Mittwoch, 11. Januar 2023

Kommentierungen zur reformierten Grundordnung: "Es reicht nicht !"

die Nachrichten über Tod und Beerdigung von Benedikt XVI. haben in der letzten Woche die Berchterstattung über die katholische Kirche dominiert. Das gilt erst recht für die "weltlichen Medien", an denen die Grundordnungsreform scheinbar spurlos vorbei gegangen ist. Wir haben uns dennoch "auf die Suche begeben". Und wir sind wenigstens bei einigen regionalen Medien "etwas fündig geworden".
= die Passauer Neue Presse wies bereits im November auf die Absicht der bayerischen Bistümer zur Lockerung hin,
= der Donaukurier bekräftigte dies auch schon im November für das Bistum Regensburg,
= die Augsburger Allgemeine und die Mainpost haben der Mitteilung vom 19. Dezember, dass das Neue Arbeitsrecht schon im Januar umgesetzt werde, nichts weiter erkennbares hinzufügen.

Es würde zu weit führen, hier die regionalen Publikationen aufzuführen, die in den letzten Monaten etwas zur Reform der Grundordnung in einzelnen Bistümern verbreitet haben. Sollte das "Regionale" wirklich alles gewesen sein? Welche Wertigkeit hat die Kirche mit ihren Spezifika noch in der Öffentlichkeit? Man hat den Eindruck, die Reform würde in den allgemeinen Medien als "irrelevant" gar nicht erst großartig wahrgenommen.

Nach einer guten Woche wollen wir dennoch erste Reaktionen zur refomierten Grundordnung wiedergeben. Und tatsächlich: die etablierten kirchlichen Organe berichten. Der Tenor - es reicht nicht!

PRINTMEDIEN:
Arbeitsrecht + Kirche - Ausgabe 4/2022:
Wilhelm Berkenheger (Arbeitnehmervertreter im Caritasverband für die Diözese Osnarbrück) berichtet über die Hintergründe der Reform und geht kritisch auf die Auswirkungen für die ArbeitnehmerInnen ein, die bei der katholischen Kirche und Einrichtungen der Caritas beschäftigt sind.
Arbeitskräftemangel zwingt Bischöfe zum halbherzigen Handeln

HERDER KORRESPONDENZ - Ausgabe 1/2023:
Gastkommentar (S.3) von Frank Bsirske (soweit ersichtlich die einzige Stellungnahme mit sozialkatholischen Positionen):
Schluss damit! Zur Überwindung des Dritten Weges

Essay Jacob Joussen (S. 22):
Noch nicht genug. Zu den jüngsten Veränderungsprozessen im kirchlichen Arbeitsrecht

Essay Sarah Rösner (S. 25):
Ein Schnellschuss. Das neue kirchliche Arbeitsrecht


INTERNET:
katholisch.de Felix Neumann
Trotz neuer Grundordnung bleibt Reformbedarf im Kirchen-Arbeitsrecht

Bemerkenswert scheint, dass sich anscheinend nur kirchennahe Kommentatoren für eine weitere Reform aussprechen. Felix Neumann verknüpft seine diesbezügliche Aussage auch mit einem Fingerzeig auf Rom:
Für Lehrkräfte, Professorinnen und Professoren sowie pastorale Mitarbeitende im caritativen Dienst sieht auch das universale Kirchenrecht besondere Loyalitätsobliegenheiten im persönlichen Leben vor.
Diese auf den ersten Blick einleuchtende Bemerkung hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Denn: warum soll dann ausschließlich in Deutschland ein spezielles kirchliches Arbeitsrecht gelten, das schon jenseits der deutschen Grenze und immer noch innerhalb der EU nicht benötigt wird?
Wieso kommen die Katholiken in Scharnitz und Kufstein (Diözese Innsbruck) mit dem Staatlichen Arbeitsrecht und den Gewerkschaften zurecht, die in Mittenwald und Kiefersfelden (Erzdiözese München-Freising) aber nicht?
Sind die pastoralen Mitarbeiter im caritativen Dienst in Bregenz (Österreich) oder St. Gallen (Schweiz) weniger pastoral als die in Lindau?
Was unterscheidet das universelle Kirchenrecht in Straßburg von dem in Freiburg auf der anderen Rheinseite?
Wie unterscheidet sich das universelle Kirchenrecht in Aachen, Lüttich oder Maastricht?

Es gibt keinen Unterschied. Das universelle Kirchenrecht schreibt bei Arbeitsverhältnissen überall die Beachtung des jeweiligen staatlichen Arbeitsrechts unter Berücksichtigung der eigenen Soziallehre vor (can. 1286 CIC). Und weil das universelle Kirchenrecht auf theologischer Grundlage aufbaut, kann es auch keine theologische Begründung für einen Sonderweg der deutschen katholischen Kirche geben.
So einfach ist das mit dem "römischen Vorbehalt".

2 Kommentare:

  1. Steinbruchexegese verbietet sich auch beim Kirchenrecht. Anforderungen an kirchliche Beschäftigungsverhältnisse werden nicht nur in c. 1286 CIC geregelt. Schon im kodikarischen Recht finden sich Loyalitätsobliegenheiten, nämlich für Religionslehrkräfte (c. 804 § 2 CIC) und alle Lehrkräfte an katholischen Schulen (c. 803 § 2 CIC). Noch schärfer sind die Anforderungen an Hochschullehrende formuliert (c. 810 CIC). Die Anforderungen im pastoral-karitativen Dienst sind geregelt im Motu Proprio Intima Ecclesiae Natura über den Dienst der Liebe (2012), Art. 7 § 2 – das sind die Normen, auf die sich meine Aussage beziehen. Details zur Sachlage können Sie bei dem von Ihnen empfohlenen Beitrag von Sarah Rösner nachlesen, er lohnt die Lektüre.

    Die genannten universalkirchlichen Normen zu Loyalitätsobliegenheiten gelten in der Tat auch universalkirchlich. Nur weil es kein diözesanes kirchliches Arbeitsrecht in St. Gallen, Straßburg oder Innsbruck gibt, heißt es nicht, dass es dort kein kirchliches Arbeitsrecht geben würde.

    Wie Sie von Loyalitätsobliegenheiten auf kollektives Arbeitsrecht kommen, erschließt sich mir nicht. Dazu habe ich nichts geschrieben, und wie Sie wissen, teile ich Ihre Ablehnung einer eigenen kirchlichen Regelung von Kollektivarbeitsrecht.

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  2. Sehr geehrter Herr Neumann,
    herzlichen Dank für Ihren argumentativen Beitrag.
    Zu Ihrer Frage: das kirchliche Arbeitsrecht ist in der Grundordnung mit den Aspekten "Loyalitätsobliegenheiten", "Betriebsverfassung" (innerbertriebliche Mitbestimmung) und "Tarifrecht" umfassend geregelt. Diese Norm erhebt den Anspruch "unteilbar" zu sein. Die Verpflichtung zur Einhaltung - entweder durch Kirchengesetz für die kirchlichen Arbeitgeber oder durch ausdrückliche Vereinbarung (gem. § 305 BGB) im Arbeitsvertrag mit den Arbeitnehmern geregelt - umfasst alle diese Bereiche. Es sind also die Bischöfe selbst, die eine Verbindung von Loyalitätsobliegenheiten und kollektivem Arbeitsrecht kirchengesetzlich vorgesehen haben.

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