Sonntag, 2. März 2014

Kardinal Kasper vor der Kurie über "heikle Familienfragen" - Erzbischof Gänswein zur "Entweltlichung" - Kardinal Meisner in Ruhestand

Es ist nicht üblich, dass wir für den Sonntag einen Blogbeitrag vorbereiten. Die Nachrichten vom Ende letzter Woche lassen uns aber etwas "aus der Reihe scheren".

1.
Lassen Sie uns mit der Wochenzeitung "DIE ZEIT" vom 27. Februar beginnen. Auf der Seite 58 widmet sich die Zeitung unter der Rubrik "GLAUBEN & ZWEIFELN" einer Rede, die der deutsche Kardinal Walter Kasper Kardinal Kasper am Donnerstag vor den im Vatikan zum Konsistorium versammelten Kardinälen "über die heiklen >Familienfragen< gehalten haben soll. Obwohl die Rede "unveröffentlicht" ist, wie ZEIT schreibt, gibt diese doch eine Fülle von Zitaten "Walter Kaspers zur umstrittenen Familiendoktrin seiner Kirche" wieder. Die ZEIT meint sogar, aus der Reaktion im Kardinalskollegium, die Zahl der Wortmeldungen zur Rede (69 von 150) und die Reaktion von Papst Franziskus berichten zu können. Diese habe am Tag nach der Rede öffentlich gesagt, er habe den Text am Abend noch einmal gelesen - "vor dem Einschlafen, aber nicht zum Einschlafen" - und danke dem Kardinal für die Tiefe und die Heiterkeit seiner Theologie. Die habe ihm gut getan.
Wenn denn die Aussagen stimmen, die hier wiedergegeben werden, dann deutet sich ein diametraler Wandel im Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten Katholiken an.
"Jesus distanziert sich von der Herzenshärte und Heuchelei der über eine Ehebrecherin verhängten drankonischen Strafen und spricht ihr Vergebeung zu"
sowie
"Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter .... sich nach Kräften müht, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben, können wir ihm dann das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?"
Und dieser Wandel kann die Loyalitätsanforderungen an kirchliche Mitarbeiter nicht unberührt lassen. Die KNA zitiert Münchens Kardinal Marx mit der Aussage:
... Die Unauflöslichkeit der Ehe sei nach biblischem Zeugnis «keine moralische Leistung des Menschen, sondern eine Verheißung». Sakramente dürften auch nicht als «Disziplinierungsmittel» missverstanden werden. ...
In der Tat: Barmherzigkeit, Vergebung und Gnade ist eine der größten Errungenschaften der Christenheit. Es ist der Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Nächstenliebe, den die Kirche verkündet, und dem Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, die nicht vollkommen sein können, der viele Menschen an unserer Kirche (ver)zweifeln lässt.

Papst Franziskus ‏@Pontifex_de postete am Donnerstag, den 27. Feb.:
In einer Familie ist es normal, sich um die zu kümmern, die Hilfe brauchen. Habt keine Angst davor, schwach zu sein!

