Mittwoch, 2. Februar 2022

LAG Köln (Urteil vom 02.11.2021 – 4 Sa 290/21) - fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen das BDSG - auch bei der Evangelischen Kirche

Zum Sachverhalt:
Eine Pfarrangestellten hatte Daten über einen Chatverlauf einer Dritten Person mit dem Pfarrer aus einer E-Mail mehrmals unerlaubt weitergegeben - und wurde darauf hin fristlos gekündigt.
Mit Urteil vom 22.04.2021 hatte das Arbeitsgericht Aachen zunächst der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung beim LAG Köln hatte Erfolg:
LAG Köln, Pressemitteilung vom 03.01.2021 zum Urteil 4 Sa 290/21 vom 02.11.2021

Liest eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen ihrer Buchhaltungsaufgaben Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto ihres Arbeitgebers hat, unbefugt eine an ihren Vorgesetzten gerichtete E-Mail und fertigt von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie an, die sie an eine dritte Person weitergibt, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln am 02.11.2021 entschieden und das anderslautende Urteil des ArbG Aachen vom 22.04.2021 – 8 Ca 3432/20 – aufgehoben.

Die Klägerin ist bei der Arbeitgeberin, einer evangelischen Kirchengemeinde, seit 23 Jahren als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt. Soweit für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. In diesem Dienstcomputer nahm die Klägerin eine E-Mail zur Kenntnis, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau hinwies. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete. Die Klägerin gab an, sie habe die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern wollen. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos.

Erstinstanzlich hatte die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem ArbG Aachen Erfolg. Das Gericht erkannte in ihrem Verhalten zwar einen an sich wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung, hielt diese jedoch aufgrund des langen und bisher unbelastet verlaufenen Arbeitsverhältnisses und mangels Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Kirchengemeinde hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Köln sah das für die Aufgaben der Klägerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Klägerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Klägerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Aus der Entscheidung des LAG:
Gegen das ihr am 29.04.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.05.2021 Berufung eingelegt und diese am 15.06.2021 begründet. ...

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.04.2021, Az. 8 Ca 3432/20, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
...
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil .....

II. Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24.09.2020 aufgelöst worden. Die Kündigung ist wirksam.

1. Die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2020 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst, ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung liegt vor, die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB wurde gewahrt und die Mitarbeitervertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt.
...
a. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB liegt vor. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist der Beklagten unzumutbar.
...
b. Nach diesen Grundsätzen liegt ein wichtiger Grund für die ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vor.
(wird ausgeführt)
Die Klägerin hat durch das Kopieren und Weitergeben des Chatverlaufes die private Kommunikation zwischen zwei Personen vervielfältigt und verbreitet. Es kommt nicht darauf an, ob die Kammer die jeweiligen Nachrichten aus ihrer Sicht als intim oder als belanglos bewertet. Erheblich ist, dass die vertrauliche Kommunikation der beiden Teilnehmer, die der Chatverlauf darstellt, die Privatsphäre und damit die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte betrifft.

Dazu aus datenschutzrechtlicher Sicht:
Beide Gerichte sahen aus datenschutzrechtlicher Sicht die Berechtigungen als auf den zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben notwendigen Umfang beschränkt an, was sich aus § 26 Abs. 1 S.1 BDSG ergebe. Das Öffnen von an den Pfarrer selbst adressierten E-Mails samt Anhängen verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, so die Gerichte. Durch das Ausdrucken der E-Mail und das Kopieren der Chatverläufe, habe die Klägerin ihre Berechtigung erheblich überschritten. Sie sei sich dabei bewusst gewesen, dass die E-Mail weder für sie bestimmt gewesen sei, noch diese von ihr für den Kassenschluss gelesen werden musste.
(Quelle)
Auch das LAG Köln (vom 02.11.2021 – 4 Sa 290/21) nimmt also auf § 26 BDSG Bezug, obwohl nach kirchlicher Meinung das DSG-EKD (es handelt sich um einen Fall im Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland) einschlägig gewesen wäre. Die DS-GVO hat am 25.05.2018 Geltung erlangt und das bis dato geltende BDSG a.F. abgelöst. Insoweit hätte ggf. die DS-GVO als Rechtsgrundlage für die Entscheidung dienen müssen.

Weitere Quellen:
De.jure.org mit weiteren Nachweisen, z.B. open jur ,

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