Höchste Zeit, dass die Kirche im 21. Jahrhundert ankommt und Schluss macht mit Diskriminierung und Sonderrechten. Mein Standpunkt von Daniel Wenk.Daniel, das sei erläutert, spiegelt darin die Meinung wieder, die aus der gewerkschaftlichen Sicht gegenüber allen Religionsgemeinschafen vertreten wird, wobei lediglich die beiden christlichen Kirchen solche Sonderrechte beanspruchen. Dass eine muslimische Gemeinde für deren Mitarbeitende die Anwendung der "Scharia" als Loyalitätsvorgabe festschreibt, haben wir jedenfalls noch nie gehört.
Drei Ereignisse der letzten Wochen werfen ein Schlaglicht darauf, wie die Kirchen auf überkommenen, vordemokratischen Rechten beharren – und damit die Selbstbestimmung und Grundrechte anderer einschränken. Im Sommer die Auseinandersetzung um das weitgehende Verbot medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche am Christlichen Klinikum Lippstadt. Nach der Fusion der evangelischen und katholischen Krankenhäuser in der westfälischen Stadt untersagte die Klinikleitung dem Gynäkologen Dr. Joachim Volz, schwangeren Frauen zu helfen, deren Gesundheit bedroht ist oder die zum Beispiel ein nicht lebensfähiges Kind erwarten. Mehr als 290.000 Menschen haben dagegen eine Petition unterzeichnet. Das Arbeitsgericht Hamm stellte sich auf die Seite der katholischen Kirche und wies Volz’ Klage in erster Instanz ab. Der Arzt hat Berufung eingelegt.
Wirtschaftliche Interessen
Ebenfalls im Sinne der Kirche entschied das Arbeitsgericht Erfurt am 12. November. Es untersagte den Beschäftigten im diakonischen Klinikum Weimar, ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag mit Warnstreiks Nachdruck zu verleihen. Der kirchliche Träger könne auch gegen den Willen seiner Belegschaft auf dem Dritten Weg kircheninterner Festlegung von Löhnen und Arbeitsbedingungen beharren. Bei diesem, angeblich auf »Konsens« ausgerichteten Modell bestimmen in letzter Konsequenz stets die Arbeitgeber, was am Ende herauskommt. Und das hinter verschlossenen Türen, ohne Transparenz und ohne Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft.
Die Ergebnisse sind entsprechend: Besonders Beschäftigte unterer Lohngruppen werden im Vergleich zum öffentlichen Dienst schlechter gestellt. Macht die Einrichtung Defizite, kann die Jahressonderzahlung einseitig gekürzt werden. Und vieles mehr. Kein Wunder, dass viele kirchliche Arbeitgeber verbissen an ihrem Weg festhalten. Das hat nichts mit dem »religiösen Ethos«, sehr viel hingegen mit wirtschaftlichen Interessen zu tun. Dagegen macht ver.di weiter mobil. Nur vordergründig erfolgreich war die Kirche in einem weiteren Fall: Das Bundesverfassungsgericht verwies im Oktober die Klage von Vera Egenberger zurück ans Bundesarbeitsgericht. Die Sozialpädagogin, deren Bewerbung bei der Diakonie erfolglos war, weil sie nicht der Kirche angehört, hatte wegen Diskriminierung geklagt und Recht bekommen. Auch wenn das höchste deutsche Gericht der Verfassungsbeschwerde der Kirche in diesem konkreten Fall stattgab, bestätigt es in seiner Urteilsbegründung zugleich, dass die Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist. Vielmehr müssen kirchliche Arbeitgeber widerspruchsfrei darlegen, warum bestimmte Tätigkeiten eine Kirchenmitgliedschaft erforderlich machen – staatliche Gerichte können dies nun überprüfen. Damit hat das Verfassungsgericht der kirchlichen Willkür weltliche Grenzen gesetzt.
Kein Super-Grundrecht
Die Kirche stilisiert ihr Selbstordnungsrecht zu einer Art Super-Grundrecht, beschneidet damit fundamentale Rechte anderer willkürlich. Der Widerstand dagegen wird weitergehen – im Gerichtssaal, im Betrieb und auf der Straße. Mit ihrem Beharren auf antiquierten Privilegien tut sich die Kirche selbst keinen Gefallen. Sie verstärkt das Bild eines aus der Zeit gefallenen Selbstverständnisses. Höchste Zeit, im 21. Jahrhundert anzukommen und Schluss zu machen mit Diskriminierung und Sonderrechten.
von Daniel Wenk
Aus der innerkirchlichen, katholischen Sicht ist ergänzend anzumerken, dass sowohl die eigenen Soziallehre wie auch das universelle kirchliche Gesetzbuch (Can. 1286 CIC) die Anwendung des "Gewerkschaftsprinzipes" und der weltlichen Normen des Arbeits- und Sozialrechts verbindlich fordern. Für ein davon abweichendes, gar konträr dazu stehendes "Sonderarbeitsrecht" der katholischen Kirche in Deutschland ist demnach kein Platz. Und weil diese universellen kirchlichen Texte auf theologischer Grundlage aufbauen, kann es auch keine theologische Grundlage für kirchliche Sondernormen in Deutschland geben. Aber darauf haben wir im Blog ja schon intensiv und oft hingewiesen.



