Freitag, 12. August 2016

Helios-Konzern scheitert mit Ausschlussverfahren gegen Betriebsratsmitglied

 Der Fall ist sicher nicht nur für den Bereich privater Kliniken und den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes von Interesse, sondern auch für kirchliche Gesundheits-/Pflege-/Sozialkonzerne. Auch dort soll es knappe Personaldecken, Gefährdungsanzeigen und unerfreuliche Reaktionen auf solche geben...


Helios-Klinikum Salzgitter
34 Patienten - versorgt nur von einer Krankenschwester und einer Auszubildenden? Das Helios Klinikum Salzgitter findet das ganz normal und wollte das Betriebsratsmitglied Jana aus dem Betriebsrat ausschließen lassen, nachdem Jana im April 2015 der betroffenen Krankenschwester bei der Abfassung einer sog. Gefährdungsanzeige behilflich war.Das Arbeitsgericht Braunschweig hat in seiner heutigen Verhandlung diesen Antrag abgewiesen. Jana habe keinen Pflichtverstoß begangen, sondern ihre Aufgaben als Betriebsrat ordnungsgemäß wahrgenommen.
Die Gewerkschaft ver.di sieht darin eine wegweisendende Entscheidung mit bundesweiter Bedeutung. „Helios ist mit dem Versuch gescheitert, persönlichen Druck auf einzelne Betriebsratsmitglieder auszuüben, die die Personaldecke kritisieren und sich somit kritisch zu dem Geschäftsmodell des Konzerns stellen. Das ist ein wichtiges Signal für alle Beschäftigten, aber auch für die Patienten. Die Betriebsräte können nun wieder ohne Angst ihren Aufgaben nachkommen“, so Jens Havemann, verdi- Krankenhausexperte in Braunschweig.
Vielfältige Auseinandersetzungen der Betriebsräte mit Helios zum Thema PersonalausstattungDer Gerichtsprozess steht im Kontext mit vielfältigen Auseinandersetzungen der Betriebsräte in den Helios-Kliniken. Thema dabei immer wieder die unzureichende Personalausstattung!
Offensichtlich wird die zu dünne Personaldecke – wie auch im Fall Jana - stets bei Krankheitsausfällen. Die Personalausstattung ist so eng, dass Krankheitsausfälle zu großen Schwierigkeiten führen. Entweder müssen Beschäftigte kurzfristig aus ihrem Frei geholt werden oder die vorhandenen Beschäftigten, die ohnehin schon an der Grenze des Leistbaren sind, werden vor die vielfach unlösbare Aufgabe gestellt, die wichtigsten Arbeiten der erkrankten Kollegen irgendwie abzudecken. Auszubildende werden häufig zwischen den Stationen hin und her geschoben, um die größten Lücken zumindest notdürftig zu stopfen. Ob sie dafür qualifiziert sind, ist nicht entscheidend.
Betriebsräte in den Helios-Kliniken fordern deshalb zusätzliches Personal. Helios kann sich nicht der Verantwortung entziehen, Vorkehrungen für Krankheitsfälle zu treffen. Die Betriebsräte haben deshalb Gerichtsverfahren eingeleitet, um Helios über die Zahlung von Strafgeldern zu Verbesserungen zu bewegen.

Amtsgericht Braunschweig lehnt die von Helios beantragte Abberufung des Gewerk- schaftsvertreters aus dem Aufsichtsrat Klinikum Salzgitter abAuch in einem zweiten Ausschlussverfahren ist Helios gescheitert. Das Amtsgericht Braun- schweig lehnte es mit Beschluss vom 1. August 2016 ab, den Gewerkschaftsvertreter Jens Havemann aus dem Aufsichtsrat des Klinikums Salzgitter auszuschließen. Helios hatte diesen Ausschluss mit der Informationspolitik von Havemann über den Fall Jana begründet.

Ausschlussverfahren gegen Jana – der SachverhaltJana war der betroffenen Kollegin bei der Abfassung einer Gefährdungsanzeige behilflich. Inhalt dieser Anzeige: Aufgrund eines Krankheitsausfalls war die vorgesehene Besetzung unterschritten worden. Statt wie üblich mit zwei examinierten Pflegekräften (und das ist schon eng bemessen) war die betreffende Krankenschwester mit einer Auszubildenden aus dem ersten Ausbildungsjahr allein für 34 Patienten in der Spätschicht zuständig.
In der Zwischenzeit kamen der betroffenen Kollegin nach einem Gespräch mit der stellvertre- tenden Pflegedienstleitung Bedenken, ob sie die Gefährdungsanzeige aufrechterhalten wollte. Der Betriebsrat verfolgte die Gefährdung weiter, weil aus seiner Sicht ein wichtiger Anlass zugrunde lag und übergab das Schreiben wegen des Verdachts auf mangelnde Ruhepausengewährung zur Überprüfung an das Gewerbeaufsichtsamt.
Daraufhin setze Helios das Verfahren in Gang, um Jana aus dem Betriebsrat auszuschlie- ßen. Jana sei widerrechtlich tätig geworden und habe das Schreiben der Kollegin ohne Auftrag weitergegeben!
Entgegen der Aussage der Klinik hat es keinen Rückruf der Gefährdungsanzeige durch die betroffene Kollegin gegeben. Ebenso wenig stimmt die Behauptung der Klinik, die Anzeige sei „inhaltlich falsch“ gewesen. 34 Patienten mit einer Pflegekraft und einer Auszubildenden, dieser Fakt bleibt. Die Aussage der Klinik, es sei ja Hilfe angeboten worden, macht die Anzeige mitnichten falsch, sondern zeigt vielmehr, wie fahrlässig das Klinikum mit Krankheitsausfällen umgeht. Die Klinik zieht sich aus der Verantwortung zurück und überlässt es sogar im Extremfall der Selbstorganisation der Beschäftigten.

Quelle: Ver.di-Presseinformation vom 9.8.2016


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