Dienstag, 4. November 2025

Solidarität mit Daniel Zander! Für Mitbestimmung statt Einschüchterung.

Hallo zusammen,
ein MAV-Kollege ist von Kündigung bedroht.
C. Schmidt von Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen der Diakonie Hessen (GAMAV DH) hat eine Petition gestartet und bittet um Unterzeichnung dieser Petition https://c.org/7vQ6nwqVLV bzw. auch https://www.change.org/p/solidarit%C3%A4t-mit-daniel-f%C3%BCr-mitbestimmung-statt-einsch%C3%BCchterung- dort gibt es auch mehr Informationen zum Fall.

Bitte gerne auch weiterleiten. 🙋‍♂

Weitere Informationen:
Diakonie Hessen - Geschäftsstelle GAMAV DH
Ederstraße 12
60486 Frankfurt
 Fax: 069 – 7947 – 99 62 48
 Email: kontakt@gamavdh.de

oder über die Website: www.gamavdh.de

Montag, 3. November 2025

Folgt die Caritas weiter dem öffentlichen Dienst?

Aus der allgemeinen Tarifrunde 2025 der Caritas (Abschluss Juni) sollte noch ein „Teil II“ beschlossen werden: neun Elemente, die im Öffentlichen Dienst erstritten wurden, jedes davon wichtig.
Nach zwei Verhandlungsterminen wird deutlich, dass sich die Dienstgeberseite der Caritas verweigert, dass sie kein Interesse hat, mit dem Abschluss im Öffentlichen Dienst gleichzuziehen. Ein eigenes Angebot von ihnen liegt nicht vor.
Wie geht es weiter?
Der nächste Verhandlungstermin ist der 28. November 2025. Damit die Bundeskommission am 4. Dezember 2025 entscheiden kann, muss sich die Dienstgeberseite jetzt bewegen!
das schreibt die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas auf Facebook.

Wir möchten da eine etwas andere Fragestellung einfügen:
Sind denn die genannten Punkte wie "Aufwertung der Hebammen", "Übernahme von Auszubildenden" oder "Entschädigung bei Ausbildungsfahrten" wirklich kirchenspezifisch? Sind das nicht viel mehr Punkte, mit denen die gesamte Branche zu tun hat? Muss der "Verdrängungswettbewerb" in der Branche wirklich zu Lasten der Beschäftigten geführt werden?
Wir brauchen faire Wettbewerbsregelungen, die aber nicht auf dem Rücken der Mitarbeitenden und zu Lasten der Betreuten und Patienten erstellt werden.

Wir brauchen - um es kurz zu sagen - allgemein verbindliche tarifvertragliche Regelungen, die für die gesamte Branche gelten. Das geht nur mit der Caritas. Und wenn sich die arbeitsrechtliche Kommission mit diesen "weltlichen Fragen" nicht mehr herumschlagen muss - nach dem Motto in der Bayerischen Regionalkoda "wir werden uns nie über die Gehaltshöhe streiten müssen" - dann wird vielleich endlich die Gelegenheit bestehen, das kirchenspezifische, das eine Caritas-Einrichutng in ihrer Qualität auszeichnen müsste, kirchenintern zu regeln.

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Nur noch zwei Wochen - Arbeitsgericht Erfurt und Streikrecht

Das Arbeitsgericht Erfurt wird (endlich) über das Hauptsacheverfahren in der Streikunterlassungs-Klage gegen ver.di entscheiden. Zeigt eure Solidarität am 12.11 um 10 Uhr vor dem Gerichtstermin, der um 11 Uhr stattfindet. Wer nicht dabei sein kann, sendet bitte eine kurze Soli-Sprachnachricht an Daniel Wenk (Quelle und Kontaktdaten - WhattsApp "Gleiches Recht für kirchlich Beschäftigte")

Montag, 27. Oktober 2025

§ Urteil Bundesarbeitsgericht: Geschlechtergerechtigkeit gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Bundesarbeitsgericht zu Lohngerechtigkeit
Frauen müssen sich nicht mit Mittelwert zufriedengeben
Wollen Frauen das Gleiche wie ihre männlichen Kollegen verdienen, dürfen sie sich dabei auch an Topgehältern orientieren, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Geklagt hatte eine Beschäftigte von Daimler Truck.
berichtet der SPIEGEL.

