Mit seiner Reihe von Adventspredigten im Mainzer Dom über «Die grossen sozialen Fragen der Gegenwart» wird 1848 Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877) zum Vorreiter der kirchlichen Sozialverkündigung. Papst Leo XIII. nennt Ketteler in seiner Enzyklika «Rerum novarum» 1891 «unseren grossen Vorgänger».teilweise zitiert aus kath.ch
«Rerum novarum»
Am 15. Mai jährt sich die Veröffentlichung der ersten Sozialenzyklika eines Papstes - veröffentlich im Jahr 1891.
«Rerum novarum» (Über die neuen Dinge) ist das erste päpstliche Rundschreiben zur Arbeiterfrage und das grundlegende Dokument der katholischen Soziallehre. Bereits hier wird in Rd.Nr. 36 eine positive Würdigung der "Arbeitervereine" (später Gewerkschaften) vorgenommen:"... man kann nur wünschen, dass sie an Zahl und an innerer Kraft zunehmen. ..."
«Singulari quadam
In der recht kurzen Enzyklika vom September 1912 an die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands erklärt Pius X. ausdrücklich, dass Katholiken nicht nur den konfessionellen katholischen Vereinigungen sondern auch den überkonfessionellen und nichtkonfessionellen Gewerkschaften beitreten können. In dieser Frage war der "Deutsche Gewerkschaftsstreit" entstanden.
«Quadragesimo anno»
40 Jahre nach "Rerum novarum" aktualisiert Pius XI. am 15. Mai 1931 in der Enzyklika «Quadragesimo anno» die Lehren von Leo XIII. Unter Mitgestaltung der deutschen Jesuiten Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning entfaltet er unter anderem das Prinzip der Subsidiarität, nach dem das jeweils gesellschaftlich oder institutionell untergeordnete Glied Probleme und Aufgaben möglichst eigenständig lösen soll. Nur wenn die Aufgabe zu gross ist, soll die übergeordnete Instanz in die Verantwortung treten.
Auch hier wird in Rd.Nr. 31 ff der "Zusammenschluß der Arbeiter", also das Koalitionsrecht ausdrücklich begrüßt und gefordert.
In Nr. 91 ff wird dagegen ausdrücklich "Kritik am faschistischen Korporativstaat" geübt, dessen konkrete Ausgestaltung mit der Ideologie der "Betriebs- und Dienstgemeinschaft" wohl den "Dritten Weg" der Kirchen in Deutschland maßgeblich beeinflusst hat.
Quelle ver.di - das Geschehen wird in den Tagebuchnotizen von (seit 1921 Kardinal) Faulhaber und sicher auch von anderen Bischöfen ignoriert
«Pfingstbotschaft 1941»
Die Kritik an staatlichen (hoheitlichen) Regelungen der Arbeitsverhältnisse aus Quadragesimo anno wird in der Ansprache zum Pfingstsonntag am 1. Juni 1941 erneuert. "Pflicht und Recht zur Ordnung des arbeitenden Volkes" sei zunächst Sache der unmittelbar Beteiligten, also Arbeitgeber und Arbeitnehmern (und nicht einer Seite) - und nur, wenn diese ihre Aufgaben nicht erfüllen könnten, sei es Aufgabe des Staates einzugreifen.
«Ansprache an die Delegierten der istalienischen Arbeitervereine»
In Nr. 3 der Ansprache vom 11. März 1945 mach Pius XII. deutlich, dass sich christliche Arbeitervereine und die kurz zuvor gegründete italienische Einheitsgewerkschaft nicht ausschließen, nicht in Konkurrenz zueinander stehen sondern sich ergänzen.
«Brief an Karinal Faulhaber vom 1.11.1945»
In seinem Brief greift Pius XII. sowohl die Aussagen aus "Singulare Quadam" wie auch aus der Ansprache vom März 1945 auf und betont ausdrücklich dies Akzeptanz einer nicht konfessionsgebundenen Einheitsgewerkschaft.
«Mater et magistra»
Die Enzyklika «Mater et magistra» (Mutter und Lehrerin) von Papst Johannes XXIII. vom 15. Mai 1961 haben Zeitgenossen auch als «Mitbestimmungs-Enzyklika» bezeichnet. Sie spricht den Arbeitern ein Recht auf aktive Teilnahme am eigenen Unternehmen zu. In Nr. 97 wird die Stärkung der "Arbeiterorganisationen" (Gewerkschaften) gewürdigt und ausdrücklich die Aufgabe und Existenz der Tarifverträge bestätigt.
«Pacem in terris»
Die Enzyklika von Joh, XXIII. vom 11. April 1963 bestätigt in Rd. Nr. 23 f ausdrücklich und ausnahmslos das umfassende Koalitionsrecht (Recht auf Gemeinschaftsbildung), die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu allen möglichen Zwecken.
Gaudium et spes»
Die Enzyklika vom 7. Dezember 1965 bekräftigt die vorhergehenden Aussagen und stellt diese in einen aktualisierten Kontext. Auch hier wird - in Rd. Nr. 68 - das gewerkschaftliche Koalitionsrecht ausdrücklich bestätigt und der Streik als "ultima ratio", also als letztes Mittel, als "unentbehrlich" bezeichnet.
