Dienstag, 16. August 2016

Materielle Parität oder "erschlichene" Parität

Die materielle Verhandlungsparität ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn auf gleicher Augenhöhe verhandelt wird, das heißt: wenn keine Seite der anderen ihren Willen aufzwingen kann. Dass eine solche Parität in den Verhandlungen der Arbeitsrechtsregelungs-Kommissionen zwischen Dienstgeber- und Mitarbeiterseite existiert, kann zu Recht bezweifelt werden.

Denn es besteht erstens keine Gegnerfreiheit. Die Vertreter der Mitarbeiterseite sind ausnahmslos wenn nicht unmittelbar so doch mittelbar  Arbeitnehmer,  also abhängig Beschäftigte  der Dienstgeber. Als Verhandlungspartner sind sie eine Art „gelbe Gewerkschaft“ oder Hausgewerkschaft.
Zweitens stehen ihnen weder die gleichen finanziellen noch die gleichen personellen noch die gleichen zeitlichen Ressourcen der Informationsgewinnung und Weiterbildung zur Verfügung.
Drittens sind die DiAG-MAVs extrem unterschiedlich mit finanziellen und personellen Ressourcen des Wissens, der Koordination der MAVs und der gemeinsamen Interessenvertretung ausgestattet.
Viertens verfügt die Mitarbeiterseite über kein Drohpotential, um ihren Argumenten einen vergleichbaren Nachdruck zu verleihen, die die Dienstgeber auf Grund der asymmetrischen Machtverhältnisse ausüben können.
Fünftens ist die Letztkompetenz der Bischöfe wiederholt in eine Übergriffigkeit entartet. Das auffälligste und letzte Beispiel lieferten 2009 elf Bischöfe, die eigenmächtig in die Arbeitsrechtsregelung für geringfügig Beschäftigte, die von der zentralen Verhandlungskommission des DCV beschlossen worden war, eingriffen. Sie haben sich dabei über die von ihnen beschlossene Verfahrensordnung hinweggesetzt, einseitig die Position der Dienstgeber eingenommen und damit die Asymmetrie der Verhandlungsmacht eines angeblich auf Konsens beruhenden 3.  Weges bestätigt.
Sechstens kann ein materielle Verhandlungsparität allenfalls insofern unterstellt werden, als die Arbeitsrechtsregelungs-Kommissionen sich eines Referenz-Tarifvertrags des öffentliches Dienstes bedienen, der mit einem streikbewehrten gewerkschaftlichen Verhandlungspartner vereinbart ist. Eine solche „erschlichene“ Parität durch parasitäres Trittbrettfahren beeinträchtigt jedoch die Glaubwürdigkeit des besonderen kircheneigenen 3. Weges.


aus: 
Friedhelm Hengsbach SJ, Letzte Ausfahrt Dritter Weg?
(Der Text ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags von Prof. Hengsbach im Juli 2011 zu Jubiläen der DiAG MAV Köln und der DiAG MAV B München und Freising.)


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