Die Entscheidung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Oktober 2025 – 8 AZR 300/24 – ist von der Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 23.10.2025 unter der Nummer 38/25 - Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung - Paarvergleich veröffentlicht worden.

Freitag, 24. Oktober 2025

§ Urteil des Bundesverfassungsgerichts - eine Würdigung, die immer mehr überzeugt

Der vermeintliche Triumph der Kirche im Fall Egenberger vor dem Bundesverfassungsgericht ist in Wahrheit ein Pyrrhussieg: denn der Preis dafür ist eine deutlich engere Kontrolle durch staatliche Gerichte.

Je mehr wir das Urteil studieren (unsere erste Analyse findet sich hier), desto mehr kommen wir zur Überzeugung, dass diese Analyse der Entscheidung den Kerrn trifft - absolut:
Im Fall Egenberger hat das Bundesverfassungsgericht nach sechs Jahren über die Verfassungsbeschwerde des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung entschieden. Die Diakonie hatte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts angefochten, das der konfessionsfreien abgelehnten Bewerberin Vera Egenberger eine Entschädigung wegen Diskriminierung zugesprochen hatte. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Zwar hatte die Diakonie mit ihrer Verfassungsbeschwerde Erfolg, sodass das Bundesarbeitsgericht den Fall erneut verhandeln muss. Ihr eigentliches Ziel jedoch – die ihrer Ansicht nach das kirchliche Selbstverwaltungsrecht übermäßig einschränkende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu kippen – ist verfehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich vielmehr ausdrücklich als an das Unionsrecht "in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union" gebunden erklärt, wie der Staatsrechtler und Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw) Bodo Pieroth gegenüber dem ifw erläuterte.

Im Ergebnis hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum kirchlichen Arbeitsrecht und seinen Grenzen vollumfänglich bestätigt. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wurde lediglich aufgehoben, weil das Bundesverfassungsgericht eine fehlerhafte Gesamtabwägung zwischen den Rechten der Arbeitnehmerin und der Religionsfreiheit der Kirchen beanstandete. Damit steht dem Bundesarbeitsgericht nun eine Neuverhandlung bevor – bei der es, unter Beachtung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben, durchaus erneut zu dem Schluss kommen könnte, der Klägerin eine Entschädigung zuzusprechen.

Die Freude der evangelischen und katholischen Kirche über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist daher wenig nachvollziehbar. Denn, wie es die ifw-Beirätin und ehemalige Richterin am Bundesarbeitsgericht Ulrike Brune treffend formuliert: "Bei näherem Zusehen ist es ein Eigentor für die Kirchen: Anders als bisher müssen sie nun Gründe dafür angeben, wenn sie besondere Loyalitätsforderungen an Arbeitnehmer stellen. Religionszugehörigkeit dürfen sie nur verlangen, wenn die betreffende Arbeit es für den religiösen Sendungsauftrag erfordert. Und das können die staatlichen Gerichte jetzt im Einzelnen überprüfen. Das hätte das BVerfG vor ein paar Jahren noch als Aufruhr und Ketzerei betrachtet."


edit:
Einge diametral entgegen gesetzte Ansicht verbreiten kirchennahe Medien wie "katholisch.de":
Kirchenmitgliedschaft kann Bedingung bei Diakonie oder Caritas sein
So hat Karlsruhe den Freiraum der Kirchen im Arbeitsrecht gestärkt
Veröffentlicht am 25.10.2025 um 12:15 Uhr – Von Norbert Demuth (KNA)

Karlsruhe ‐ Eine Kirchenmitgliedschaft kann weiterhin Bedingung eines kirchlichen Arbeitgebers sein, wenn "die Bedeutung der Religion" für den Job plausibel dargelegt wird. So reagiert die Deutsche Bischofskonferenz auf Karlsruhe.

Ein Pfarrer muss Kirchenmitglied sein. Das ist auch für Außenstehende einleuchtend, denn er verkündigt die Botschaft der Kirche. Doch in welchen Fällen dürfen kirchliche Arbeitgeber Stellenbesetzungen auf anderer Ebene an eine Kirchenmitgliedschaft knüpfen, ohne konfessionslose Bewerber zu diskriminieren? Seit Donnerstag ist dies verfassungsrechtlich geklärt. Allerdings nicht haargenau, sondern in recht weiten juristischen Formulierungen.
"Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen", desto mehr Gewicht besitze das "Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft", erklärten die Richter. Sie stärkten damit das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Die katholische Bischofskonferenz reagierte umgehend: "Für die katholische Kirche ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kein Handlungsbedarf." Die Entscheidung bestätige die vorhandenen Regelwerke. Tatsächlich war bereits im November 2022 die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes", die den Umgang mit der Konfession der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelt, reformiert worden.