«Ansprache bei der 75-Jahrfeier von "Rerum novarum" am 22.5.1966»
Die Ansprache führt u.a. aus (Rd.Nr. 5)"Die Kirche hat das Recht auf gewerkschaftlichen Zusammenschluß anerkannt, verteidigt und gefördert und dabei eine gewisse theoretische und historische Vorliege für koprprative und bipolare Formen überwunden. ...(Anm.: schade, dass diese Erkenntnis noch nicht über die Alpen vorgedrungen ist und so die Residenzen der deutschen Bischöfe noch nicht erreicht hat)
«Populorum progressio»
Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) behandelt Paul VI. OStern 1967 , am 26. März - in seinem wichtigsten Sozialschreiben «Populorum progressio» (Der Fortschritt der Völker) die Themen Frieden und Gerechtigkeit und die "Solidarische Entwicklung der Menschheit (Rd.Nr. 43 ff)".
Als Schlüsselwort für globale Gerechtigkeit führt Paul VI. den Begriff der «Entwicklung» in die katholische Soziallehre ein, der auch mehr Teilhabe an Bildung, sozialem und politischem Leben bedeute. Revolution als Mittel dorthin lehnt der Papst ab. Dennoch räumt er «im Fall der eindeutigen und lange dauernden Gewaltherrschaft» auch die Möglichkeit eines legitimen Umsturzes ein.
«Ansprache vor der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO)»
Die Ansprache vom 10. Juni 1969 greift den Gedanken der Entwicklung aller Völker auf - diese hätten ein "Recht auf Entwicklung" (Rd.Nr. 22).
«Octogesima adveniens»
Das Apostolische Schreiben vom 14. Mai 1971 ist zunächst an den Präsidenten des Laienrates und der Päpstlichen Kommission "Justitia et Pax" gerichtet. Es betont bereits in Rd.Nr. 14 das Koalitionsrecht und die große Bedeutung der Gewerlschaften.
«De justitia in mundo»
Dieses Dokument von 1971 ist an die Römische Bischofssynode gerichtet. In Rd.Nr. 42 wird klar gestellt, dass die Mitarbeitenden in der Kirche "jedes Recht" wie alle anderen Arbeitnehmer auch hätten. Dies sei"unbedingt zu achten. Keiner, welcher Art auch immer seine Beziehungen zur Kirche sein mögen, darf in den jedermann zustehenden Rechten verkürzt werden. Wer der Kirche durch seine Tätigkeit dient ... soll auskömmlichen Lebensunterhalt beziehen und an den in seinem Lande bestehenden Vorkerhungen sozialer Sicherheit teilnhaben. Laienkräfte sollen angemessene Entlahung erhalen und (die gleichen) Chancen des Aufstiegs haben. Erneut dringen wir darauf, das Laien mehr Verantwortung hinsichtlich des kirchlichen Vermögens und Anteil an dessen Verwaltung haben sollen.Evangelii nuntiandi»
Desgleichen fordern wir für die Frauen den ihnen gebührenden Anteil an der Verantwortung und überhaupt am öffentlichen Leben, nicht zuletzt in der Kirche ..."
Das Apostolische Schreiben vom 8.12.1972 an den Episkopat, den Klerus und alle Gläubigen der katholischen Kirche betont in Rd.Nr. 39 die Religionsfreiheit als erstrangiges Recht aller Menschen. Im Kontext mit dem vorgenannten Dokument von 1971 ist damit klar gestellt, dass die Religionsfreiheit auch für kirchliche Mitarbeitende gelten muss. Daher sind - soweit nicht etwa besondere Vorschriften etwa für Kleriker gelten - grundsätzlich Mitarbeitende aller Religionen im kirchlichen Dienst möglich.
«Laborem exercens»
«Laborem exercens» vom 14. September 1981 ist die erste von mehreren Sozialenzykliken von Johannes Paul II. (1978-2005). Im IV. Kapitel werden die "Rechte des arbeitenden Menschen" umfassend aufgeführt. Das Unterkapitel Nr. 19 listet das Recht auf Lohn und besondere Sozialleistungen auf, im Unterkapitel 20 wird die Bedeutung der Gewerkschaften ausdrücklich gewürdigt und im Absatz 7 das Recht zum Streik ausdrücklich betont.
«Libertatis conscientia»
Diese Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre geht im Kaptiel 5. auf die Soziallehre der Kirche ein. In Rd.Nr. 77 wird ausdrücklich erklärt, warum die Kirche die Gründung und das Wirken von Vereinigungen wie den Gewerkschaften fördert. In Rd.Nr. 89 wird auf den Wert der Solidarität verwiesen.
«Sollicitudo rei socialis»
Zum 20. Jahrestag von «Populorum progressio» widmet sich 1987 Johannes Paul II. nach dem Gegensatz von Ost und West nun auch dem Nord-Süd-Konflikt. «Sollicitudo rei socialis» (Die Sorge um das Soziale) wurde am 30.12.1987 veröffentlicht. In dem Rundschreiben ermahnt den reichen Norden zu wirksamer Hilfe. Zugleich fordert der Papst darin grundlegende Reformen in den Entwicklungsländern ein.
