Samstag, 14. Juli 2012

Im aktuellen Heft der Neuen Caritas


IM AKTUELLEN HEFT DER NEUEN CARITAS: 


Leserbrief von Erich Sczepanski in der neuen caritas Heft 12/2012, S. 35 – (bezieht sich auf das Thema "Dritter Weg" in der neuen caritas Heft 9/2012)

"Im kirchlichen Dienst dürfen keine prekären Lohnverhältnisse bestehen"


Im Streit um das kirchliche Arbeitsrecht geht es nicht um einen Angriff der Politik und ebenso wenig um einen gewerkschaftlichen Angriff auf die Kirchen. Es geht um die Höhe der Löhne im Sozial- und Wohlfahrtsbereich, insbesondere bei der Diakonie, aber auch in der gesamten Branche, und um die Beendigung des politisch gewollten Preiswettbewerbs.Aufgrund einer Sondersituation hat sich in Deutschland ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht gebildet, das in der aktuellen Ausei­ nandersetzung um Löhne und Gehälter der Beschäftigten in den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden eine besondere Rolle spielt. Tatsächlich haben die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände jahrzehntelang die Ergebnisse aus den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes für ihre Beschäftigten übernommen. Kombiniert mit dem Subsidiaritätsprinzip hatte sich daraus ein Finanzierungsgrundsatz entwickelt, der gute Versorgungsstandards mit akzeptabler Bezahlung verband.
Dieser Finanzierungsgrundsatz wurde immer löchriger. Besonders problematisch ist der politisch gewollte Preiswettbewerb im Pflegebereich, wie ihn das Bundessozialrecht (BSG) mit Urteil vom 10. Februar 2000 - B 3 P 19/00 R - festgelegt hat. Danach sei die Höhe der Refinanzierung von Pflegediensten in erster Linie über die Feststellung von Marktpreisen mittels eines externen Vergleichs zu bestimmen. Demnach sollten die eigenen Gestehungskosten, Auswirkungen einer Tarifbindung oder eine ungünstige Altersstruktur keine Rolle bei der Bestimmung der Preise spielen. Die Folgen: Die Diakonie und private Anbieter, die Gewinne erwirtschaften wollen, haben durch entsprechende Lohnab­ senkungen gezielt Wettbewerbsvorteile erlangt. Dazu werden Be­ triebseinheiten ausgegliedert (Outsourcing) und Leiharbeitnehmer eingesetzt sowie die Kosten des eigenen Personals reduziert. Der Einsatz von eigenen Servicegesellschaften und Leiharbeitsfirmen greift um sich. Längst ist der alte Grundsatz kirchlicher Sozialarbeit auch bei der Caritas aufgekündigt, während die Arbeit der Pflegedienste immer stärker verdichtet wird und es immer weniger Zeit für immer mehr Patienten gibt.
Damit wurde die Tariftindung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände in zweierlei Weise für die Gewerkschaften virulent Zum einen haben die Gewerkschaftsmitglieder in den kirchlichen Einrichtungen ein Eingreifen der Gewerkschaften in ihren Einrichtungen gefor­ dert. Zum anderen aber erschweren insbesondere die flächendeckenden Dumpinglöhne der Diakonie die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften mit tariftreuen Trägern.
Die Gewerkschaften haben in unterschiedlicher Form versucht, auf die Tarifhöhe der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Einfluss zu nehmen, darunter auch eine angemessene Lohnuntergrenze im Pflegebereich einzuziehen. Hier konnten sich Caritas und die Ge­ werkschaft Verdi allerdings nicht im gewünschten Umfang gegen private Arbeitgeber und Diakonie durchsetzen. Folglich hatte Verdi diakonische Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert und diese Forderungen mit Warnstreiks untermauert, mit der Folge eines kirchengesetzlichen Streikverbots (Magdeburger Synode, 2011) und Klagen der Arbeitgeber vor staatlichen Arbeitsgerichten.
Die Solidarisierungsaktivitäten von Vertretern der katholischen Kirche mit dem Lohndumping der Diakonie gehen daher fehl. Sinnvoll und wünschenswert wäre dagegen eine gemeinsame Wettbewerbsgrundlage, ein Tarif für die gesamte Branche. Dann wird aus dem politisch gewollten Preiswettbewerb tatsächlich ein Qualitätswettbewerb. Die Politik denkt aber nicht einmal daran, den de­ saströsen Preiswettbewerb zu beenden. Im Gegenteil: Mit dem Pflegeneustrukturierungsgesetz werden sogar Pflegeverträge für Einrichtungen gefordert, die weniger als die Mindestlöhne zahlen. Das kann im Sinne der Kirche nicht zielführend sein. Denn zum einen geht es um "das Quäntchen mehr" an liebevoller Betreuung, an Zuwendung und Zeit, die in kirchlichen Einrichtungen den Pa­ tienten, den Alten, Kranken, den Kindern und Schwachen, gewid­ met werden sollten. Und zum Zweiten geht es darum, dass in kirchlichen Einrichtungen keine prekären Lohnverhältnisse bestehen dürfen. Im Gegenteil: Wer qualifiziertes Personal will, muss auch entsprechende Löhne und Gehälter zahlen. Durch einengemeinsamen  Tarifvertrag auf Basis des Tarifvertragsgesetzes könnte schon jetzt der wesentliche Preiswettbewerb unterbunden werden. Wer dieses Angebot nicht annehmen und nutzen will, muss sich fragen lassen, warum er prekäre Löhne billigend in Kauf nimmt.
