Dienstag, 2. Juni 2020

Verhängnisvolle Dienstgemeinschaft

...ist der Titel einer Eingabe, die eine Reihe ehemaligere Sozialpfarrer und Sozialwissenschaftler aus Westfalen an die westfälische Kirchenleitung vorgelegt haben.

Die Verfasser fordern dazu auf,

daß der Begriff "Dienstgemeinschaft" in Kirche und Diakonie aufgegeben wird und aus allen einschlägigen Gesetzen, Verlautbarungen und offiziellen Äußerungen in Kirche und Diakonie entfernt wird und zukünftig nicht mehr verwendet werden soll.
Quelle:
Sozialethisches Autorenkollektiv KDA 123 - Belitz/Klute/Dr. Schneider/Wendt-Kleinberg: Verhängnisvolle Dienstgemeinschaft
Die Autoren Wolfgang Belitz, Jürgen Klute, Hans-Udo Schneider und Walter Wendt-Kleinberg stellen dar, dass und wie der Begriff Dienstgemeinschaft aus dem Arbeitsrecht des NS-Staates entspringt und zeichnen die weiteren Entwicklungen nach 1945 nach. Beschrieben werden die mißlungenen Versuche, den Begriff in einen christlichen, theologischen Terminus zu transformieren.

Worum es begriffsgeschichtlich eigentlich geht, wird deutlich formuliert: "Das Hauptkampffeld der Dienstgemeinschaftsverfechter war und ist die Abwehr der Tarifverträge mit Streikrecht." (S.12)

Erinnert wird gleichzeitig daran, dass die Kirche(n) eigentlich ein positives Verhältnis zu Tarifverträgen und zum Streikrecht haben, und ihm "hohe Dignität" zugestehen, "da es die Schwächeren im Konflikt schützt."

Aktuell ist die Wortmeldung auch angesichts der Verfassungsbeschwerde, welche die Diakonie gegen den EuGH in der Rechtssache Egenberger eingelegt hat, weil in dieser juristischen Auseinandersetzung der Begriff "Dienstgemeinschaft" eine bedeutsame Rolle spielt.

Die lesenswerte, sehr prägnant formulierte Eingabe ist auch für den katholischen Bereich von hohem Interesse, weil der Begriff "Dienstgemeinschaft" auch bei Caritas und Katholischere Kirche eine zentrale Rolle spielt, wenn es darum geht, deren Beschäftigten das weltliche Niveau arbeitsrechtlicher Schutzregelungen vorzuenthalten.

Wenngleich der Text bezogen auf die Evangelische Kirche formuliert ist, wird doch sehr deutlich, dass zwischen den beiden Kirchen in Sachen wenig Differenzen in der Mobilisierung der Begrifflichkeit als "Abwehr-, Kampf- und Beschichtigungsbegriff" gegen die "Rechte der Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften und Verbände, um das gesamte Arbeitsrecht als kirchliches Sonderrecht selbst gestalten zu können".

Von Prof. Hartmut Kreß gibt es inzwischen einen kommentierenden Aufsatz, der hier verfügbar ist:
"Verhängnisvolle Dienstgemeinschaft". Eingabe an die evangelische Kirche






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