Donnerstag, 24. Oktober 2013

Arbeitsrecht in Kirche und Caritas - wer ist der Souverän?

Nachdem in der Diakonie die Bemühungen, das kirchliche Arbeitsrecht "streiksicher" zu machen (siehe: Christoph Fleischmann, Diakonie arbeitet am Arbeitsrecht - Wer vertritt die Mitarbeitenden?), auf Hochtouren laufen, beschäftigt sich heute auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Frankfurt mit diesem Thema.

Unter dem Motto "Wer ist der Souverän, was will der Souverän?" widmet sich die Mitgliederversammlung der Frage, welche Konsequenzen sich aus den BAG-Urteilen vom 20. November 2012 ergeben.


Die gestellten Fragen lassen sich dabei relativ einfach beantworten:

- Wer ist der Souverän?
In Fragen der Glaubens- und Sittenlehre sowie des Kirchenrechts dürfte die Antwort leicht fallen: bei uns Katholiken ist das der Papst, gemeinsam mit den Bischöfen. Das Recht der Bischöfe ist durch das übergeorndete Recht des Papstes begrenzt.
Als Staatsbürger belehrt uns das Grundgesetz (Art. 20), dass das Volk, also wir selbst, die Souveränität innehaben.

Dass eine für die "Förderung des Informations- und Erfahrungsaustausches unter ihren Mitgliedern" und die "Erarbeitung von Vorschlägen zur Anwendung des Mitarbeitervertretungsrechts" und zur "Entwicklung der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung" zuständige Organisation an der ernsthaften souveränen Entscheidungen teilhaben könnte, erscheint doch etwas verwegen.
Wenn sie es denn doch glaubt, wüsste man gerne, wie diese Organisation in Erfahrung gebracht hat, was die berühmten 650000 Beschäftigten bei Caritas und Katholischer Kirche wollen.

Wenn die Kirche die Entscheidung über den 2. oder 3. Weg oder auch die Ausgestaltung dieser Wege den Beschäftigten überlassen wollte, könnte man die Frage einfach per Mitglieder- respektive Mitarbeiterentscheid klären lassen.

Selbst wenn man ihnen nicht die Entscheidung überlassen, sondern nur ein unverbindliches Meinungsbild erheben wollte, wäre der einfachste Weg der, man fragt die Betroffenen einfach. Aktuell dürfte es aber so sein, dass die wenigsten derer, für die die BAG MAV Politik zu machen beansprucht, überhaupt auch nur ahnt, dass in Frankfurt heute über ihre Interessen und Perspektiven verhandelt wird.

Das ist nicht schön, aber man muss es auch nicht dramatisieren. Denn alles, was heute in Frankfurt läuft, ist, dass möglicherweise Vorschläge und Voten produziert werden, die von den Entscheidungsträgern, also den deutschen Bischöfen oder der Delegiertenversammlung des DCV be- oder mißachtet werden können.

Souverän sind im Zweifelsfall eher nicht die Gremien, die nach Artikel 8 Satz 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) zur Systemerhaltung verpflichtet sind, auch wenn sie jetzt darüber mitbestimmen wollen, ob und wie eine Gewerkschaft von ihrem Koalitionsrecht Gebrauch machen darf. (Souverän aber sind zweifellos die Koalitionen und ihre Mitglieder, wenn sie sich selbst in demokratischen Prozessen ohne äußere Einflußnahme in freier Entscheidung  ihre eigenen Verfassungen = Satzungen geben!)

Es wird heute in Frankfurt definitiv nicht darüber befunden, wie die Gewerkschaften einzubinden sind ("zwischen Minimal- und Maximallösung"). 

Interessant ist sie, ja die Vorstellung, die Kirchen könnten regeln oder auch nur von den Beschäftigen regeln lassen, welche Konsequenzen sich aus Art. 9 GG ergeben. Glaubt man ernsthaft, wenn die Vertreter von (nach eigenen Aussagen) rund 12 % der Einrichtungen daran beteiligt werden, wie der 3. Weg ausgestaltet ist, könnte der 2. Weg neutralisiert werden?