Erich Sczepanski, Penzberg
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst
Aufgrund einer Sondersituation hat sich in Deutschland ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht gebildet, das in der aktuellen Ausei­ nandersetzung um Löhne und Gehälter der Beschäftigten in den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden eine besondere Rolle spielt. Tatsächlich haben die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände jahrzehntelang die Ergebnisse aus den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes für ihre Beschäftigten übernommen. Kombiniert mit dem Subsidiaritätsprinzip hatte sich daraus ein Finanzierungsgrundsatz entwickelt, der gute Versorgungsstandards mit akzeptabler Bezahlung verband.
Dieser Finanzierungsgrundsatz wurde immer löchriger. Besonders problematisch ist der politisch gewollte Preiswettbewerb im Pflegebereich, wie ihn das Bundessozialrecht (BSG) mit Urteil vom 10. Februar 2000 - B 3 P 19/00 R - festgelegt hat. Danach sei die Höhe der Refinanzierung von Pflegediensten in erster Linie über die Feststellung von Marktpreisen mittels eines externen Vergleichs zu bestimmen. Demnach sollten die eigenen Gestehungskosten, Auswirkungen einer Tarifbindung oder eine ungünstige Altersstruktur keine Rolle bei der Bestimmung der Preise spielen. Die Folgen: Die Diakonie und private Anbieter, die Gewinne erwirtschaften wollen, haben durch entsprechende Lohnab­ senkungen gezielt Wettbewerbsvorteile erlangt. Dazu werden Be­ triebseinheiten ausgegliedert (Outsourcing) und Leiharbeitnehmer eingesetzt sowie die Kosten des eigenen Personals reduziert. Der Einsatz von eigenen Servicegesellschaften und Leiharbeitsfirmen greift um sich. Längst ist der alte Grundsatz kirchlicher Sozialarbeit auch bei der Caritas aufgekündigt, während die Arbeit der Pflegedienste immer stärker verdichtet wird und es immer weniger Zeit für immer mehr Patienten gibt.
Damit wurde die Tariftindung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände in zweierlei Weise für die Gewerkschaften virulent Zum einen haben die Gewerkschaftsmitglieder in den kirchlichen Einrichtungen ein Eingreifen der Gewerkschaften in ihren Einrichtungen gefor­ dert. Zum anderen aber erschweren insbesondere die flächendeckenden Dumpinglöhne der Diakonie die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften mit tariftreuen Trägern.
Die Gewerkschaften haben in unterschiedlicher Form versucht, auf die Tarifhöhe der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Einfluss zu nehmen, darunter auch eine angemessene Lohnuntergrenze im Pflegebereich einzuziehen. Hier konnten sich Caritas und die Ge­ werkschaft Verdi allerdings nicht im gewünschten Umfang gegen private Arbeitgeber und Diakonie durchsetzen. Folglich hatte Verdi diakonische Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert und diese Forderungen mit Warnstreiks untermauert, mit der Folge eines kirchengesetzlichen Streikverbots (Magdeburger Synode, 2011) und Klagen der Arbeitgeber vor staatlichen Arbeitsgerichten.
Die Solidarisierungsaktivitäten von Vertretern der katholischen Kirche mit dem Lohndumping der Diakonie gehen daher fehl. Sinnvoll und wünschenswert wäre dagegen eine gemeinsame Wettbewerbsgrundlage, ein Tarif für die gesamte Branche. Dann wird aus dem politisch gewollten Preiswettbewerb tatsächlich ein Qualitätswettbewerb. Die Politik denkt aber nicht einmal daran, den de­ saströsen Preiswettbewerb zu beenden. Im Gegenteil: Mit dem Pflegeneustrukturierungsgesetz werden sogar Pflegeverträge für Einrichtungen gefordert, die weniger als die Mindestlöhne zahlen. Das kann im Sinne der Kirche nicht zielführend sein. Denn zum einen geht es um "das Quäntchen mehr" an liebevoller Betreuung, an Zuwendung und Zeit, die in kirchlichen Einrichtungen den Pa­ tienten, den Alten, Kranken, den Kindern und Schwachen, gewid­ met werden sollten. Und zum Zweiten geht es darum, dass in kirchlichen Einrichtungen keine prekären Lohnverhältnisse bestehen dürfen. Im Gegenteil: Wer qualifiziertes Personal will, muss auch entsprechende Löhne und Gehälter zahlen. Durch einengemeinsamen  Tarifvertrag auf Basis des Tarifvertragsgesetzes könnte schon jetzt der wesentliche Preiswettbewerb unterbunden werden. Wer dieses Angebot nicht annehmen und nutzen will, muss sich fragen lassen, warum er prekäre Löhne billigend in Kauf nimmt.
Erich Sczepanski, Penzberg
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst  

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