Montag, 3. Februar 2014

Medieninformation: Rote Karte für den Arbeitgeber Arbeiterwohlfahrt / Protestaktion am 03.02.2014 / Untere Einkommensgruppen dürfen nicht schlechter gestellt werden

Rote Karte für den Arbeitgeber Arbeiterwohlfahrt

Untere Einkommensgruppen dürfen nicht schlechter gestellt werden


Am Montag, dem 03.02.2014 werden die Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Bayern (AWO) in München fortgesetzt. Zu Beginn findet von 10:00 bis 11:30 Uhr am Verhandlungsort in der Edelsbergstraße 10 in München eine Aktion der AWO-Beschäftigten statt. Sie werden ihren Unmut wegen des schleppenden Verlaufs der Verhandlungen zum Ausdruck bringen. ver.di-Verhandlungsführer Lorenz Ganterer wird zu den Kundgebungsteilnehmern sprechen. Diese wiederum werden den Arbeitgebervertretern die Rote Karte zeigen.


Der Arbeitgeberverband der bayerischen AWO-Einrichtungen hat in den aktuellen Tarifverhandlungen verlangt, dass ver.di unterschiedlichen Tarifsteigerungen zustimmen solle. Die höheren Einkommensgruppen sollen 2,85 Prozent bekommen und die unteren nur 2,1 Prozent. Die Gewerkschaft lehnt dies ab. Sie will für alle Beschäftigten eine Steigerung der Gehälter um 2,8 Prozent.

Die Arbeitgeberseite will diesmal die dauerhafte Spaltung der Belegschaft in Fachkräfte und Nichtfachkräfte mit der Brechstange durchsetzen. „Das ist aber mit uns nicht zu machen“ stellt Lorenz Ganterer klar. „Denn auch für Hilfs- und Servicekräfte, Betreuungskräfte und Reinigungskräfte werden Lebensmittel, Strom, Benzin und Mieten, etc. teurer. Unterm Strich wirkt sich dies bei niedrigen Vergütungen sogar deutlich spürbarer aus als bei höheren.“

Lorenz Ganterer widerspricht der Behauptung der AWO, dass die Entgelte des TV AWO Bayern im Durchschnitt weit über den Löhnen und Gehältern der Diakonie, der Caritas und des BRK liegen. „Dies ist keinesfalls so“, betont Ganterer. „Bei einem Vergleich Monatsentgelt und Jahressonderzahlung (Jahressumme) verdienen sehr häufig die AWO Beschäftigten weniger. Im Vergleich der Entgelte befinden sich AWO und Diakonie im Tabellenkeller.

ver.di orientiert sich mit seinen Forderungen am Tarifabschluss des BRK vom November letzten Jahres. Mit dem BRK konnte eine Gehaltssteigerung für alle Beschäftigten im ersten Schritt von 2,8 Prozent und im zweiten Schritt von 2,2 Prozent vereinbart werden. „Dies sollte eigentlich auch für die AWO möglich sein“ so Ganterer.


Um die AWO-Arbeitgeber von ihrer unsolidarischen Position abzubringen, hat ver.di die AWO Beschäftigten bereits in den letzten zwei Wochen zu betrieblichen Aktionen aufgerufen.

Weitere Informationen:

Lorenz Ganterer (ver.di Verhandlungsführer), 0170 / 5642389 oder
Heribert Weyrich (Gewerkschaftssekretär), 0170 / 5749003


Anmerkung der Redaktion:
Ob jetzt Diakonie oder AWO besser bezahlen, können und wollen wir nicht beurteilen. Es reicht für uns festzustellen, dass die Caritas - die dem TVöD-Abschluss meist hinterher läuft - jedenfalls nicht besser bezahlt als der TVöD dies tut *klick*. Die Beschäftigten sowohl bei der AWO, dem BRK wie auch bei der Caritas versuchen auf unterschiedlichsten Wegen und mit unterschiedlichem Erfolg, den Anschluss an den TVöD als Referenztarifvertrag zu halten. Die jeweiligen Geschwindigkeiten bzw. Zeitpunkte ergeben sich schon aus der verschiedenen Laufzeit unterschiedlicher Tarifverträge.

In der Medieninformation zur AWO Bayern wird der Sachverhalt deutlich, wird klar, wo die Frontlinien liegen: auch die Arbeitgeber der Wohlfahrtsverbände - und da unabhängig von der Wege-Frage - werden von den Privaten getrieben, in gleicher Weise. Unterschiedlich sind die Möglichkeiten der Beschäftigten, sich zu wehren. (Aber bei den Wohlfahrtsverbänden rechnet man sich gegenseitig vor, was 2. oder 3. Weg für Erfolge oder Mißerfolge haben.)
Die 1-Wegs-Tarife für die Hilfskräfte, die bei den Privaten von diesen Hilfskräften akzeptiert werden, nehmen den Akteuren des 2. und 3. Weges die Möglichkeit, die unteren Lohngruppen hochzuhalten. Bei den Fachkräften hilft derzeit gegen das Absenken auch nur der Fachkräftemangel. Der Slogan "Soziale Arbeit ist mehr wert" erhöht die Vergütungstabellen nicht.