Nur bei bestimmten Positionen erforderlich
Die Religionszugehörigkeit ist demnach nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt für die Arbeit in Seelsorge und Glaubensvermittlung und zum anderen für Tätigkeiten, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren.
...

Der Arbeitsrechtler Ernesto Klengel sieht den Karlsruher Beschluss kritisch: Das Verfassungsgericht habe den Rahmen, den der EuGH 2018 für das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gesetzt hat, "weit interpretiert". Es sei abzuwarten, "ob der EuGH demnächst reagieren wird, da bei ihm weitere Fälle zum deutschen Sonderweg des kirchlichen Arbeitsrechts zur Entscheidung vorliegen".

§ Urteil des EuGH: Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung – Unterschiedliche Behandlung eines Arbeitnehmers, der selbst nicht behindert ist, sich aber um sein behindertes Kind kümmert – Verpflichtung des Arbeitgebers, angemessene Vorkehrungen zu treffen

Eine etwas lange Überschrift - die Entscheidung des EuGH (Leitsätze) ist dafür umso kürzer:
Gericht: EuGH 1. Kammer
Aktenzeichen: C-38/24
Urteil vom: 11.09.2025

Tenor:
1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere ihr Art. 1 sowie ihr Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b, ist im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Art. 2, 5 und 7 des am 13. Dezember 2006 in New York geschlossenen und mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dahin auszulegen, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, sondern wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

2. Die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 5, ist im Licht der Art. 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie von Art. 2 und Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie gegenüber einem Arbeitnehmer zu treffen, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, sofern diese Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.

Hinweis:
Die Richtlinie 2000/78/EG finden Sie im Internet unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=14062007...

Donnerstag, 23. Oktober 2025

§ Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht: ver.di begrüßt die Kernaussagen des Urteils.

Inzwischen hat sich unsere ver.di nicht nur die Leitsätze der Entscheidung angeschaut, sondern sich auch mit den Kernaussagen des Urteils auseinander gesetzt:
📣 Heute wurde ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht veröffentlicht. ver.di begrüßt die Kernaussagen des Urteils.
ℹ️ Hintergrund war die Klage einer Frau, deren Bewerbung für eine Projektstelle zur UN-Antirassismuskonvention von der Diakonie abgelehnt wurde, weil sie nicht der Kirche angehört.
👉 Im konkreten Einzelfall hat das Bundesverfassungsgericht zwar gegen die Klägerin entschieden.
💬 „Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht aber die grundsätzliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, wonach die Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist“, sagt Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand
Ver.di Pressemitteilung vom 23.10.2025
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die Kernaussagen des heute (23. Oktober 2025) veröffentlichten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht. „Im konkreten Einzelfall hat das Bundesverfassungsgericht zwar gegen die Klägerin entschieden, deren Bewerbung für eine Projektstelle zur UN-Antirassismuskonvention von der Diakonie abgelehnt wurde, weil sie nicht der Kirche angehört“, erläuterte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht aber die grundsätzliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, wonach die Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist.“ Vielmehr müssen kirchliche Arbeitgeber den Gerichten konkrete berufliche Anforderungen darlegen, warum bestimmte Tätigkeiten eine Kirchenmitgliedschaft erforderlich machen. Diese Argumentation unterliegt einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte.

„Für das grundgesetzlich verbriefte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen zieht nun das Bundesverfassungsgericht klare Grenzen“, erklärte Bühler. „Die Kirche darf ihre eigenen Angelegenheiten nur im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst regeln.“ Gerichte müssten im Konfliktfall zwischen dem kirchlichen Selbstordnungsrecht und zum Beispiel dem Schutz von Beschäftigten vor Diskriminierung abwägen. Im Fall der Klägerin als Sozialpädagogin habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) dies nicht ausreichend getan, so die Karlsruher Richterinnen und Richter, weshalb sie der Verfassungsbeschwerde der Kirche in diesem konkreten Fall stattgaben.

