Sonntag, 17. Oktober 2021

Sonntagsnotizen: der Papst, ein Revoluzzer nach unserem Herzen ...

- so kann man eine Meldung von Radio Vatikan interpretieren:
Papst an Volksbewegungen: Es ist Zeit zu handeln
Auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit für Minderprivilegierte hat Papst Franziskus für ein bedingungsloses Grundeinkommen und kürzere Arbeitszeiten geworben.
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Jede Person, jede Organisation und jedes Land der Welt müsse sich einbringen, „denn wenn wir zu den alten Mustern zurückkehren, wäre das selbstmörderisch“, unterstrich der Papst. ...

Im Übrigen wundere er sich immer, so der Papst in seiner sehr frei gehaltenen Videoansprache, wenn ihm sogar aus seiner eigenen katholischen Kirche Widerstand entgegenschlage, sowie er soziale Probleme anspreche und Lösungen vorschlage *). Der Papst würde da „mit einer Reihe von Beinamen bedacht“, die nur der Abwertung dienten. „Es macht mich nicht wütend, es macht mich traurig“, erklärte Franziskus. Das alles sei Teil eines „Post-Wahrheits-Komplotts“, das zur Wegwerfkultur und zum technokratischen Paradigma gehöre und jede Suche nach Alternativen zur kapitalistischen Globalisierung ausschalten wolle.

Katholische Soziallehre: eine traditionelle Doktrin der Kirche

Der Papst warb an diesem Punkt für die katholische Soziallehre *), die er als „traditionelle Doktrin der Kirche“ vorstellte; das Kompendium der Soziallehre sei von Papst Johannes Paul II. in Auftrag gegeben worden, Franziskus empfahl es allen Verantwortlichen in Gewerkschaften, Religionen, Politik und Unternehmensführung zur Lektüre. Er nannte das in der Soziallehre verankerte Prinzip der Solidarität: „Solidarität nicht nur als moralische Tugend, sondern auch als soziales Prinzip, ein Prinzip, das darauf abzielt, ungerechten Systemen entgegenzutreten“ und nach dem Gemeinwohl zu streben. Zudem benannte der Papst die Grundsätze der Teilhabe und der Subsidiarität: Beide seien dazu gedacht, Autoritarismus und staatszentriertes Denken in Schach zu halten. „Das Gemeinwohl darf nicht als Vorwand dienen, um Privatinitiative, lokale Identität oder Gemeinschaftsprojekte zu unterdrücken“, **) stelle der Papst klar. Genau deshalb förderten diese Grundsätze aus der katholischen Soziallehre eine Wirtschaft und eine Politik, die die Rolle der Volksbewegungen, aber auch der Vereine und der Familien anerkenne und damit ein breites soziales Wachstum ermöglichen. Das seien „fest verankerte Grundsätze in der Soziallehre der Kirche“, und damit könne man zur Tat schreiten: „Denn es ist Zeit zu handeln“, so der Papst.
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Deshalb ermutigte Franziskus die Angehörigen der Volksbewegungen, überall dort, wo Entscheidungen getroffen werden, ihre Zusammenarbeit anzubieten. Zuletzt erinnerte der Papst an die Zusage Jesu: „ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).
Der Bericht von Radio Vatikan mit einem Link zum Nachhören ist hier zum Nachlesen.
Bericht von katholisch.de hier - klick -
Zum Nachlesen und der Videoaufnahme (italienisch) hier - und keine Angst, liebe Verfechter des "Dritten Weges": wenn der Papst auf italienisch predigt, meint er vermutlich Nicaragua und nicht Deutschland.

Tatsächlich bezweifeln wir (nicht wütend sondern einfach nur realistisch), ob Volksbewegungen wie die Gewerkschaften mit einem weiteren Angebot zur ehrlichen Zusammenarbeit bei der deutschen katholischen Kirche erfolgreich sein würden. Ver.di - und vorher schon die Gründungsgewerkschaft ötv - haben den Kirchen über Jahre hin eine ehrliche, faire, partnerschaftliche Zusammenarbeit angeboten. Das Gegenangebot der katholischen Kirche (nach der höchstrichterlichen Bestätigung des Streikrechts in kirchlichen Einrichtungen) war ein Platz am Katzentisch als Schaufensterattraktion. Die im "Dritten Weg" angebotene Pseudogestaltungsmöglichkeit hat inzwischen auch den Marburger Bund bewegt, sich aus diesem historisch schwer belasteten Weg zurück zu ziehen (wir berichteten). Die Kirchenfürsten bleiben auf ihrem "hohen Roß". Sie sägen selbst am Ast, auf dem sie sitzen - und freuen sich, dass es so schön wippt. Es ist eine Frage der Zeit, wann der Ast bricht - und die Ernte nur noch eingesammelt werden muss.
Solange diese Kirche nicht "auf Vordermann gebracht wird", erübrigen sich daher wohl weitere freundschaftliche Angebote zur Zusammenarbeit bei der Gestaltung des Arbeitsrechts der kirchlichen MitarbeiterInnen.


*)
Die Soziallehre der Kirche hat nicht alle Antworten, aber sie hat einige Prinzipien, die diesem Weg helfen können, die Antworten zu konkretisieren und sowohl Christen als auch Nichtchristen zu helfen. Manchmal überrascht es mich, dass jedes Mal, wenn ich über diese Prinzipien spreche, einige bewundert werden und dann der Papst mit einer Reihe von Beinamen katalogisiert wird, die verwendet werden, um jede Reflexion auf ein bloßes erniedrigendes Adjektiv zu reduzieren. Es macht mich nicht wütend, es macht mich traurig. Sie ist Teil des postfaktischen Gefüges, das versucht, jede alternative humanistische Suche nach kapitalistischer Globalisierung zunichte zu machen, sie ist Teil der Wegwerfkultur und sie ist Teil des technokratischen Paradigmas.
**)
Ob der Papst damit das Agieren der Caritas-Arbeitgeber zum Allgemeinverbindlichen Tarifvertrag "Altenpflege" gemeint hat?

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