Es war zu erwarten - die Medien überschlagen sich mit Analysen, Berichten und Meldungen zum neuen Pontifex. Wir möchten hier nicht auf kindliche Bügelbretter eingehen - aber einige Stellungnahmen, die Leo XIV. in unserem Kontext darstellen, können wir dann doch wiedergeben.
Das
"RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND) berichtet über Reaktionen aus den USA, das - nach dem argentisch stämmigen Papst Franziskus - nun Geburtsland des "zweiten amerikanischen Papstes" ist:
...
„Er ist ein kompletter Marxist!“
Kurz zuvor hat die ultrarechte Bloggerin Laura Loomer, die bei Trump immer auf ein offenes Ohr trifft, den Account des bisherigen Kardinals Robert Prevost bei X durchgeforstet. „Das ist der neue Papst“, schlägt sie in Großbuchstaben bei dem Kurznachrichtendienst Alarm: „Er ist Anti-Trump, Anti-MAGA, für offene Grenzen und ein kompletter Marxist!“
Tatsächlich hat sich Kardinal Prevost noch vor drei Wochen höchst kritisch zu Trump eingelassen. Da saßen Trump und der salvadorianische Präsident Nayik Bukele im Oval Office und feixten über die Deportation von Migranten in einen Gefängnis-Gulag in El Salvador: „Seht Ihr nicht das Leiden? Ist Euer Gewissen nicht beunruhigt“, stand in einem Post, den der Geistliche teilte.
Zwei Monate zuvor legte sich Prevost offen mit dem zum Katholizismus übergetretenen Vizepräsidenten J.D. Vance an, der erklärt hatte, Christen müssten sich vordringlich um ihre Familien und nicht um Migranten kümmern: „J.D. Vance hat Unrecht: Jesus fordert uns nicht auf, die Nächstenliebe abzustufen.“
Nun zurück zu ernsthafteren Stellungnahmen:
Das
Domradio schreibt in einem Gastkommentar von Kolping International:
Mit einer Deutung wird man sich jedoch sicher nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: mit der Wahl des Namens Leo ist ein inhaltlicher Ton gesetzt. Denn ihm als XIV. Namensträger ging der große Leo XIII. voraus, der als Begründer der katholischen Soziallehre gilt. Sein 1891 erschienenes Schreiben "Rerum Novarum" von den "neuen Dingen" ist die erste Sozialenzyklika, weil sie sich systematisch mit der "Arbeiterfrage" auseinandersetzte und die Frage nach einem gerechten Lohn in den Blick nahm. Auch die Notwendigkeit staatlicher sozialer Sicherungsleistungen wurde erstmalig von Leo XIII. ins Wort gebracht. Zentral ist jedoch, dass er als erster Papst den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital sah, wenngleich er versuchte, diesen allein durch den Geist christlicher Nächstenliebe zu überwinden.
Die damals als neu erkannten Dinge gelten heute als altbekannt, breit erforscht und in der Tradition römischer Sozialverkündigung von vielen Seiten beleuchtet. Der Konflikt zwischen den wenigen mächtigen Kapitaleignern und jener Mehrheit, die nichts anderes zur Überlebenssicherung hat als ihrer Hände und Hirne Arbeitskraft, bleibt jedoch weiter ungelöst. Der Kapitalismus, wohlgleich in Europa "sozial temperiert", wie Oswald von Nell-Breuning SJ es formulierte, bedeutet aber in einer globalen Perspektive noch immer die millionenfache Ausbeutung, Unterdrückung, ja auch Erniedrigung von Menschen. Der unmittelbare Vorgänger Leo XIV. formulierte im Franziskus-Sound kantig: "Diese Wirtschaft tötet!"
Die Wahl des Namens Leo IV. deutet also darauf hin, dass Prevost an diese große Tradition römischer Sozialverkündigung anschließen möchte. Dass auch er die Not der arbeitenden Armen der Welt sieht und in einer systematischen, durch die Liebesbotschaft des Evangeliums erhellten Weise diese Not lindern will. Sicher haben die Jahre des Lebens mit den Kleinbauern im peruanischen Chiclayo, ihre Lebensumstände und ihr mühsamer Überlebenskampf den neuen Leo geprägt. Es ist daher zu erwarten, dass er die Besitzenden sowohl in die individuelle als auch in die sozialethische Pflicht nehmen wird.
Denn wo Leo XIII. seinerzeit noch nicht wagte, die strukturellen Machtverhältnisse zu adressieren, auch aus der Angst, die braven Katholiken könnten dem revolutionären Sozialismus anheimfallen, betonen die Sozialenzykliken der letzten Jahrzehnte die Bedeutung von Gewerkschaften, internationalen Arbeitsnormen und dem Ziel, das Menschen in ihrer Arbeit Erfüllung finden, gar Anteil haben am Wirken Gottes in der Welt. ...
Bemerkenswert ist dann auch ein
Akzent, den der Papst selbst in seiner Predigt anlässlich seiner ersten Messfeier als Papst gelegt hat.
Diese Messe feierte Papst Leo XIV. zusammen mit den Kardinälen des Konklaves. Die von ihm gehaltene Predigt kann also durchaus auch als "an die Kardinäle gerichtet" bezeichnet werden.
Wir zitieren Radio Vatikan: ...
"... Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt. Es handelt sich um Umfelder, in denen es nicht leicht ist, das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, und in denen Gläubige verspottet, bekämpft, verachtet oder bestenfalls geduldet und bemitleidet werden.“
...
Alle, die in der Kirche ein Leitungsamt ausüben, seien dazu gehalten, „zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird (vgl. Joh 3,30), sich ganz und gar dafür einzusetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn zu erkennen und zu lieben“.
da ist sie also wieder, die Frage des zunehmenden Unglaubens und der Glaubwürdigkeit in einer Gesellschaft, die sich mehr um Dinge "wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen" sorgt. Und ja - auch die angsprochenen kirchlichen Würdenträger sind Teil der Gesellschaft.
Es gibt für eine religiöse Institution nichts schlimmeres, als ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dann geht auch der Glaube verloren. Und eine Kirche, die um der Macht willen selbst die eigene Soziallehre missachtet, verliert ihre Glaubwürdichkeit.
Dabei geht es nicht um das
erschreckende Verhalten von einzelnen Personen - sondern um
systemisches Versagen und damit
systematisches Handeln einer ganzen Institution, wie beim Vertuschen von Missbrauchsfällen durch geweihte Kleriker.
Dass es sich bei Leos Ausführungen nicht um spontane Gedanken handelt, sondern eine wohlüberlegte Aussage, macht
Radio Vatikan dann auch deutlich:
Der Vorgänger Franziskus hatte 2013 noch eine Stegreifpredigt gehalten; Leo hingegen hielt sich – bis auf seinen englischsprachigen Spontan-Prolog – an einen sorgfältig ausgearbeiteten Text. Darin zitierte er häufig aus dem Neuen Testament, zweimal aus Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils – und er machte sich eine berühmte Formulierung des hl. Ignatius von Antiochien zu eigen, nämlich dass die römische Kirche den „Vorsitz in der Liebe“ führe. Eine Deutung des Petrusdienstes, die heute ökumenisch weithin akzeptabel erscheint und die auch Franziskus 2013 gleich in seiner ersten Rede nach der Wahl aufgerufen hatte.