Donnerstag, 21. Dezember 2023

Überlastungsanzeigen - Formlos, Sinnlos, Zwecklos?

Unter der Überschrift
Arbeitsüberlastung und Personalmangel - Pflegefachfrau verklagt Klinikum Lippe
berichtete der WDR am 15.12.2023, 12:27 Uhr
Das Arbeitsgericht Detmold beschäftigt sich mit der Klage einer Pflegefachfrau gegen das Klinikum Lippe. Der Vorwurf: Ihre Beschwerden über Arbeitsüberlastung und Personalmangel seien nicht ernst genommen worden. Das Klinikum äußerte sich bislang nicht.
Im Gerichtssaal machte der Richter schnell klar (so der WDR), dass "die Klage ein wichtiges Thema sei". Wer darauf gehofft hat, dass das Arbeitsgericht eine oder mehrere Überlastungsanzeigen eher beiseite schieben wird, dürfte mit dieser Erwartung enttäuscht worden sein. Überlastungsanzeigen in im Pflege- und Betreuungsbereich dienen nicht nur dem Schutz der Patienten, sondern auch und gerade auch dem Schutz der Arbeitnehmer. Das macht deren Missachtung zu einem arbeitsrechtlich brisanten Thema. Der Personalmangel (wir berichteten zuletzt am 19. Dezember) hat es inzwischen bis in die Gerichtssääle gebracht.

Linkhinweis ver.di: Infos zu Gefährdungsanzeigen - Wie die Gefährdungsanzeige im Arbeitsalltag richtig eingesetzt wird

Unsere ver.di beklagt schon seit Jahren die Überlastung im Pflegebereich (Link zum ver.di Versorgungsbarometer). Wir haben darüber und über repräsentative Umfragen schon im Jahr 2015 berichtet. Seither hat sich kaum etwas verbessert. Ver.di hat es aber bereits in einigen Haustarifverträgen geschafft, verbindliche Regelungen zur Entlastung für bessere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.
Dass es nicht flächendeckend zu solchen Regelungen gekommen ist, ist sicher auch der von den Arbeitgebern aller Coleur unterstützten Zersplitterung der "Tariflandschaft" zu verdanken, die ein gemeinsames Vorgehen der Arbeitnehmer behindert.

Im Zusammenhang "Überlastung" verweisen wir - um nicht nur ver.di zu zitieren - nun auf eine Umfrage, die gestern im "Ärzteblatt" veröffentlicht wurde:
Umfrage zeigt gravierenden Pflegekräftemangel (Anm.: nicht nur) im Nachtdienst
Berlin – Viele Pflegekräfte müssen in Heimen und Krankenhäusern nachts mehr Bewohner beziehungsweise Patienten betreuen, als eigentlich zu leisten ist. Das zeigt eine neue Umfrage ....
Rund 55 Prozent der Befragten versorgt 20 bis 40 Menschen im Nachtdienst, aber fast ein Fünftel gab an, für 80 und mehr Bewohner oder Patienten zuständig zu sein. Dies ist offenbar keine Momentaufnahme, sondern die Regel, denn mehr als 93 Prozent der Befragten gaben an, ihre Angaben entsprächen dem Durchschnitt des vergangenen Monats.
Wir erlauben uns den Hinweis, dass es diese beklagte Überlastung - eine Auswirkung ist der sogenannte "Fachkräftemangel" nicht nur in der Alten- und Krankenpflege gibt. Wir müssen dazu auch aufdie Betreuungseinrichtungen für Behinderte, Kinder und Jugendliche hinweisen.
Zurück zum WDR-Bericht aus dem Arbeitsgericht Detmold:
Nach kurzer Befragung beider Seiten kam er zu dem Schluss, dass eine außergerichtliche Einigung schwierig sei.
Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. "Das Klinikum wurde bei Gericht durch einen Anwalt vertreten und äußerte sich nicht. Bis Januar muss die Klinikleitung auf die Vorwürfe reagieren. Im März folgt dann ein nächster Termin."

Weitere Inhalte zum Thema von Prof. Dr. Sell bei X (Twitter) *klick*

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.