Freitag, 3. Oktober 2014

Caritas Bayern: Dumping- oder Höchstlöhne? Wir klären auf...

...gestern abend hat die Rundschau des Bayerischen Rundfunks unter dem Titel "Mehr Lohn für Caritas-Mitarbeiter" über die aktuelle Situation insbesondere in Bayern in der Caritastarifkonsensrunde* 2014/2015 berichtet.

Die Situation wird vom BR so beschrieben:
Erstmals gab es Unmut bei der Caritas. Die Mitarbeiter waren unzufrieden und warfen der Caritas Lohndumping vor. Jetzt wurde ein Kompromiss zwischen den Konfliktparteien gefunden, der noch abgesegnet werden muss.
"Absegnen": eine schöne Formulierung der Aufgaben der Regionalkommission.

Wir müssen hier im caritas-verdi-blog wohl nicht mehr erklären**, dass (und wie) die Bundeskommission einen Beschluss gefasst hat, der die Grundlage und Rahmen für die Entscheidung der Regionalkommission darstellt, aber keine eigenständige Wirksamkeit innehat. Auch ein Beschluss der Regionalkommission wird nicht unmittelbar wirksam, sondern erst dann, wenn die Bischöfe den Beschluss ausdrücklich in Kraft gesetzt haben.

Zurück zum Inhalt der Sendung: es ist davon die Rede, bei der Caritas würden die Beschäftigten "Lohndumping" wahrnehmen, während die Caritas-Sprecherin feststellt, der Caritasverband wäre "ein Sozialverband, der die höchsten Löhne in dem Bereich überhaupt zahlt..."

Was ist nun richtig?

Richtig ist, dass in Bayern beim Caritasverband bis Februar 2014 die Vergütungen sich im Wesentlichen am TVöD orientiert haben. Die Tarifparteien des TVöD kommunal (an dem sich der Caritasverband traditionell orientiert), KAV und Ver.di, haben sich im April auf Tariferhöhungen geeinigt, die nun modifiziert von der Bundeskommission der AK am 27. 9. beschlossen wurden, und als Empfehlung für die weiteren Beratungen und Beschlussfassungen in den Regionalkommissionen dienen:

Das sieht so aus:
TVöD: 3,0 % mindestens aber 90 Euro zum 1.3.2014
Caritas: 3,0 % zum 1.7.2014
TVöD: 2,4 % zum 1.3.2015
Caritas: 2,4 % zum 1.3.2015, davor wird aber das bis dahin geltende Tabellenentgelt, wo erforderlich, mit 90 Euro "Mindestbetrag" aufgestockt.

Lohndumping?
Am 1.3.2015 sind dann die Tabellenwerte wieder vergleichbar. Die Einbußen von mindestens 90 Euro monatlich für 4 Monate (in den unteren Lohngruppen mehr, weil die 90-Euro-Sockel- Erhöhung insgesamt ein Jahr später erfolgt) sind ärgerlich, aber noch kein Lohndumping ***.

Höchste Löhne?
Wenn der BK-Beschluß für Bayern übernommen wird, dann besteht ab 1.3.2015 wieder eine weitgehende Identität von TVöD-Tabellen und AVR-Caritas Tabellen. Vom März 2014 bis Juni 2014 sind alle Tabellenlöhne im TVöD höher als in der AVR Caritas, von Juli 2014 bis Februar 2015 ist bei denjenigen Mitarbeitern, deren Tabellenlöhne unter 3000 Euro liegen, der TVöD besser als die AVR Caritas. Caritas und höchste Löhne? - Völliger Quatsch.

Das alles natürlich unter dem Vorbehalt, dass die Regionalkommission Bayern vom BK-Beschluss nicht nach oben oder unten ausbricht...

Fazit: die Löhne bei der Caritas sind weder Dumping- noch Höchstlöhne!


Wir werden weiter berichten und weiter aufklären.




* irgendwie muss man ja zum Ausdruck bringen, dass die Caritas im 3. Weg unterwegs ist und keine von Artikel 9 GG geschützten Tarifverhandlungen führt, sondern den Konsens in Kommissionen sucht, die nach den Regeln des deutschen Caritasverbandes arbeiten

**denn das tun wir ohnehin ständig

*** DGB-Zitat:
"Von Lohndumping wird gesprochen, wenn für eine Vollzeitbeschäftigung Löhne vereinbart werden, die unterhalb des Existenzminimums liegen. Auch Löhne unterhalb des tariflichen Niveaus der jeweiligen Branche gelten als Dumping, ebenso Entgelte von weniger als zwei Drittel des ortsüblichen Lohnes für eine Tätigkeit."


Die Begrffe "Lohndumping, Lohnwucher und Lohnbetrug" werden vielfach synonym gebraucht. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, und eine Klärung der Begriffsvielfalt versuchen:

Der Begriff "Lohnwucher" wird juristisch für eine rechtswidrige Ausbeutung verwendet. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.04.2009 (AZ.: 5 AZR 436/08) ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Die Frage, was der "üblicherweise gezahlte Tariflohn" sei, wäre im Einzelfall zu prüfen. Bislang gelten die AVR Caritas nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 - 6 AZR 160/05), ein AVR-Lohn kann also kein "Tariflohn" sein. Demgemäß haben die kirchlichen Wohlfahrtsverbände bislang vermieden, diese "magische Grenze" von 2/3 des vergleichbaren Tariflohnes (TVöD) zu unterschreiten.
Die Dienstgeberseite der Caritas hat aber das erklärte Ziel, die "Gleichwertigkeit der kirchlichen Arbeitsvertragsbedingungen mit Tarifverträgen" zu erreichen. Wenn das gelänge, könnte kein Lohn, der im "Dritten Weg" zustande gekommen ist, den Tatbestand des Lohnwuchers erfüllen.

In dem Zusammenhang kann vielleicht auch noch erwähnt werden, dass "Lohnbetrug" - also die Nichtabführung von Sozialbeiträgen bzw. deren Vorenthaltung nach § 266 a StGB ein Straftatbestand ist.

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