Donnerstag, 29. August 2019

"Diese Wirtschaft tötet ..."

Wer kennt den inzwischen berühmt gewordenen Ausspruch unseres Papstes nicht? Heute Abend widmet sich 3sat um 20:15 Uhr einem Aspekt der blinden Marktgläubigkeit.
Aus der Ankündigung der Dokumentation:

Die Pflege hilfsbedürftiger Menschen marktwirschaftlichen Regeln zu unterwerfen, hat in Deutschland zu einer Situation geführt, die viele inzwischen mit dem Wort "Pflegenotstand" beschreiben.

Wir haben dem Thema auch schon diverse Blogbeiträge gewidmet. Fakt ist, dass der Staat seine verpflichtenden sozialen Dienstleistungen von Dritten erbringen lässt (Subsidiaritätsprinzip), aber die wesentlichen Grundgedanken dieser verfassungsrechtlichen Überlegung nicht mehr anwendet. Der Staat fördert diejenigen, die für ihn soziale Dienste erbringen, nicht mehr nach dem "Selbstkostenprinzip". Der Staat versucht vielmehr, die sozialen Dienste möglichst kostengünstig "einzukaufen". Der "Billigstbieter" bestimmt die Höhe der staatlichen Refinanzierung. Und gerade private Anbieter wissen die Schlupflöcher der Gesetze sehr gut auszunutzen. Damit geraten aber auch tariftreuen Unternehmen zunehmend in eine finanzielle Notlage.
In einer Branche, die überwiegend durch Personalkosten und nicht durch hohen Maschineneinsatz geprägt wird, führt das zum finanziellen Druck für das Personal - die Folge ist ein Lohnkostenwettbwerb über die unterschiedlichen Wege, die Folge sind Outsourcing, Arbeitsverdichtung und immer weniger "Menschlichkeit für die zu Pflegenden".
Die Gewerkschaften können die Vielzahl von "Häuserkämpfen", die nötig wären, um gerade die Billigheimer unter den Anbietern zu tarifieren, nicht gewinnen. Eine Parzellierung der Tariflandschaft ist auch abzulehnen. Vielmehr sollte ein vernünftiger Qualitätswettbewerb von einem einheitlichen Niveau "Arbeitskosten" ausgehen, das vernünftige Qualität in der Pflege ermöglicht und Arbeitslöhne bis hin zur Altersarmut vermeidet.
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
  • entweder allgemein verbindliche Tarifverträge, denen sich aber gerade die kirchlichen Wohlfahrtsverbände aus ideologischen (und nicht theologischen) Gründen verweigern, nicht einmal die päpstliche Aufforderung zum Verzicht auf weltliche Arbeitgebermacht (Entweltlichung) umsetzen (und damit unchristliche Armutslöhne in der Branche billigend in Kauf nehmen)  
  • oder gesetzliche Mindestlöhne, die aber auch nur die gröbsten Missstände verhindern könnten.
Nun haben wir unter dem Thema "Streik im Dritten Weg" schon mehrfach deutlich gemacht, dass die Arbeitgeber, die sich aufgrund der verfassungsrechtlich zugestandenen "negativen Koalitionsfreiheit" den Gewerkschaften verweigern, durch Arbeitskämpfe - bis hin zum Tarifvertrag - auch gezwungen werden können. Und solche Arbeitskämpfe werden sich zunächst wohl auch gegen die großen Träger wenden müssen, die sich der Kooperation mit den Gewerkschaften verweigern.
Das ist die Art von Notwehr durch die Arbeitnehmer, die auch in der katholischen Kirche ausdrücklich als gerechtfertigt anerkannt ist.  
Auch und gerade kirchliche Arbeitnehmer können nicht mehr darauf hoffen, dass bessere Arbeitsbedingungen und Löhne wie Manna vom Himmel fahlen, dass irgendwelche Vertreter dann in irgendwelchen Kommissionen schon noch die Kartoffeln aus dem Feuer holen werden - das ist ein Kampf gegen ein System der Refinanzierung, der in den vielen arbeitsrechtlichen Kommissionen der kirchlichen Wohlfahrtsverbände nicht gewonnen werden kann. Die kirchlichen Arbeitnehmer müssen selbst aktiv werden - gemeinsam in der Gewerkschaft, wie es das päpstliche Lehramt auch vorsieht.

Edit:
Dass der Fachkräftemangel in der Pflege auch der schlechten Refinanzierung geschuldet ist, zeigt ein aktueller Artikel in der Süddeutschen Zeitung explizit am Beispiel von München:

Münchens Kliniken brauchen dringend Pflegepersonal - und vor allem Wohnraum, um die neuen Kräfte unterzubringen.




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