Kirchliche Sozialkonzerne unterliegen in ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten den gleichen Anforderungen und Gestaltungsbedingungen wie die Sozialkonzerne anderer Leistungsanbieter im Sozialsektor. Die von der Kirche und ihren Verbänden behauptete Besonderheit mit Blick auf corporate identity, Leitbild und Werteorientierung spielt in der prak tischen Marktperformance schon lange keine besondere Rolle mehr: »structure follows function«- so hat ein Direktor eines Diözesancaritasverbandes diese Entwicklung einmal gekennzeichnet (Manderscheid 2005) und die faktische Entwicklung in der Sozialwirtschaft gibt ihm Recht. Anstatt in dieser Situation das bestehende ordnungspolitische Defizit im Sozialsektor, das Fehlen eines flächendeckenden Branchentarifvertrages, offensiv anzugehen und für dessen Realisierung die Vor aussetzungen zu schaffen, insistieren die Kirchen und ihre Verbände mit Verweis auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht darauf, dass in den kirchlichen Sozialkonzernen das Konzept der Dienstgemeinschaft zur Anwendung kommen müsse. Anstatt in Tarifverträgen mit den Gewerkschaften ein Zeichen dafür zu setzen,dass man der gegenwärtigen Zersplitterung der Tariflandschaft im Sozialsektor entgegen wirken will, werden die Tarife privater Anbieter zum Beweis dafür genommen,dass sich der Dritte Weg bewährt habe.Das in Europa einzigartige Modell einer Sozialwirtschaft, in der Sozialkonzerne mit Verweis auf ihren kirchlichen Missionsauftrag Gewerkschaften aus der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen heraushalten können, wird auf diesem Wege immer weiter ausgedehnt und kirchliche soziale Dienstleistungsanbieter wachsen auf Märkten,in denen weder katholische noch protestantische Milieus eine nennenswerte Rolle spielen. Mit dem Dritten Weg und dem Konzept der Dienstgemeinschaft haben die kirchlichen Sozialkonzerne in Deutschland ein Wettbewerbs modell zur Verfügung, das mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt: autonome Arbeitsrechtssetzung, Abkoppelung vom öffentlichen Tarif, Marginalisierung gewerkschaftlicher lnteressenvertretung, lnstrumentalisierung der Glaubensgemeinschaft. Gegenwärtig bläst diesem Geschäftsmodell der Wind ins Gesicht und dies führt zu dem paradoxen Ergebnis,dass nicht dessen Absurdität kritisiert und die Ergebnisse korrigiert werden, sondern seine Unabdingbarkeit normativ festgeschrie ben werden soll. Die Widersprüche in der kirchlichen Sozialwirtschaft werden dadurch allerdings nicht geringer.
Infoblog für Verdi-Betriebsgruppen in Caritas-Einrichtungen & Interessierte. In Bayern und anderswo.
Dienstag, 9. August 2016
Kirchliche Sozialkonzerne und ihre Rolle bei der Zersplitterung der Tariflandschaft im Sozialsektor
1 Kommentar:
Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.
Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.
das ist doch durch die neue Grundordnung überholt - gewinnorientierte Einrichtungen wie z.B. die Unternehmer der ACU aber sicher auch die meisten sonstigen Caritas-Betriebe unterliegen demnach nicht mehr der Grundordnung und dem kirchlichen Arbeitsrecht.
AntwortenLöschenDas müsste nur offensiver angegangen werden, mit der Gründung von Betriebs- oder Personalräten anstelle der in den Mitbestimmungsrechten kastrieren MAV