Donnerstag, 23. Oktober 2025

BVerfG zu konfessionsloser Bewerberin: Der Fall Egen­berger vor der Ent­schei­dung

Heute steht eine wichtige Entscheidung an, Verfassungsbeschwerde der Diakonie gegen eine Entscheidung des EuGH aus 2018 zur Klage von Vera Egenberger . Wir sind gespannt und werden Stellung nehmen!
Die Legal Tribune Online (LTO) berichtet:
Eine konfessionslose Sozialpädagogin bewarb sich erfolglos bei der Diakonie. Nach vielen Verfahren stehen nun die Rechtsprechung von EuGH und BAG gegen das BVerfG. Das verkündet nun seine Entscheidung.

"Egenberger" - das ist mittlerweile ein Fachwort im kirchlichen Arbeitsrecht. Es ist der Name einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die das kirchliche Arbeitsrecht bereits maßgeblich verändert hat (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-414/16). Und es ist der Nachname von Vera Egenberger, einer inzwischen 63-jährige Sozialpädagogin, die dieses Urteil erstritten hat. Seit sechs Jahren ist das Verfahren am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Am Donnerstag wird der zweite Senat seine Entscheidung auf die Verfassungsbeschwerde der Diakonie verkünden (Az. 2 BvR 934/19).

Dann wird das BVerfG entweder seine Rechtsprechung der des EuGH angleichen. Oder es wird das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung manifestieren – und sich damit erneut in Divergenz zum EuGH setzen. Aber dazu später mehr.
...
Unsere Meinung haben wir schon öfter deutlich gemacht:
Das Recht der Kirchen, zur Selbstordnung und Selbstverwaltung (nicht Selbstbestimmung) besteht nur für die eigenen Angelegenheiten und auch nur in den Schranken der für alle geltenden Gesetze.

Man kann schon in Zweifel stellen, ob Diskriminierung von Persinen, die der jeweiligen Kirche nicht angehören, eine eigene Angelegenheit der jeweiligen Kirche ist und nicht auch Personen betrifft, die eben gerade dieser Kirche nicht angehören. Deutlich wird das in den (hier nicht einschlägigen) Konkordatsverträgen mit der katholischen Kirche, in denen der Kirche nur eine Rechtssetzungsbefugnis für die eigenen Mitglieder zugestanden ist.
Die Anwendung des weltlichen Arbeitsvertragsrechts ist letzendlich eine Rechtswahl der Kirchen selbst - wenn sie sich dafür entscheiden und von kircheneigenen Regelungen wie Ordensmitgliedschaften absehen, dann beanspruchen sie letztendlich keine eigene Regelungsbefugnis sondern unterwerfen sich dem für alle geltenden Arbeitsrecht.

Sicher wird das aber beim europarechtlich einheitlich geregelten Diskriminierungsverbot, das - auch in streng katholischen Ländern wie Irland, Italien oder Polen - eine Diskriminierung aus religiösen Gründen verbietet. Und niemand hat uns bisher erklären sollen, wieso das einheitliche europäische Recht nicht zu den "für alle geltenden Gesetzen" gehören soll.
Klar ist jedenfalls, dass im Zweifel zwischen der umsetzenden nationalen Rechtsnorm (AGG) und der grundlegenden europäischen Rechtsnorm die dem EU-Recht konforme Interpretation zu wählen ist. Das verlangt schon das Interesse am Erhalt der (untergeordneten) nationalen Umsetzungsvorschrift.

weitere Meldungen:
Bundesverfassungsgericht (Terminvorschau):
Aktenzeichen: 2 BvR 934/19
Kurzbeschreibung des Verfahrensgegenstandes: Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Vereins gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. In der Entscheidung – der eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hat das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Referentenstelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und diese so aus Gründen der Religion benachteiligt habe.
Vorausgegangene fachgerichtliche Entscheidung: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 -
Voraussichtlicher Veröffentlichungstermin: 23. Oktober 2025
Bundesverfassungsgericht "Geplante Entscheidungen 2025 Zweiter Senat":
Berichterstatterin: BVRin Prof. Dr. Langenfeld
Aktenzeichen: 2 BvR 934/19
Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Vereins gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. In der Entscheidung – der eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hat das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Referentenstelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und diese so aus Gründen der Religion benachteiligt habe.

Verfassungsblog 03. Mai 2019: Heiko Sauer Kirchliche Selbst­bestimmung und deutsche Verfassungs­identität: Überlegungen zum Fall „Egenberger“
Hans-Böckler-Stiftung Ausgabe 02/2023: „Ein Arbeitsvertrag ist eine weltliche Angelegenheit“
Süddeutsche Zeitung 21. Oktober 2025, 14:54 Uhr: Akzeptiert Karlsruhe ein Sonderrecht für Kirchen?
evangelisch.de, 22.10.2025: BVerfG-Urteil erwartet - Was dürfen Kirchen im Job verlangen?
Tagesschau Stand: 23.10.2025 03:10 Uhr: Arbeit für die Kirche - Auch ohne Kirchenmitgliedschaft?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.