Sonntag, 5. Mai 2019

Sonntagsnotizen - Kardinal Faulhaber und die Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung 1933

Unter dem Titel "Ein etwas anderer Wochenrückblick" haben wir am 15. November 2015 auf die Veröffentlichung der Tagebücher von Erzbischof Faulhaber (1911–1952) - mit dem Untertitel "Katholische Kirche in den dunklen Jahren" hingewiesen, und ausgeführt:
Es wird spannend, die Bemerkungen Faulhabers aus dem Jahr 1937 nachzulesen, dem Jahr, in dem im März von Papst Pius XI durch die Enzyklika "Mit brennender Sorge" klare Worte "An die Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands ... über die Lage der katholischen Kirchen im Deutschen Reich" richtete.

Inzwischen sind die Veröffentlichungen der Tagebücher Faulhabers weiter fortgeschritten.
Katholisch.de berichtet aktuell:
Von den Tagebüchern des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber (1869-1952) lässt sich nun der Jahrgang 1945 online nachlesen. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, wie der Kirchenmann das Kriegsende erlebte, was er über das Konzentrationslager Dachau wusste und wie er sich bei der US-amerikanischen Militärregierung für NS-belastete Persönlichkeiten einsetzte. Im Rahmen der wissenschaftlichen faulhaber-edition.de soll noch in diesem Jahr der Jahrgang 1946 folgen.
Grund genug für uns, die Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers wieder einmal einzusehen.
Das Jahr 1937 fehlt noch - aber die Tagebucheinträge von 1933 sind online verfügbar.

Natürlich haben wir uns die Notizen zur Besetzung der Gewerkschaftshäuser (am 2. Mai 1933) und der Gründung der u.a. in 18 "Reichsbetriebsgemeinschaften" gegliederten Deutsche Arbeitsfront (DAF) als "Ersatzorganisation der Gewerkschaften" (am 10. Mai 1933) angesehen. Schließlich wurde seinerzeit - noch vor dem Reichskonkordat - auch die christlichen Gewerkschaften und damit das kirchliche Standbein in der Arbeiterschaft zerschlagen.
Das Tagebuch vom 2. Mai 1933 enthält aber keinen erkennbaren Hinweis auf das Geschehen.
Am 1. Mai 1933 nahm Faulhaber wenigstens noch das "Faktum und den Grund des Feiertages" wahr:
Montag,1. Mai 33: Der Tag der nationalen Arbeit. Strenger Feiertag, am Sonntag voraus wird gehämmert und Bäume gefahren. Die Häuser sollen alle mit Grün und Fahnen geschmückt werden. Wir hängen weißblaue und schwarzweißrote heraus und schmücken den Balkon grün. Zum Ordinariat waren Bäume geschickt worden. Straßen wie ausgestorben. Gestern Abend das Feuerwerk verregnet. Gottesdienst der erwerbstätigen Vereine. Im nächsten Jahr wohl auch kirchlicher Feiertag.
Und was schreibt Faulhaber am 3. Mai 1933 - als die Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung doch langsam bekannt sein musste?
Mittwoch,3. Mai: Pontifikalamt in Scheyern. In der Nacht Regen, unter Tag vormittags helle warme Sonne unter blauem Himmel, gegen Abend Gewitterregen, auf der Heimfahrt zweimal durch Regen. Noch nie so viele Pilger wie heute, obwohl vorgestern Nationaler Feiertag war.
In Gesprächsprotokollen mit dem NS-Staatsminister Hans Schemm (vom 04. und 06. Mai 1933) ergibt sich dann, dass die Erhaltung der katholischen Vereine durchaus Gesprächsgegenstand war. Mit der Zusage Schemms: "Er denke nicht daran, an das Eigenlebender katholischen Vereine zu rühren." gab sich Faulhaber anscheinend zufrieden.
Am 6. Mai 1933 notiert Faulhaber:
Für die katholischen Arbeitervereine eine Katastrophe.
Am 17. Mai notierte Faulhaber dann Gespräche u.a. mit dem Diözesanjugendseelsorger Dr. Kendler um die Zukunft der katholischen Jugend.

Von der Zerschlagung der Gewerkschaften findet sich also in den Tagebüchern Faulhabers kein Wort. Auch die christlichen oder wenigstens die katholischen Gewerkschaften waren Faulhaber scheinbar keinen Aufschrei wert. Das weckt die Auffassung, dass für den "Kirchenfürsten Faulhaber" - der sich als Bischof von Speyer im "Deutschen Gewerkschaftsstreit" für gemischte Gewerkschaften eingesetzt hatte - die soziale Frage absolut nebensächlich war.
Tatsächlich hatte sich Faulhaber ja schon im "Deutschen Gewerkschaftsstreit" positioniert. Die Problematik war ihm also nicht fremd. Im Buch "Der Kairos im Chronos der Geschichtlichkeit: Michael Faulhaber als Bischof von Speyer" wird das Verhältnis Faulhabers auf S. 289 so formuliert:
In der Auseinandersetzung um christliche Gewerkschaften fiel Faulhaber insofern auf, als er ein Gutachten zu dieser Fragestellung ausfertigte. Im Auftrag des ...Nuntius in Bayern … verfasste der Speyrer Bischof … ein auf den 21. Juli 1919 datiertes Gutachten für Pius X. … indem er auf die Problematik der gemischten bzw. christlichen Gewerkschaften zu sprechen kam. Bereits eingangs hielt der Speyrer Bischof fest, dass zwar konfessionell einheitliche, sprich katholische Gewerkschaften zu bevorzugen seien, dass gemischte Gewerkschaften aber auch "geduldet" werden könnten. … Die katholischen Arbeiter stünden einer doppelten Opposition gegenüber. Zum einen den meist protestantischen Fabrikbesitzern, die rein katholischen Gewerkschaften feindlich begegnen würden, zum anderen den Sozialdemokraten die vor allem in den Reihen der Arbeiter eine starke Anhängerschaft hätten. Vor dem Einfluss und der Willkür der Fabrikbesitzer könnten die Arbeiter, so Faulhaber, in einer gemischten Gewerkschaft besser geschützt werden als in einer rein katholischen Vereinigung. ...
Es musste Faulhaber klar sein, dass mit der Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung auch die katholischen Arbeiter einen mächtigen Schutz verloren.

Findet sich dazu mehr als eine beiläufige Bemerkung in Faulhabers Notizen?

Wir haben keine gefunden, aber wir würden uns durchaus freuen, wenn sich noch etwas anderes bestätigen würde.

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