Das System des "Dritten Weges" schließt aber den kirchenrechtlichen Zwang zur Anwendung mit ein. Das ergibt sich letztendlich aus der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO). Die einem Bischof kirchenrechtlich untergeordneten kirchlichen Rechtsträger sind aufgrund dieses bischöflichen Gesetzes kirchenrechtlich verpflichtet, die Regelungen des "Dritten Weges" für sich anzuwenden. *)
Unsere Veröffentlichung vom gestrigen Freitag hat nun zu Rückfragen geführt, ob denn der Vorschlag "identische Regelungen von AVR Caritas und TVöD anstatt über einseitige "Allgemeine Geschäftsbedingungen" als "beiderseitige Vereinbarung" (Stichwort: Anwendungstarifvertrag) miteinander zu koppeln" überhaupt mit dem Gedanken der Koalitionsfreiheit vereinbar und damit auch rechtswirksam wäre. Denn eine solche Vereinbarung - etwa durch einen Bischof geschlossen - oder gar eine kirchengesetzliche Regelung würde für alle diesem Bischof kirchenrechtlich unterstehenden kirchlichen Rechtsträger gelten, und das nicht etwa freiwillig, sondern verpflichtend.
Wir haben bisher argumentiert, dass Caritas und Kirche - soweit sie eben in einem auch kirchenrechtlichen Beherrschungsverhältnis stehen - einen Konzern darstellen. Es besteht ein rechtliches Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis, wobei es völlig egal ist, auf welcher Rechtsgrundlage dieses Verhältnis beruht. Das kann eine gesetzliche oder auch eine vertragliche Regelung sein - oder eben auch eine kirchenrechtliche Bestimmung, wie etwa die kirchliche Stiftungsaufsicht über die dem Bischof unterstehenden kirchlichen Stiftungen (vgl. BayStiftG i.V. KiStiftO). Wer bis hin zu persönlichen Loyalitätspflichten der Mitarbeitenden Anordnungen treffen kann, wer den Abschluss von Tarifverträgen untersagen kann - der kann genauso auch Tarifverträge abschließen oder zumindest deren Abschluss zulassen.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun in seinem Urteil vom 31. Juli 2025 – 6 AZR 172/24 – einen weiteren Weg gefunden. Auf die im genannten Fall vorliegende Zwangsmitgliedschaft im DDN und die daraus begründeten Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN kommt es nicht an. Denn "ist ... aus Anlass des Betriebsübergangs ua. von der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, ein Überleitungstarifvertrag geschlossen worden, der (hier in § 3) bestimmt, dass auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Bestimmungen des TV DN in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden" - dann braucht das Gericht "nicht mehr über die Frage der Tariffähigkeit" (der Partei, die einen anzuwendenden Tarifvertrag geschlossen hat, hier des DDN) befinden. Denn damit gilt:
Nimmt ein Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug, werden die Regelungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags inkorporierter Teil des verweisenden Tarifvertrags. Als solcher gelten sie unmittelbar und zwingend zwischen den an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags. Das gilt auch für den Fall, dass am Abschluss des in Bezug genommenen Tarifvertrags eine nicht tariffähige Partei beteiligt gewesen sein sollte.
*)
Die dem Vatikan unterstehenden Gemeinschaften päpstlichen Rechts (also vereinfacht die international tätigen Orden) können dagegen durch einen bischöflichen Rechtsetzungsakt nicht verpflichtet werden. Sie können aber freiwillig an einem der Systeme des "Dritten Weges" partizipieren und sich damit auch einem dort abgeschlossenen Anwendungstarifvertrag unterwerfen, oder für sich - wie es im universellen Kirchenrecht auch vorgeschrieben wäre - den "Zweiten Weg" anwenden und selbst Tarifverträge mit Gewerkschaften schließen.
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