Sonntag, 14. Januar 2024

Sonntagsnotizen: War alles nur ein historischer Irrtum?

Wer die kirchlichen Medien verfolgt, hat am Mittwoch dieser Woche eine unglaublich wirkende Nachricht aus Rom vernommen.
FRANZISKUS RUFT AUF, TRENNENDE ANSÄTZE ZU ÜBERWINDEN
Papst: Marxisten und Christen haben gemeinsamen Auftrag
VERÖFFENTLICHT AM 10.01.2024 UM 16:43 UHR
VATIKANSTADT ‐ Papst Franziskus wünscht sich "Mut, aus dem Rahmen zu fallen", sowie eine Öffnung im Dialog für "neue Wege". Christen wie auch Sozialisten, Marxisten und Kommunisten hätten einen gemeinsamen Auftrag, sagte der Pontifex und nannte praktische Beispiele.
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Anlass war ein Treffen, das VaticanNews hier ankündigte:
Papst empfängt Vorsitzenden der Europäischen Linken
Am Mittwochmorgen wird Papst Franziskus eine marxistisch-christliche Dialoggruppe namens „Dialop“ empfangen. Teilnehmer sind unter anderem Mitglieder der Partei der Europäischen Linken mit ihrem Vorsitzenden, dem Ex-KPÖ-Chef Walter Baier.
Und VaticanNews berichtet dann auch aus der "Europäischen Linken":
„Feindschaft von Christen und Marxisten ist ein Missverständnis
Der Vorsitzende der „Europäischen Linken“, Walter Baier, wirbt für den Dialog und für gemeinsames Engagement von Christen, Marxisten und Sozialisten. Das sagte der österreichische Politiker an diesem Mittwoch im Interview mit Radio Vatikan.
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„Für einen Dialog jenseits historischer Schemata“

Interview
„Ich beginne mit der Audienz heute, denn die war außerordentlich: eine Aussprache, die 45 Minuten gedauert hat. Der Papst hat eine an uns gerichtete Adresse gehalten, in der die Notwendigkeit der Solidarität und insbesondere der Solidarität mit den sozial Benachteiligten unterstrichen wurde. Er hat zu einem Dialog jenseits historischer Schemata aufgefordert – einem Dialog, der sich vor allem um die Ausgegrenzten und Benachteiligten kümmert und der die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit beachtet.

Daraus hat sich ein Gespräch entwickelt, in dessen Vordergrund das Engagement für den Frieden im Nahen Osten und in der Ukraine stand, die Solidarität mit den Migranten und Migrantinnen. Der Papst war sehr spontan – ich glaube, auch gut aufgelegt. Wir alle haben den Raum wirklich sehr beeindruckt und auch sehr bewegt verlassen.

Der Dialog, den wir unter dem Titel ‚Dialop‘ vorstellen, entwickelt sich nun seit zwanzig Jahren. ...
So manch einer wird sich verwundert die Augen reiben. Bestand doch bisher eine schon fast "historisch" zu bezeichnende "Erbfeindschaft" zwischen Christen und Marxisten, in deren Reihen besonders viele "Atheisten" oder "Freidenker" zu finden sind. Was soll da zusammen gehen?

Lassen Sie mich aus meiner Familie ein ganz praktisches Gegenbeispiel nehmen.
Ich komme aus einer Bergarbeiterstadt im katholischen "Pfaffenwinkel". Meine Omi - bei der ich meine Kindheit verbrachte - hatte 7 Geschwister. Zwei davon waren Klosterschwestern, die zweitälteste Großtante "Fernanda" (1894-1979) und die Großtante "Gonsalva" (1898-1990). Beide waren bei den "Niederbronner Schwestern" vom Kloster St. Josef in Neumarkt. Die Gonsalva hat wegen ihres sozialen Engagements 1965 die Bürgermedaille einer bayerischen Großstadt erhalten. Zwei Brüder, der Großonkel "Otto" (1900-1985) und der Großonkel "Ludwig" (1902-1966) waren als engagierte Gewerkschafter politisch "links orientiert" und von den Nazis im KZ-Dachau inhaftiert. Und auch mein Onkel Rudi (1906-1970) war dort politischer Gefangener (Zugang 22.03.1933 mit Haftnummer 20). Bei all den unterschiedlichen Ansichten der einzelnen Personen - eines einte alle miteinander: das Engagement für die sozial Benachteiligten, und die Ablehnnung der faschistischen Diktatur. Und bei allen geschwisterlichen Rivalitäten einte sie letztendlich auch der gegenseitige Respekt, auch vor der Überzeugung des anderen.
Diese Solidarität finde ich auch bei und in meiner Gewerkschaft, in der demokratisch gesinnte Gewerkschafter aller politischer Richtungen gemeinsam zusammen arbeiten, um für die Arbeitnehmer mehr und mehr Verbesserungen zu erreichen.

Ist das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Gewerkschaften wirklich so ähnlich wie zwischen dem Teufel und dem Weihwasser? Und wenn das so ist - warum demonstriert die katholische Kirche dann mit ihrer Grundordnung und dem "Dritten Weg", dass das Weihwasser so viel Angst vor der Gewerkschaft hat?

Darüber rätselt sei Jahren

Erich Scz

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