Freitag, 4. Februar 2022

Visitation eines kirchenrechtlichen Vereins vor dem Interdiözesane Datenschutzgericht (IDSG)

Das Interdiözesane Datenschutzgericht hat einen weiteren Beschluss veröffentlicht (IDSG 03/2020 vom 9. Dezember 2021). Bekannt war bisher ein nicht-amtlicher Leitsatz, demzufolge es um die Einstufung der Tatsache eines Vorsitzes in einem öffentlichen kirchlichen Verein unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten und um die Weitergabe eines Visitationsberichts an Dritte geht. Hier wurde schon angemerkt, dass die erste Frage große praktische Folgen für kirchliche Vereine haben könnte.
berichtet Artikel 91 Blog.
Der Blog befasst sich insbesondere auch mit den Verweisen des IDSG auf das universelle Kirchenrecht, wie der kirchenrechtlichen Bewertung der Vorstandstätigkeit eines öffentlichen katholischen Vereins (cc. 312 ff CIC), der Anwendung von can. 220 CIC und dem Visitationsrecht des Bischofs. Der Bericht im Artikel 91 Blog ist ausführlich und sachlich gut ausformuliert, so dass wir uns eine Bewertung der Entscheidung ersparen können.

Fraglich ist für uns allerdings nach wie vor, wieso es ein eigenes kirchliches Datenschutzrechts und eines kirchlichen Datenschutzgerichtes bedarf.
Can. 221 CIC garantiert allen Gläubigen einen umfassenden Rechtsschutz gegen einen Eingriff in und eine Beschränkung ihrer Rechte, zu denen auch der Schutz des guten Rufes (can. 220 CIC) gehört.
Der innerkirchliche Rechtsschutz ist umfassend ausgebaut (Buch VI. cc. 1311-1399 und Buch VII cc. 1400 - 1752 des CIC) - bis hin zur Wiedergutmachung von Schäden (cc. 57 § 3; 128; 982; 1062 § 2; 1347 § 2, 1357 § 2 CIC) und benötigt keine speziellen "Sondergerichte".
Die Kirchen in den Staaten der EU kommen auch sehr gut mit dem staatlichen Recht zurecht. Daher bedarf es keiner eigener spezieller Kirchengerichte - wie etwa beim Datenschutz der Blick in die europäischen Nachbarstaaten (z.B. Italien) zeigt.

Solche speziellen Kirchengerichte werden nur erforderlich, wenn vom Staat oder zum weltlichen Recht unabhängige Parallelnormen geschaffen werden, für die der Staat (trotz seiner Justizgewährleistungspflicht) einen gerichtlichen Rechtsschutz verweigert. Dann aber ergibt sich sehr schnell das Problem der "Durchsetzung" bzw. "Vollstreckung" von solchen kirchengerichtlichen Entscheidungen. Denn hier geraten die sogenannten Kirchen"gerichte" in Konkurrenz zur "Staatsgewalt" (staatliches Gewaltmonopol), die nun einmal dem Staat und seinen Organgen vorbehalten ist. Dementsprechend ist etwa im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts (vgl. § 53 Abs. 3 KAGO) auch keine Vollstreckung von Entscheidungen vorgesehen. Die "schwerste Strafe" ist die Verhängung einer Geldstrafe (die vom Verurteilten bezahlt werden kann oder auch nicht) und der "verschärfte Liebesentzug des Bischofs", der dann auch im Amtsblatt bekannt gemacht werden kann. Das wars dann aber auch. Dementsprechend sind Vollstreckungsmaßnahmen wie in § 53 KAGO allenfalls "für den Kamin" geeignet.
Und es hilft auch nicht weiter, den Kirchengerichten Zwangsmittel zur Durchsetzung eines Verwaltungszwanges (vgl. Art. 29 ff BayVwZVG) zu ermöglichen. Denn kirchliche Gerichte sind nicht unabhängig. Sie haben nur die vom jeweiligen Bischof delegierte Macht, sprechen nicht "im Namen des Volkes" sondern "im Auftrag des Bischofs" - und sind daher auch nicht befugt, kirchliche Normen zu kontrollieren (vgl. § 2 Abs. 4 KAGO -Verbot der. Normenkontrolle- im Gegensatz zu § 47 VwGO).
Die (deshalb sogenannten) Kirchen"gerichte" müssen also bischöfliches Recht anwenden, selbst wenn das noch so sehr gegen übergeordnete und auch verfassungsrechtliche Vorgaben (z.B. Schrankenvorbehalt) verstößt.
Dieses autoritäre System - der Bischof ist in seinem Bistum oberster Gesetzgeber, Ankläger und Richter, und über einen Bischof kann dann nur ein Bischof richten - verträgt sich nicht mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung eines demokratischen Rechtsstaates.

Die speziellen Kirchengerichte schließen tendentiell einerseits die staatliche Gerichtsbarkeit aus, bleiben aber andererseits hinter dem gut ausgebauten allgemeinem kirchlichen Rechtsschutz zurück. Sie beschränken so gesehen den in can. 221 CIC eigentlich garantierten umfassenden Rechtsschutz.

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