Dienstag, 21. Juni 2022

Entwicklungen beim kirchlichen Sonderrecht?

Obwohl der "Dritte Weg" zunehmend an seine Grenzen und damit in die gesellschaftliche Diskussion gerät (siehe zuletzt unser Hinweis vom Montag) und - wie das Thema "Tarifvertrag Altenpflege" beweist - die Macht der Caritas-Arbeitgeber ein Hemmklotz für die gesamte Branche ist, beschränkt sich die Neufassung der Grundordnung lediglich auf das Thema "persönliche Loyalitätspflichten" (Angst vor Arbeitgeberin Kirche) - und auch da wird alles andere als "sauber" gearbeitet.
Quellen z.B.:
Domradio: Kirchliche Arbeitsrechtsreform lässt noch manche Frage offen - "Insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre"
Katholisch.de: Im Arbeitsrecht muss es um Engagement und Kompetenz gehen
Ein Interview mit Bruno Schrage (Verantwortlicher für Caritaspastoral und für Grundsatzfragen des Diözesancaritasverbandes Köln) bringt es auf den Punkt:
Das Arbeitsrecht ist im staatlichen Kontext ein Schutzrecht für Arbeitnehmer und beschreibt die Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber. Jetzt könnte man die Frage stellen: Brauchen Arbeitnehmer ein besonderes Schutzrecht bei der Kirche? Oder: Braucht die Kirche ein besonderes Schutzrecht gegenüber Arbeitnehmern?
*)

Anstatt die kirchlichen Absonderlichkeiten (Sonderwege) zu beseitigen, flüchten sich die Kirchen nun in neue Sonderregelungen. So soll in Folge des Münsteraner Gutachtens, das die systemischen Ursachen des Machtmissbrauches der "Täterorganisation Kirche" deutlich machte, eine weitere kirchliche "Sondergerichtsbarkeit" gebildet werden.
Bindung an Entscheidungen von Gremien und kirchlichem Verwaltungsgericht

Der Bischof zeigte sich dankbar gegenüber den Forschern der Universität Münster, die die unabhängige Studie erarbeitet haben. Die Studie werfe "ein erschreckendes Licht auf die institutionellen und systemischen Faktoren sexuellen Missbrauchs, auf die verheerenden Auswirkungen einer rigiden Sexualmoral, eines völlig überhöhten Priesterbildes, eines geschlossenen Systems, das wesentlich von Männern geprägt und bestimmt war, einer gänzlich falsch verstandenen Mitbrüderlichkeit und einer bewusst geschaffenen Intransparenz im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs", so der Bischof. Bei der Pressekonferenz kündigte er daher konkrete Konsequenzen für die Missbrauchsaufarbeitung und -prävention an.
Missbrauch sei immer auch Missbrauch von Macht, so Genn. Daher werde er eine vorübergehende kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in Kraft setzen, mit der kirchliche Verwaltungsakte überprüft werden sollen. Eine von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beschlossene Ordnung für eine bundesweite kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit liegt seit Jahren in Rom zur Prüfung.
berichtet katholisch.de
Wir können davor nur warnen. Die Schwächen der angeblich unabhängigen kirchlichen Gerichte, die explizit im Auftrag der Bischöfe tätig sind, haben wir bereits aufgezeigt. Diese vorgeblichen Gerichte ändern also nichts an der Macht der Bischöfe und ihrer willfährigen Helfer.

Es genügt allerdings ein Blick in's Grundgesetz, um diesen Fluchtversuchen klare Grenzen aufzuzeigen. Dort steht:
Art 92
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

...
Art 101
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Das Grundgesetz sollte ein für alle, also auch für die Kirchen, geltendes Gesetz sein. Und ein weltliches Gesetz, das kirchliche Arbeits-, Datenschutz- oder Verwaltungsgerichte ausdrücklich errichtet oder zumindest deren Errichtung ausdrücklich erlaubt, haben wir bisher noch nicht gefunden.



*) Veranstaltungshinweis:
Das Online-Forum des DiCV Köln - "Kirchliches Arbeitsrecht: Auf dem Prüfstand oder schon auf dem Abstellgleis?" heute, am Dienstag, 21. Juni 2022 um 16:30 Uhr per Zoom.

Eine Woche später am Dienstag, 28. Juni um 16:30 Uhr folgt in der gleichen Reihe:
Im Ziel sind sich Caritas und ver.di im Grunde einig: In den Einrichtungen der Caritas soll es faire Löhne und anständige Arbeitsbedingungen geben. Deshalb lohnt jeder Versuch, nach einem Weg zu suchen, wie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam ausgehandelt werden können. Von einer gedeihlichen Zusammenarbeit von Caritas und ver.di zur Gestaltung der Arbeitsbeziehungen der Caritas-Beschäftigten würden alle profitieren. Und es wäre ein gutes Signal in Gesellschaft und Öffentlichkeit, dass Konflikte gelöst werden können.

Sylvia Bühler
Bundesvorstand Verdi
Bundesfachbereichsleiterin
Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft

Moderation: Melanie Wielens

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