"Arbeiterbischof" Ketteler: Für das Streikrecht, gegen Kinderarbeit
Vielen kam die erste päpstliche Sozialenzyklika "Rerum novarum" 1891 zu spät. Doch es war bereits der "Arbeiterbischof" Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877), der der katholischen Kirche in Zeiten großen Elends den Weg in ihre sozialpolitische Verantwortung wies. Aus dieser Initialzündung entstand eine wirkmächtige katholische Soziallehre - und in ihrer Folge das bis heute prägende Modell der Sozialen Marktwirtschaft.
Vor 150 Jahren, am 25. Juli 1869, hielt der Mainzer Bischof eine vielbeachtete Predigt auf der Liebfrauenheide bei Offenbach vor etwa 10.000 Fabrikarbeitern zu sozialer Gerechtigkeit und der Zukunft der Arbeit. Und tags darauf, am 26. Juli, legte er der Fuldaer Bischofskonferenz einen umfassenden Bericht über "Die Fürsorge der Kirche für die Fabrikarbeiter" vor. Dieser gilt heute als "Magna Charta der christlichen Arbeiterbewegung".
...
Die Predigt auf der Liebfrauenheide und die Vorlage für die Bischofskonferenz 1869 waren seine reifsten und seine letzten großen Äußerungen zur Arbeiterfrage. Vor den Fabrikarbeitern verlangte Ketteler unter anderem Lohnerhöhungen, kürzere Arbeitszeiten, den freien Sonntag; ein Verbot von Kinderarbeit; keine Arbeit von Müttern und jungen Mädchen. Streik - damals noch ein sehr anrüchiges Wort - wertete Ketteler als ein legitimes Mittel zur Erreichung gerechterer Arbeitsbedingungen, ebenso legitim wie die Gewerkschaften. Ein für die damalige Zeit noch erstaunliches sozialpolitisches Bekenntnis eines hohen Kirchenvertreters.
...
Da die allermeisten Priester bis heute nichts von der Sozialen Frage wüssten, so Ketteler, müsse sie fester Ausbildungbestandteil werden. Sozialarbeit vor Katechese: ein totaler Paradigmenwechsel für die kirchliche Seelsorge.
Von Alexander Brüggemann (KNA)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.
Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.