„Die Selbstbestimmung anderer ist ein hohes Gut. Deshalb sollte die Kirche das Urteil zum Anlass nehmen, ihr Beharren auf ein sehr weitgehendes Selbstverwaltungsrecht zu überdenken“, appellierte die Gewerkschafterin. „Es ist höchste Zeit, dass die Kirche im Jahr 2025 ankommt. Niemand hat etwas dagegen, dass die Pfarrerin oder der Seelsorger Kirchenmitglied sein müssen. Aber der willkürlichen Ausweitung auf andere Beschäftigte in Einrichtungen von Kirchen, Diakonie und Caritas sind nun Grenzen gesetzt. Schließlich pflegt eine qualifizierte Pflegekraft nicht weniger gut, nur weil sie kein Kirchenmitglied ist.“

Wir - von der Redaktion - sind noch nicht so weit, die materiellen Kernaussagen des Urteils abschließ0end würdigen zu können.
Wir beziehen uns dabei zunächst auf die Randnummer 218 der Entscheidung:
Damit die zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichteten Gerichte überprüfen können, ob ein solcher direkter Zusammenhang vorliegt, obliegt es wiederum der betroffenen Religionsgemeinschaft, anhand ihres Selbstverständnisses nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen, worin der Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der konkret betroffenen Tätigkeit besteht.
uns fehlt aber die ausreichende und nachvollziehbare Begründung, warum die entsprechende Tätigkeit nur durch eine Kirchenangehörige ausgeübt werden könnte. Das Gericht geht nur in wenigen und für unser Befinden etwas mager gestalteten Absätzen ganz am Ende seiner Entscheidung auf diese doch wesentlich erscheinende Frage ein.
Das Bundesverfassungsgericht führt in Rd.Nr. 276 dazu aus:
... Vielmehr setzt es sich über den von ihm selbst eingeräumten Umstand hinweg, dass der Stelleninhaber unter anderem die spezifisch christliche Sicht des Beschwerdeführers auf die Vorgaben der UN-Antirassismuskonvention, gegebenenfalls auch in Auseinandersetzung mit gegenläufigen Positionen anderer an der Erstellung des Berichts beteiligter Organisationen, zu vertreten hatte. Dass der Beschwerdeführer mit dieser Aufgabe, das heißt der glaubwürdigen und authentischen Vertretung des Ethos des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstellung des Parallelberichts, nach der Stellenausschreibung nur eine Person betrauen wollte, die die damit verbundenen, aus christlicher Perspektive für die religiöse Identität konstitutiven Überzeugungen auch persönlich als Kirchenmitglied verkörpert, wird vom Bundesarbeitsgericht mit dem Argument beiseitegeschoben, dass es auf die Bekundung des christlichen Selbstverständnisses nur insoweit ankomme, als mit Auffassungsunterschieden im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zu rechnen gewesen sei. Insoweit sei es allerdings ausreichend, dass der Stelleninhaber über die maßgeblichen Fakten sowie verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und unionsrechtliche Grundlagen kirchlicher Einstellungspraxis unterrichtet sei und über fundierte Kenntnisse des kirchlichen Arbeitsrechts verfüge (BAG, a.a.O., Rn. 89, 93). Entscheidend wirke sich hier auch aus, dass er fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess bei dem Beschwerdeführer eingebunden gewesen sei und insofern nicht unabhängig habe handeln können (BAG, a.a.O., Rn. 101 f.).
das mag oberflächlich gesehen plausibel erscheinen - erscheint uns aber etwas dürftig.
Es gibt keine evangelische oder katholische Sozialpädagogik. Genauso wenig, wie es in der Küche evangelische Schnitzel oder katholischen Karfoffelsalat gibt. Wir bestreiten nicht, dass es für seelsorgerliche Tätigkeiten etwa durch Priester auch und gerade auf die volle Kirchenzugehörigkeit ankommt. Diese ist geradezu eine Voraussetzung für die entsprechenden Weihen. Solche Aufgaben und Tätigkeiten werden aber auch in einem speziellen Dienstverhältnis kirchlichen Rechts übertragen. Wenn sich die Kirchen dagegen des weltlichen Arbeitsrechts bedienen, dann kann es - schon infolge dieser Rechtswahl - kaum spezifische Gründe für ein kirchenspezifisches Dienstverhältnis geben. Wenn es denn eine solche gäbe, dann müsste das doch wesentlich ausführlicher und umfangreicher begründet werden können.
In Rd.Nr 282 schreibt das Gericht (Zitat)
Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Bundesarbeitsgericht die Aufgabe der Vertretung des Beschwerdeführers nach außen, aus der es zuvor unter anderem den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Kirchenmitgliedschaft und der ausgeschriebenen Tätigkeit abgeleitet hatte, angemessen gewichtet hat. Es findet zum einen keine eingehendere Auseinandersetzung damit statt, inwieweit ein einzustellender Referent der Kritik beteiligter Organisationen, insbesondere an der kirchlichen Einstellungspolitik, glaubwürdig allein mit fundierten rechtlichen Kenntnissen, etwa des kirchlichen Arbeitsrechts, entgegentreten kann. Zum anderen wird seitens des Bundesarbeitsgerichts nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen, dass der Beschwerdeführer an dieser Stelle eine glaubwürdige und nach außen hin authentische Vertretung der eigenen Position anstrebt, die er an der Kirchenzugehörigkeit festmacht.
Entschuldigung - aber was hier gefordert wird - eine glaubwürdige und auch nach außen hin authentische Vertretung der der instituionellen Position - ist Standard in den öffentlichen und kirchlichen Verwaltungen unseres Landes. Auch der kleinste Sachbearbeiter ist gehalten, die Positionen seiner jeweiligen Behörde zu vertreten, auch wenn er im Einzelfall anderer Auffassung sein mag. Er kann nicht seine eigene persönliche Auffassung an die Stelle der behördlichen Position setzen, die durch Dienstanweisungen, Rundschreiben und Ähnliches dokumentiert ist. Der Sachbearbeiter etwa im Grundsteueramt muss die entsprechenden Steuerbescheide erlassen und durchsetzen, auch wenn er sie persönlich im Einzelfall oder sogar generell für unverhältnismäßig oder gar rechtswidrig hält.
Und auch, wenn dem Gericht die Praxis der öffentichen und kirchlichen Verwaltungen fremd ist: es sollte aus seiner eigenen Erfahrung wissen, dass Rechsanwälte und Volljuristen die Interessen ihrer Mandanten zu vertreten haben, selbst wenn sie mit deren Handlungen und sogar deren Rechtsauffassungen nicht konform sind.
Es gibt mit Sicherheit, um ein konkretes Beispiel zu nennen, Atheisten, die Abtreibung für ein Verbrechen an den schutzbedürftigsten menschlichen Wesen halten und damit voll inhaltlich mit den Vorstellungen etwa der katholischen Kirche übereinstimmen. Ist es dann nachvollziehbar, die Aufnahme entsprechender Tätigkeiten am kirchlichen Taufakt fest zu machen?
Andererseits gibt es - auch und gerade im kirchlichen Bereich - mehr als genug Kirchenangehörige, die mit einzelnen oder mehreren Positionen der "Amtskirche" nicht überein stimmen. Diese Personen könnten also problemlos die ausgeschriebene Tätigkeit wahrnehmen?

