Sonntag, 11. Oktober 2020

Sonntagsnotizen - zu "Fratelli tutti"

vor einer Woche hat der Papst seine neue Enzyklika "Fratelli tutti" unterzeichnet. Der Wortlaut der Enzyklika ist in der offiziellen Übersetzung hier nachlesbar. Wir können und wollen nur einige wenige Zeilen wiedergeben:
... 5. Die mit der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft einhergehenden Fragestellungen waren mir immer ein Anliegen. In den letzten Jahren habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt darauf Bezug genommen. In dieser Enzyklika habe ich viele von diesen Beiträgen gesammelt und in einen größeren Reflexionsrahmen gestellt. Wenn mir bei der Abfassung von Laudato si’ eine Quelle der Inspiration durch meinen Bruder, den orthodoxen Patriarchen Bartholomaios, zuteilwurde, der sich nachdrücklich für die Sorge um die Schöpfung eingesetzt hat, so habe ich mich in diesem Fall besonders vom Großimam Ahmad Al-Tayyeb anregen lassen, dem ich in Abu Dhabi begegnet bin. Dort haben wir daran erinnert, dass Gott »alle Menschen mit gleichen Rechten, gleichen Pflichten und gleicher Würde geschaffen und sie dazu berufen hat, als Brüder und Schwestern miteinander zusammenzuleben«.
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22. Oft stellt man fest, dass tatsächlich die Menschenrechte nicht für alle gleich gelten. Die Achtung dieser Rechte »ist ja die Vorbedingung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Wenn die Würde des Menschen geachtet wird und seine Rechte anerkannt und gewährleistet werden, erblühen auch Kreativität und Unternehmungsgeist, und die menschliche Persönlichkeit kann ihre vielfältigen Initiativen zugunsten des Gemeinwohls entfalten«. Doch »wenn man unsere gegenwärtigen Gesellschaften aufmerksam beobachtet, entdeckt man in der Tat zahlreiche Widersprüche, aufgrund derer wir uns fragen, ob die Gleichheit an Würde aller Menschen, die vor nunmehr 70 Jahren feierlich verkündet wurde, wirklich unter allen Umständen anerkannt, geachtet, geschützt und gefördert wird. Es gibt heute in der Welt weiterhin zahlreiche Formen der Ungerechtigkeit, genährt von verkürzten anthropologischen Sichtweisen sowie von einem Wirtschaftsmodell, das auf dem Profit gründet und nicht davor zurückscheut, den Menschen auszubeuten, wegzuwerfen und sogar zu töten. Während ein Teil der Menschheit im Überfluss lebt, sieht der andere Teil die eigene Würde aberkannt, verachtet, mit Füßen getreten und seine Grundrechte ignoriert oder verletzt«. Was sagt das über die Gleichheit der Rechte aus, die in derselben Menschenwürde begründet liegen?
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Der Wert der Solidarität

114. Ich möchte die Solidarität hervorheben. »Als moralische Tugend und soziales Verhalten, eine Frucht der persönlichen Umkehr, erfordert [sie] ein Engagement vieler Einzelner, die im Erziehungs- und Bildungswesen Verantwortung tragen. ...

202. Der Mangel an Dialog bringt es mit sich, dass niemand in den einzelnen Bereichen auf das Gemeinwohl bedacht ist, sondern nur darauf, aus der Macht Nutzen zu ziehen oder bestenfalls die eigene Denkweise durchzusetzen. So werden Gespräche zu bloßen Verhandlungen um die meiste Macht und den größtmöglichen Nutzen ohne eine gemeinsame Suche nach dem Gemeinwohl. Die Helden der Zukunft werden die sein, die diese ungesunde Logik zu durchbrechen wissen und mit allem Respekt die Wahrheit fördern, jenseits von persönlichen Interessen. So Gott will, wachsen diese Helden still im Herzen unserer Gesellschaft heran.


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241. ...
Wer Unrecht erleidet, muss seine Rechte und die seiner Familie nachdrücklich verteidigen, eben weil er die ihm gegebene Würde schützen muss, eine Würde, die Gott liebt. Wenn ein Verbrecher mir oder einem geliebten Menschen Schaden zugefügt hat, kann mir niemand verbieten, Gerechtigkeit zu fordern und dafür Sorge zu tragen, dass diese Person – oder irgendjemand anders – mir oder anderen nicht wieder Schaden zufügt. Das ist mein Recht, und Vergebung negiert diese Notwendigkeit keineswegs, sondern verlangt sie sogar.
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244. Wenn Konflikte nicht gelöst, sondern in der Vergangenheit verborgen oder begraben werden, kann Schweigen manchmal bedeuten, sich an schweren Fehlern und Sünden mitschuldig zu machen. Wahre Versöhnung aber geht dem Konflikt nicht aus dem Weg, sondern wird im Konflikt erreicht, wenn man ihn durch Dialog und transparente, aufrichtige und geduldige Verhandlungen löst. Der Kampf zwischen verschiedenen Gruppen kann, »wenn Feindseligkeiten und gegenseitiger Hass ferngehalten werden, allmählich zu einer ehrlichen Diskussion, die auf der Suche nach Gerechtigkeit beruht, werden«

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