Wir möchten diese Anmerkung mit einem Zitat von Prof. Dr. Thomas Dietrich, Präsident des BAG und Richter am Bundesverfassungsgericht a.D. (Arbeitsrecht und Kirche, Ausgabe 4/2013, S. 118) verbinden:
...
Richtig ist ..., dass radikaler Wettbewerb zu Fehlsteuerungen führen kann. Auf dem Arbeitsmarkt wäre das sogar unvermeidlich, wenn der Sozialstaat nicht Instrumente zur Verfügung stellte, die korrigierende Eingriffe möglch machen. Eines der wichtigsten Instrumente zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt ist der Tarifvertrag. Und wo dessen Wirkungsbereich nicht ausreicht, um Lohndumping zu verhindern, stellt der Staat zwei unterschiedliche Instrumente zur Verfügung: die Allgemeinverbindlichkeitserklärung und tarifgestützte Mindestlöhne. Auf dem Gebiet der sozialen Dienste ließe sich die Unterbietungskonkurrenz mit Hilfe dieser Instrumente wirkungsvoll unterbinden, und niemand bestreitet, dass das dringend notwendig wäre. Die Realisierung scheitert nur an den Kirchen bzw. an deren grundsätzlichen Vorbehalten gegen Tarifverträge.

Nach geltender Gesetzeslage darf der Staat nämlich nur solche Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären oder als Fundament einer Mindestlohnregelung nutzen, die bereits ohne seine Hilfe über eine ausreichende Anwendungsbreite verfügen. Derzeit müssen 50 Prozent der Arbeitnehmer im Geltungsbereich eines Tarifvertrages bereits tarifgemäß behandelt werden. Erst dann gilt die Regelung als repräsentativ genug, um verallgemeinert zu werden. Diese Quote ist aber ohne Beteiligung der kirchlichen Arbeitgeber praktisch nicht erreichbar. Selbst wenn es ver.di oder dem Marburger Bund gelänge, mit Arbeitgeberverbänden der freien Wirtschaft tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren, bliebe der Geltungsbereich solcher Regelungen eng begrenzt. Mit dem Hinweis darauf und auf die Konkurrenz der kirchlichen Arbeitgeber werden deshalb solche Tarifverträge abgelehnt. Die Blockade der Kirchen führt hier also zu einer Blockade des sozialstaatlichen Mechanismus. Kirchliche Tarifverträge könnten stattdessen eine Gesamtlösung ermöglichen.
...
Mit anderen Worten: wer heute noch im Sozialbereich auf dem "Dritten Weg" und der Konkurrenz der Systeme beharrt, der muss erklären, warum er die daraus folgenden prekären Arbeitsverhältnisse billigend in Kauf nimmt (denkt da jemand an Mt 7:16 ff ?).

Dazu abschließend einige kurze Zitate aus dem Apostolischen Schreiben EVENGELII GAUDIUM des Heiligen Vaters Papst Franziskus "über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute", das sich an alle Katholiken wendet:
... Obwohl "die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des Staates [...] zentraler Auftrag der Politik" ist, "kann und darf [die Kirche] im Ringen um Gerechtigkeit [...] nicht abseits bleiben. Alle Christen, auch die Hirten, sind berufen, sich um den Aufbau einer besseren Welt zu kümmern. Darum geht es, denn die Soziallehre der Kirche ist in erster Linie positiv und konstruktiv, sie bietet Ordnung für ein verwandelndes Handeln, und in diesem Sinn hört sie nicht auf, ein Zeichen der Hoffnung zu sein, das aus dem liebevollen Herzen Jesu Christ kommt. (183)
....
... und um über jene verschiedenen Themenkreise nachzudenken, verfügen wir mit dem Kompendium der Soziallehre der Kirche über ein sehr geeignetes Instrument, dessen Gebrauch und Studium ich nachdrücklich empfehle(184)
...
... Wir dürfen nicht mehr auf die blinden Kräfte und die unsichtbare Hand es Marktes vertrauen. Das Wachstum in Gerechtigkeit erfordert etwas, das mehr ist als Wirtschaftswachstum, auch wenn es dieses voraussetzt; es verlangt Entscheidungen, Programme, Mechanismen und Prozesse, die ganz spezifisch ausgerichtet sind und auf eine bessere Verteilung der Einkünfte, auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und auf eine ganzheitliche Förderung der Armen, die mehr ist als das bloße Sozialhilfesystem. (204)
...
... Es ist Zeit, in Erfahrung zu bringen, wie man in einer Kultur, die den Dialog als Form der Begegnung bevorzugt, die Suche nach Einvernehmen und Übereinkünften planen kann, ohne sie ... von der Sorge um eine gerechte Gesellschaft zu trennen. .... Es geht um ein Abkommen für das Zusammenleben, um eine gesellschaftliche und kulturelle Übereinkunft.. (239)
...

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