Lassen sie es uns auf den Punkt bringen: Die rein formale Kirchengliedschaft sagt zur glaubwürdigen Vertretung kirchlicher Positionen nichts, absolut nichts aus. Wer die Aufnahme entsprechender Tätigkeiten vom "Mitgliedsbuch" abhängig macht, von der Taufe des Kleinkindes und dem - mangels inhaltlicher Auseinandersetzung lediglich unterlassenen - Kirchenaustritt, hängt einem völlig veralteten und nicht nachvollziehbaren Kirchenbild an. Glaubwürdige und authentische Vertretung verlangt etwas ganz anderes als eine rein formale Papierbescheinigung.
Aber, liebe kirchliche Institutionen, bleibt weiter auf Eurem formalen "Kirchensteuerzahler-Trip". Wenn es dabei bleibt, werden hunderte von kirchlichen Einrichtungen mangels Personal nicht mehr betrieben werden können und schließen müssen.Der "barmherzige Samariter" hat also bei der Diakonie keine Chance. Er gehört der "falschen Fraktion" an.
Vielleicht hat wenigstens die Caritas die Zeichen der Zeit erkannt - und trägt dazu bei, dass der evangelische Christ ein besserer Protestant, der katholische Christ ein besserer Katholik, der Muslim ein besserer Muslim und der Humanist ein besserer Humanist wird.