2.
Der nächste Bericht findet sich im Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 28. Februar. In einem mehrseitigen Interview (in Teilen hier wiedergegeben) äussert sich Erzbischof Georg Gänswein, der Sekretär zweier Päpste. Den wesentlichen Umfang des Interviews nehmen Aussagen über den Rücktritt Papst Benedikts und den Dienst bei beiden Päpsten, Gemeinsamkeiten der Ansichten und Unterschiede im Auftreten ein. Im Interview wird darauf hingewiesen, dass Benedikt XVI. einen Protestanten zum Präsidenten des päpstlichen Wissenschaftsrates ernannte, und unter ihm erstmals ein Muslim Professor an der Gregoriana, der 1551 von Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens gegründeten päpstlichen Universität wurde. Das alleine wäre schon bemerkenswert genug.
Einen weiteren Teil des Interviews möchten wir hier aber ausdrücklich zitieren:
Vieles, was der neue Papst kritisiert, trifft vor allem auf die Kirche in Deutschland zu: Anpassung an den Zeitgeist, Mutlosigkeit, fehlendes Profil. Die Bischöfe jubeln Franziskus zu aber das war's dann schon.
Schön, dass sie jubeln, aber nur jubeln reicht nicht. Dem Jubel mutige Taten folgen zu lassen, das wäre die richtige und überzeugende Antwort.
Woran denken Sie da?
Darf ich es provokativ sagen? Die berühmte Forderung nach Entweltlichung, die Papst Benedikt in seiner Freiburger Rede erhoben hat, die dann aber mit wahren Interpretationspirouetten entsorgt werden sollte, diese Forderung löst Papst Franziskus auf ganz unspektakuläre Weise Schritt für Schritt ein. ....
Prof. Lothar Roos (Forum Deutscher Katholiken) wird zum Auftrag zur Entweltlichung und dem kirchlichen Profil der Caritas wie folgt zitiert:
.... Die Caritas ist davon in doppelter Weise betroffen: Zum einen wird das staatskirchenrechtliche Gebäude, innerhalb dessen sich der weitaus größte Teil der Einrichtungen des „Sozialkonzerns“ Caritas in Deutschland und die damit verbundene arbeitsrechtliche Sonderstellung („Dritter Weg“) eingerichtet hat, allmählich brüchiger. ...
Mit diesem Zitat sind wir dann beim Buch „Benedikts Vermächtnis und Franziskus’ Auftrag: Entweltlichung“ von Kardinal Josef Cordes und Manfred Lütz. Beide sind von Benedikt empfangen worden - ein Zeichen, dass deren Interpretation von Benedikts Auftrag an die versammelte Führungselite der katholischen Laien, der deutschen Caritas und der arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht ganz abwegig war. Benedikt wollte - so die Autoren - dass die Kirche auf "weltliche Macht" verzichtet. Und darunter versteht Lütz wohl vor allem die Arbeitgebermacht, die sich im besonderen kirchlichen Arbeitsrecht ausdrückt. Lütz soll dem Kölner Kardinal besonders Nahe stehen. Und damit schließt sich der Kreis dieses Beitrags.

3.
Papst Franziskus hat den Kölner Kardinal Meisner am Freitag in den Ruhestand versetzt. Nach 25 Jahren an der Spitze einer der wichtigsten deutschen Diözesen ist der Kardinal damit nun nicht mehr Erzbischof von Köln. Der gebürtige Schlesier, geprägt vom diskriminierten Minderheitenkatholizismus der DDR, hat nicht nur bei seinen rheinisch-kölschen Gläubigen immer wieder Irritationen ausgelöst. Vor einem Jahr hat der Umgang von katholischen Krankenhäusern mit einem Vergewaltigungsopfer in Köln bundesweit für Schlagzeilen gesorgt:
 Weil hier nämlich eine medizinische Versorgung anscheinend komplett abgelehnt wurde. Und das geben diese ethischen Richtlinien überhaupt nicht her. ... Offenbar gab es da eine große persönliche und schreckliche Verunsicherung bei den Ärzten.

Was richten Loyalitätsanforderungen an, wenn aus Angst vor persönlichen Konsequenzen ärztliche Hilfe und Barmherzigkeit verweigert wird?
Meisner, lasst uns das deutlich feststellen, hat die Patientin nicht persönlich abgewiesen. Aber er ist in der Folge auch für Vorgaben angegriffen worden, die inzwischen auch in Rom diskutiert worden. Wie forderte Benedikt noch mal?
Entweltlicht Euch.
Wir schließen uns diesem Appell an. Denn mit der Inanspruchnahme von einseitiger Arbeitgebermacht und der Verweigerung eines partnerschaftlichen Umfangs mit den Gewerkschaften isoliert sich unsere Kirche nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von den eigenen Wurzeln.


e.

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