Freitag, 20. Oktober 2023

Weltsynoden-Halbzeit: jetzt stehen die Konflikte auf der Tagesordnung

Am letzten Freitag haben wir unter der Überschrift "Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781" darauf hingewiesen, dass das Staatskirchenrecht in Europa - also das staatliche Religionsrecht, das auch die staatlichen Beziehungen zu den Kirchen regelt, ein Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklungen des 18ten und 19ten Jahrhunderts ist.
Als Beispiel diente uns auch der "preußische Kulturkampf", der anlässlich der "polnischen Teilungen" in den Jahren 1772 (1. Teilung), 1793 (2. Teilung) und 1795 (3. Teilung) unter Russland, Preußen und Österreich für die protestantischen Preußen und deren protestantischem Königshaus zur drängenden Frage führte, wie mit den überwiegend katholischen Bevölkerungsteilen umzugehen sei - und den Versuch begründete, im der "preußische Kulturkampf" von 1871 bis 1887 eine preußisch katholische Staatskirche unter staatlichem Kuratell zu bilden. Den förmlichen Gesetzen dieses Kulturkampfes gingen - schon Jahrzehnte vorher - ständige Bemühungen des preußischen Staates voraus, die katholische Kirche der ehemals polnischen Staatsgebiete in das preußische Staatswesen und die preußische Staatsverwaltung einzugliedern. Dieses Bemühen stieß auf den erbitterten Widerstand des polnischen Episkopats.

Heute wollen wir kurz erläutern, dass diese gesellschaftlichen Umbrüche auch vor dem innerkirchlichen Recht nicht "anhalten". Der preußische Kulturkampf beendete das Pontifikat von Pius IX. (1846–1878). Dieser sah sich gleichermaßen dem Ansinnen der protestantischen Preußen wie auch den Verlust des "weltlichen Kirchenstaates" (1870) ausgesetzt. In dieser Zeit der "Angriffe auf die weltliche Macht der Kirche" fällt das Erste Vatikanische Konzil (1869 - 1870), auf dem die päpstliche Unfehlbarkeit (in religiös-/theologischen Fragen) und der Jurisdiktionsprimat verkündet wurden. Bemerkenswert: in der Diskussion zum "Unfehlbarkeitsdogma" standen sich polnische Bischöfe (befürwortend) und deutsche Bischöfe (ablehnend) erbittert gegenüber. "Es kann nur eine Glaubenswahrheit geben, die abweichende oder gar entgegenstehende Meinungen ausschließt" - so die kurze Zusammenfassung der Argumente zum päpstlichen Lehramt, das die katholische Kirche seither prägt und von den protestantischen Gemeinschaften unterscheidet. Die Abstimmung erfolgte erst, nachdem die Gegner der Lehre den Sitzungsort Rom verlassen hatten.
Wir haben in unserem Blog immer wieder darauf hingewiesen, dass die in Deutschland vertretene Ideologie der (theologisch weit überhöhten) Dienstgemeinschaft im Widerspruch zum päpstlichen Lehramt steht, namentlich zu den päpstlichen Sozialenzykliken - auf deren Einhaltung auch die kirchlichen Vermögensverwalter im universellen Kirchenrecht verpflichtet sind (c. 1286 CIC). Und wir haben unter dem Stichwort "Entweltlichung" mehrfach auf die päpstlichen Appelle hingewiesen, diesen nationalen Unsinn bleiben zu lassen.
Der aktuelle Blick nach Rom scheint eine Neudiskussion dieser zentralistischen Lehre zu belegen.
Mit Frauen, Klerikalismus und Hierarchien stehen nun Themen auf der Agenda (Anm. der Weltsynode), die das vielfach beschworene respektvolle Miteinander stören könnten.
berichtet katholisch.de (und hat dabei das Thema "sexuelle Orientierung" noch gar nicht angesprochen.
Der rigide römische Zentralismus verträgt sich nicht mit einer weltweit agierenden Kirche, die in unterschiedlichst geprägten Wertegesellschaften tätig ist (vgl. Ziffer II.Nr. 4 und 10. von PRAEDICATE EVANGELIUM).
Ist zu befürchten, dass in Rom nun auch die eigene Soziallehre zur Disposition der nationalen Bischofskonferenzen gestellt wird?


Links zum Nachlesen auf katholisch.de:
Papst Pius IX.: Gefangen im Vatikan
So kam es zur Proklamation des Papstprimats
NORBERT LÜDECKE ÜBER BISCHÖFE IM RUHESTAND UND PÄPSTLICHEN PRIMAT
Ende der Richtlinienkompetenz: Der Papst setzt auf Pragmatik

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