Zum 100. Jahrestag («Centesimus annus») von «Rerum novarum» – und zwei Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa – rechnet der Papst aus Polen 1991 nicht nur mit dem untergegangenen System ab, sondern auch mit den Auswüchsen eines ungezügelten Kapitalismus.
Gewürdigt wird erstmals in dieser Deutlichkeit die positive Rolle des Unternehmertums für eine funktionierende Volkswirtschaft. Verfechter des klassischen Konzepts einer Sozialen Marktwirtschaft lesen das Dokument als päpstliches Bekenntnis zu dieser Idee.
«Centesimus annus»
Die dritte große Sozialenzyklika von Johannes Paul II. datiert vom 1. Mai 1991. Zunächst fasst der Papst die wichtigsten Aussagen früherer Enzykliken zusammen. Im IV. Kapitel (Rd. Nr. 35) geht der Papst dann auf die Aufgaben der Gewerkschafen ein:Hier tut sich ein großes und fruchtbares Feld des Einsatzes und des Kampfes im Namen der Gerechtigkeit für die Gewerkschaften und für die anderen Organisationen der Arbeit auf, die ihre Rechte verteidigen und ihre Subjektivität schützen."und in Rd.Nr. 43 erklärt der Papst zum Ausgleich der Interessen zwischen Arbeitnehmern und ArbeitgebernDie Kirche hat keine eigenen Modelle vorzulegen.Er verweist vielmehr auf die notwendige Orientierung an der kirchlichen Soziallehre. Dieser komme die Bedeutung eines Instrumentes der Glaubensverkündung zu (Rd.Nr. 54).
«Caritas in veritate»
Die erste Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) trägt 2009 den Titel «Caritas in veritate» (Die Liebe in der Wahrheit). Sie beschäftigt sich wie vorhergehende Enzykliken mit den Folgen der Globalisierung und der Wirtschafts- und Finanzkrise für das menschliche Zusammenleben.
Eigentlicher Anlass sollte 2007 der 40. Jahrestag von «Populorum progressio» sein. .
«Laudato si»
«Laudato si» von Papst Franziskus (2015) gilt zwar als die erste päpstliche «Umweltenzyklika». Das Schreiben ist aber auch eine «grüne Sozialenzyklika» – denn Franziskus vertritt eine «ganzheitliche Ökologie» aus der Sicht der Ärmsten. Über Umweltschutz kann man aus Sicht von Franziskus nicht sprechen, ohne soziale Gerechtigkeit, das globale Wirtschaftssystem, die Flüchtlingsproblematik und die Menschenrechte in den Blick zu nehmen.
«Fratelli tutti»
Am Samstag 3. Oktober 2020 hat Franziskus in Assisi seine neue Enzyklika unterzeichnen: «Fratelli tutti». Im ersten Kapital versucht der Papst eine schonungslose gesellschaftliche Analyse. Im dritten Kapitel entwirft er dann unter dem Titel "EINE OFFENE WELT DENKEN UND SCHAFFEN" die Vision einer besseren Welt. für die er vor Rd.Nr. 103 das Motto der "französischen Revolution" aufgreift: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Zum "Wert der Solidarität" führt er unter andem aus:Es bedeutet auch, dass man gegen die strukturellen Ursachen der Armut kämpft: Ungleichheit, das Fehlen von Arbeit, Boden und Wohnung, die Verweigerung der sozialen Rechte und der Arbeitsrechte. Es bedeutet, dass man gegen die zerstörerischen Auswirkungen der Herrschaft des Geldes kämpft [...]. Die Solidarität, verstanden in ihrem tiefsten Sinne, ist eine Art und Weise, Geschichte zu machen, und genau das ist es, was die Volksbewegungen tun«.undNiemand darf aufgrund seiner Herkunft ausgeschlossen werden und schon gar nicht aufgrund der Privilegien anderer, die unter günstigeren Umständen aufgewachsen sind. Auch die Grenzen und Grenzverläufe von Staaten können das nicht verhindern. So wie es inakzeptabel ist, dass eine Person weniger Rechte hat, weil sie eine Frau ist, so ist es auch nicht hinnehmbar, dass der Geburts- oder Wohnort schon von sich aus mindere Voraussetzungen für ein würdiges Leben und eine menschenwürdige Entwicklung liefert.wahrhaft - prophetische Worte
Infoblog für Verdi-Betriebsgruppen in Caritas-Einrichtungen & Interessierte. In Bayern und anderswo.
Freitag, 2. Mai 2025
Zum Geleit - Sozialenzykliken und andere Aussagen der Päpste
Zum Erscheinen der dritten Enzyklika von Papst Franziskus stellte die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die wichtigsten Verlautbarungen vor (vgl. kath.ch). Wir erinnern zu Beginn des Monats Mai an diese Entzykliken und weisen auch auf einige ergänzende Ansprachen, Briefe und Dokumente hin, die ebenso Bestandteil des päpstlichen Lehramtes sind:
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