einem "politischen Mandat" versehen.

In logischer Fortführung der Ideen wurde am 13. Oktober 1949 im Westen der demokratische neue Gewerkschaftsdachverband gegründet – der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB.
Quelle: DGB-Bundesvorstand

Unter den deutschen Katholiken entwickelte sich vor allem der Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning innerhalb kürzester Zeit zu einem streitbarer Verfechter der Einheitsgewerkschaft.
Im Frühjahr 1950 versuchte Nell-Breuning, Kardinal Frings davon zu überzeugen, daß die Kirche offensiver für die Einheitsgewerkschaft eintreten müsse: .... "Die derzeitige Haltung eines großen Teiles des Klerus scheint mir das, was man befürchtet, geradezu mit zwingender Notwendigkeit herbeizuführen. Man hat Hemmungen gegen die Einheitsgewerkschaft, spielt mit dem Gedanken der Wiedererweckung der - einst mit so viel Bedenken angesehenen! - christlichen Gewerkschaften und schwächt dadurch den Einsatz unserer Kräfte, der allein die Einheitsgewerkschaft auf ihrer satzungsgemäßen Linie festzuhalten vermag". Deshalb forderte Nell-Breuning den Kardinal auf: "es wäre angezeigt, den katholischen Arbeitern zu sagen, sie sollen in die Gewerkschaft hineingehen und sich für verantwortliche Arbeit in der Gewerkschaft schulen. Und dem hochwürdigen Seelsorgeklerus sagen, er solle nicht die Einheitsgewerkschaft "miesmachen" und von christlichen Gewerkschaften träumen...". Kardinal Frings ließ sich überzeugen und rief am Vorabend des 1. Mai 1950 die katholische Arbeiterschaft auf, dem DGB beizutreten. Dies konnte Nell-Breuning ebenso als ein Ergebnis seiner Bemühungen begreifen, wie die Gegnerschaft der Diözese Limburg, in der er lebte, gegen eine Christliche Gewerkschaft.
Quelle: Wolfgang Schroeder in "Vermittler zwischen Einheitsgewerkschaft und Katholizismus - Das gewerkschaftspolitische Engagement von Oswald von Nell-Breuning SJ"

Dass sich die katholische Kirche in Deutschland in einem merkwürdigen Akt der Ökumene dann den theologisch etwas sehr hohlen und historisch schwer belasteten Begriff der "Dienstgemeinschaft" zu eigen machte und in ihren eigenen Einrichtungen in den Mittelpunkt stellte - und sich so mit den selbst geschaffenen partikularrechtlichen Vorgaben zum kirchlichen Arbeitsrecht gegen die eigenen auch päpstlichen Erkenntnisse stellte, das hat der Kirche schwer geschadet. Sie ist in breiten Teilen der engagierten Arbeitnehmerschaft unglaubwürdig geworden.

Wir haben der Entwicklung in der Kirche selbst - mit einem Schwerpunkt aus katholisch-kirchlicher Sicht - bereits am 29. Oktober 2013 einen ausführlicheren Beitrag gewidmet, und dabei den Begriff der "Dienstgemeinschaft" in den Fokus unserer Ausführungen gestellt.

Es wäre höchste Zeit, aus dieser "Glaubwürdigkeitsfalle" auszubrechen. Die Diakonie in Niedersachsen zeigt, dass der einst von Werner Kalisch (aus dem Dunstkreis der "Deutschen Christen") protegierte "Dritte Weg" erodiert und zerbröselt, auch und gerade auf evangelischer Seite. Die katholische Kirche hat jetzt noch die Chance, ohne Druck die Brücke zwischen Kirche und dem DGB zu schlagen, und für sich und ihren Wohlfahrtsverband, der Caritas, den vertragslosen Zustand mit der "Kirchengewerkschaft ver.di" im DGB selbst aktiv zu beenden, sich mit der Gewerkschaft im besten Sinne des Wortes "zu vertragen". Die Kirche würde sich so mit einem Federstrich zur Bannerträgerin der eigenen Soziallehre machen, aus der selbst geschaffenen Glaubwürdigkeitsfalle ausbrechen, die kirchlichen Mitglieder in den Gewerkschaften stärken und den kirchenkritischen Stimmen den Boden entziehen, der gerade in der Gesellschaft immer wieder zur berechtigten Kritik herausfordert.
Worauf warten wir? Es war schon "fünf vor zwölf"!



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