- Was will der Souverän?
Aber da hier auch über Fragen des Kirchenrechts debatiert wird, sollte die Frage lauten: "Was wollen die Bischöfe?"
Und da sollte die Antwort wie folgt lauten:
1. Die Bischöfe wollen sozial angemessene, ethisch verantwortbare und bezahlbare Löhne auch bei der Caritas.
2. Die Bischöfe wollen sich nicht in Widerspruch zum päpstlichen Lehramt setzen, sondern dessen Anforderungen - auch im Interesse der Glaubwürdigkeit unserer Kirche - weitestgehend erfüllen.
3. Die Bischöfe wollen Caritas als Verwirklichung des weltlichen Auftrags der Kirche leben und erlebbar machen - und sich nicht in Arbeitskämpfen und rechtlichen Auseinandersetzungen erschöpfen.

Das sind - mit Verlaub - wohl auch die Interessen der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder. Auf dieser Basis sollten Gespräche möglich sein. Die Gewerkschaft ver.di hat schon vor Jahren mit der Stellungnahme zur seinerzeitigen Novellierung der Grundordnung ein Gesprächsangebot an die Ordnungsgeber, also an die Bischöfe abgegeben. Es liegt nun an den Bischöfen, endlich auf dieses Gesprächsangebot einzugehen - und direkte Gespräche zu suchen.

Nochmals:
Es ist einzige und alleine Sache der Bischöfe, auf Basis der katholischen Soziallehre der Gewerkschaft ein Angebot zu machen - und es ist alleine Sache der Gewerkschaft, darüber zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annimmt und dafür ggf. auf die Ausübung des Streikrechts verzichtet.

Dabei sind zwei Bereich zu unterscheiden:
1. Recht der "Betriebsverfassung", also der innerbetrieblichen Mitwirkung (Mater et magistra, 91):
Seitens der Gewerkschaft ver,di ist bereits erklärt worden, dass durch den staatlichen Gesetzgeber bereits im Betriebsverfassungsgesetz geregelt ist, wie eine "koalitionsmäßige Betätigung" zumindest auszusehen hat.

2. kollektivertragliches Arbeitsvertragsrecht (Mater et magistra, 97):
Es geht der Gewerkschaft ver.di nicht um eine "Beteiligung am >Dritten Weg<". Es geht der Gewerkschaft um die Beendigung des (Lohn-)Kostenwettbewerbs im Sozialbereich. Das kann aufgrund der derzeitigen Rechtslage wohl nur über die Regularien des Tarifvertragsgesetzes (TVG) gehen. Ver.di schlägt einen "allgemein verbindlichen Sozialtarifvertrag" vor. Entsprechende Gespräche würde also zwangsläufig im Bereich des kollektiven Arbeitsvertragsrechts einen Schwerpunkt haben.

Und es ist im Streitfall einzig und alleine Sache der staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit sowie der übergeordneten Gerichte (nicht der kirchlichen Arbeitsgerichte, die im Auftrag und Namen der Bischöfe tätig sind), darüber zu entscheiden, ob ein solches "bischöfliches Angebot" auch ausreicht, um ein Streikverbot nach sich zu ziehen.
Aber soweit wollen wir es doch gar nicht kommen lassen: "Vertrag" kommt von "vertragen" - und das sollten Bischöfe und Gewerkschaften auch gemeinsam anstreben, damit es der weiteren Anrufung der Gerichte gar nicht mehr bedarf.
Und wir verstehen es natürlich: das Thema ist zu wichtig, um es den Bischöfen und Gewerkschaften alleine zu überlassen. Und deshalb musste die BAG-MAV einen Monat vor der ordentlichen Mitgliederversammlung am 18.-20. November in Bamberg einen dringenden, ausserordentlichen Termin in Frankfurt anberaumen.





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