Sonntag, 4. Dezember 2016

Sonntagsnotizen: Streikrepublik Deutschland?

Unter diesem Titel erläutern Klaus Dörre, Thomas Goes, Stefan Schmalz und Marcel Thiel die .
"Erneuerung der Gewerkschaften in Ost und West"
An Hand der Entwicklung vom Jahr 2000 bis zum "Streikjahr 2015" wird die gewerkschaftliche Entwicklung in Deutschland analysiert und genau beschrieben und das "Comeback der Gewerkschaften, insbesondere im Osten der Republik, schlaglichtartig beleuchtet.". *)

Die Analyse der erbittert geführten Arbeitskämpfe bei der Deutschen Post - DHL Group, der Lokführer bei der Deutschen Bahn und des Streiks bei den Sozial- und Erziehungsdiensten zeigt, dass sich "das Streikgeschehen" inzwischen auf die klassischen Dienstleistungsberufe und auch die "typischen Frauentätigkeiten" verlagert hat. Die Tarifkonflikte in den "klassischen Streikbetrieben" der Metall- und Elektroindustrie haben sich dagegen im Wesentlichen auf Warnstreiks beschränkt.

Die Beispiele zeigen auch, dass sich sozialpartnerschaftlich orientierte Gewerkschaften - auch unter dem Druck der Verhältnisse - erfolgreich der Konfliktstrategie bedienen können, um die von den Arbeitgebern verweigerten Ziele zu erreichen. Das gilt auch für den "Poststreik", dessen Erfolg nach Aussagen gegenüber den Autoren unterschiedliche bewertet wurde. Denn tatsächlich wurden über "Nebeneffekte" erhebliche Zugeständnisse gemacht, die schon für sich genommen einen Streikerfolg darstellten. So wurden rd. 7.000 Beschäftigte **) sofort "entfristet", oder wie ein Gewerkschaftssekretär im Buch zitiert wird: "Wir haben die Delivery als Aufhänger genommen und die (Beschäftigten) "die da sind, sind nun geschützt." (a.a.O. S. 158). Darüber hinaus sei der "Respekt vor dem Betriebsrat deutlich gestiegen." **). Die damit verbundene Einhaltung von Regeln ist ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt, wenn - wie die Autoren (S. 17 f) darstellen - die "Anzahl der Betriebe, in denen das Betriebsverfassungsgesetz erkämpft werden muss, ständig zunimmt, und die Selbstverständlichkeit, dass Tarifverträge und Gesetze akzeptiert werden müssen, in den Betrieben nicht mehr vorhanden ist." Verbindliche Normen waren in den Jahren ab 2000 zu "Empfehlungen" geworden.

Der "Wechsel der Arena" bringt zugleich völlig andere Formen der Auseinandersetzung mit sich, die mit dem tradierten Begriff des "Streiks in Form einer kollektiven Arbeitsniederlegung ganzer Belegschaften" nur wenig gemein haben. Oder, um es mit den Autoren zu sagen: Auch
"die Inhalte, die Streikformen, die Verläufe, Ziele und Trägergruppen der Konflikte haben sich verändert. Die Streiks sind tendenziell weiblicher geworden, sie haben auch den prekären Sektor erfasst, sind in Dienstleistungsbranchen teilweise mit besonderer Härte und offenem Ausgang geführt worden und sie beruhen mitunter auf zuvor unbekannten Formen direkter Mitglieder- und Beschäftigtenpartizipation."
Die Gewerkschaften können - um ein Resümee des Jahres 2015 zu ziehen - inzwischen mit deutlich größerer Berechtigung auf das Schwert an der Wand zeigen, wenn sozialpartnerschaftliche Angebote mutwillig nicht beachtet oder Gesprächs- und Verhandlungsangebote negiert werden. ***)



*) Campus-Verlag GmbH, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-593-50561-9
**) Aussage einer Betriebsrätin aus der Gewerkschaft ver.di
***) Siehe Zitat von Kardinal Marx in unserem Beitrag vom 19. August 2016 "Die Tarifautonomie hat sich bewährt ..."

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