Anlässlich der Verleihung des "Nobelpreis der Theologie", wie der Preis der vatikanischen Joseph Ratzinger-Benedikt XVI.-Stiftung auch genannt wird, in der Sala Clementina des Apostolischen Palasts an zwei deutsche Theologen *) und einen estnischen Musiker **) wurde von Papst Franziskus in dieser Woche auch das Werk seines Vorgängers, Papst Benedikt, gewürdigt:
"Sein Werk und sein Lehramt sind weiterhin ein lebhaftes und wertvolles Erbe für die Kirche und unseren Dienst."Der 90-jährige Joseph Ratzinger sei nach wie vor ein Lehrmeister für alle,
"die das Geschenk der Vernunft nutzen, um auf den Ruf der Menschen zur Suche nach der Wahrheit zu antworten",sagte Franziskus am Samstag im Vatikan.
Quellen: Domradio, katholisch.de, jeweils unter Bezug auf KNA.
Ratzinger - der zurück getretene Papst Benedikt - hat nicht nur durch seinen Rücktritt "Geschichte geschrieben". Er ist einer der Größten der theologischen Wissenschaft weltweit. Sein Werk ist für die Katholiken überall auf der Welt wegweisend. Dennoch stellt sich die Frage, ob mit dieser Würdigung nicht auch eine Botschaft an Deutschlands Katholiken verbunden sein könnte. Welche Lehren kann Franziskus gemeint haben, wenn er anlässlich der Verleihung eines nach dem deutschen Papstes benannten Preise (an zwei deutsche Theologen) auf dessen Lehramt verweist? Kann es sein, dass das auch etwas mit der katholischer Kirche in Deutschland zu tun haben sollte?
Mir fallen dazu zwei Ansprachen ein.
1.
Bei seinem zweiten Besuch als Papst in Deutschland ***) hielt Benedikt XVI. eine Abschiedsansprache am Flughafen München. Am 14. September 2006 verwies er ausdrücklich auf den 25. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Laborem exercens.
Auf der Basis dieser Grundintuition gab der Papst in der Enzyklika einige Orientierungen, die bis heute aktuell sind. Auf diesen Text, der durchaus prophetischen Wert besitzt, möchte ich auch die Bürger meiner Heimat verweisen, weil ich sicher bin, daß seine praktische Anwendung auch für die heutige gesellschaftliche Situation in Deutschland von großem Nutzen sein wird.Benedikt hat also seine deutsche Heimat ausdrücklich auf die päpstliche Enzyklika verwiesen, die wie kaum eine andere Enzyklika zuvor das Gewerkschaftsprinzip bestätigt. Und was jenseits der Oder-Neisse für polnische Katholiken gilt, kann diesseits der Grenze nicht anders sein.
2.
Fünf Jahre später - am Sonntag, 25. September 2011 - im Konzerthaus in Freiburg im Breisgau richtete Benedikt einen noch deutlicheren Appell an die versammelte Nomenklatur der deutschen Katholiken:
In der geschichtlichen Ausformung der Kirche zeigt sich jedoch auch eine gegenläufige Tendenz, daß die Kirche zufrieden wird mit sich selbst, sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam ist und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt nicht selten Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zu der Offenheit auf Gott hin, zur Öffnung der Welt auf den Anderen hin.Gewerkschaft und Verzicht auf das Machtmonopol als weltlicher Arbeitgeber - kann man es deutlicher formulieren?
Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muß die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden. Sie folgt damit den Worten Jesu: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16), und gerade so gibt er sich der Welt. Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben.
Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt. Damit teilt sie das Schicksal des Stammes Levi, der nach dem Bericht des Alten Testamentes als einziger Stamm in Israel kein eigenes Erbland besaß, sondern allein Gott selbst, sein Wort und seine Zeichen als seinen Losanteil gezogen hatte. Mit ihm teilte sie in jenen geschichtlichen Momenten den Anspruch einer Armut, die sich zur Welt geöffnet hat, um sich von ihren materiellen Bindungen zu lösen, und so wurde auch ihr missionarisches Handeln wieder glaubhaft.
Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar. Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11). Er, der unendlich über mir ist, ist doch so in mir, daß er meine wahre Innerlichkeit ist. Durch diese Art der Öffnung der Kirche zur Welt wird damit auch vorgezeichnet, in welcher Form sich die Weltoffenheit des einzelnen Christen wirksam und angemessen vollziehen kann.
...
Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung zu finden, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen. Das heißt natürlich nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen, sondern das Gegenteil. Eine vom Weltlichen entlastete Kirche vermag gerade auch im sozial-karitativen Bereich den Menschen, den Leidenden wie ihren Helfern, die besondere Lebenskraft des christlichen Glaubens zu vermitteln. ...
Ich sehe den päpstlichen Appell zur Entweltlichung auch durchaus im Kontext mit dem heutigen Sonntagsevangelium von den Dienern und ihren Talenten. Darin geht es nur vordergründig um Geld. Dahinter steckt, so Christoph Kreitmeir, Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt auf "katholisch.de", "eine Botschaft gegen Angst und für Vertrauen" - Vertrauen auch in die Wirksamkeit der eigenen, katholischen Soziallehre.
*)
Der Bonner Theologen und Dogmatiker Karl-Heinz Menke ist Mitglied der vatikanischen Kommission zum Diakonat der Frau. Papst Franziskus berief den Wissenschaftler im September 2014 in die Internationale Theologenkommission des Vatikan.
Neben dem katholischen Menke wurden auch der in Straßburg lehrende evangelische Theologe Theodor Dieter und der der 82-jährige estnische Komponist Arvo Pärt, ein orthodoxer Christ, ausgezeichnet. Dieter war unter anderem an der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" 1999 beteiligt, einem zentralen Dokument in der Ökumene zwischen der evangelischen und katholischen Kirche. Mit Arvo Pärt erhielt erstmals ein Künstler die theologische Auszeichnung. Benedikt XVI. berief Pärt 2011 als Mitglied in den Päpstlichen Kulturrat.
**)
Die diesjährige - siebte - Preisverleihung stand im Zeichen der Ökumene. Die Laudatio hielt der Präfekt des Päpstlichen Einheitsrates, der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. (gho/KNA)
***)
Die erste Auslandsreise Benedikt XVI. war im August 2005 zum XX. Weltjugendtag in Köln. Sie war einem anderen Zweck gewidmet und kann daher nicht für deutsche Katholiken als spezielle Adressaten gewertet werden.
Die Papstrede im Wortlaut bei Radio Vatikan (klick)
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