§ BVerfG: in unserm Staat sind alle gleich, bloß d'Kirch gehört zum Himmelreich

und steht deshalb außerhalb der Rechtsordnung. So möchte ich als erste Reaktion die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes kommentieren.
Beschluss vom 29. September 2025

Leitsätze zum Beschluss des Zweiten Senats vom 29. September 2025

- 2 BvR 934/19 -

Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung

1. Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, durch dieses aber nicht vollständig determiniert ist. Die hier maßgeblichen Normen der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des religiösen Arbeitsrechts belassen den Mitgliedstaaten bei ihrer Durchführung Gestaltungsspielräume. Innerhalb des vom unionalen Fachrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Rahmens indizieren diese Gestaltungsspielräume Grundrechts-pluralität. In der Folge kann es angesichts der unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Wertungen bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Bereich des religiösen Arbeitsrechts kommen.

2. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch die Auswahl der Arbeitnehmer und den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge.

3. a) Die bindenden Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union lassen sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen. Dies führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts.

b) Die erste Stufe der Schrankenziehung erfährt insoweit eine Schärfung, als ausgehend vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft eine wirksame gerichtliche Kontrolle dahingehend erfolgt, inwieweit sich aus der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung – hier der Kirchenmitgliedschaft – und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Der Religionsgemeinschaft obliegt es, diesen Zusammenhang für die konkret betroffene Tätigkeit im Hinblick auf ihr religiöses Selbstverständnis plausibel darzulegen.

c) Die auf der zweiten Stufe erfolgende Gesamtabwägung der betroffenen rechtlichen Belange erfährt eine Konturierung dahingehend, dass die in Rede stehende berufliche Anforderung im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses verhältnismäßig sein muss. Dies lässt es – im Einklang mit der Offenheit des Unionsrechts für die unterschiedlichen grundrechtlichen Wertungen der Mitgliedstaaten – weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein besonderes Gewicht beizumessen.

d) Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung ist bei der Abwägung durch die Gerichte Rechnung zu tragen.

4. Im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht.

Im Einklang mit den einschlägigen Gewährleistungen der Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention unterscheiden Verfassungsrecht wie Unionsrecht grundsätzlich zwischen einer unzulässigen theologischen Bewertung des religiösen Ethos durch die staatlichen Gerichte einerseits und der rechtsstaatlichen Beschränkung der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des staatlichen (Gleichbehandlungs-)Rechts andererseits.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 934/19 -

Erste Pressemeldungen:
Domradio: Selbstbestimmungsrecht gestärkt
FAZ: Diakonie durfte konfessionslose Bewerberin ablehnen (Bericht)
FAZ: Karlsruhe gibt dem Bundesarbeitsgericht Nachhilfe (Kommentar)
FAZ: Diakonie durfte konfessionslose Bewerberin ablehnen (Kopie)
katholisch.de: Bundesverfassungsgericht stärkt Arbeitsrecht der Kirchen
katholisch.de: Deutsche Bischöfe - Urteil aus Karlsruhe stärkt Selbstbestimmungsrecht
SPIEGEL: Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte der Kirche in arbeitsrechtlichem Streit
Süddeutsche Zeitung: Bundesverfassungsgericht stärkt kirchliches Arbeitsrecht
Tagesschau: Kirchen dürfen Bewerbungen an Konfession knüpfen
ZDF Heute: Verfassungsgericht stärkt Rechte kirchlicher Arbeitgeber
DIE ZEIT: Religiöse Arbeitgeber dürfen Kirchenzugehörigkeit verlangen

BVerfG zu konfessionsloser Bewerberin: Der Fall Egen­berger vor der Ent­schei­dung

Heute steht eine wichtige Entscheidung an, Verfassungsbeschwerde der Diakonie gegen eine Entscheidung des EuGH aus 2018 zur Klage von Vera Egenberger . Wir sind gespannt und werden Stellung nehmen!
Die Legal Tribune Online (LTO) berichtet:
Eine konfessionslose Sozialpädagogin bewarb sich erfolglos bei der Diakonie. Nach vielen Verfahren stehen nun die Rechtsprechung von EuGH und BAG gegen das BVerfG. Das verkündet nun seine Entscheidung.

"Egenberger" - das ist mittlerweile ein Fachwort im kirchlichen Arbeitsrecht. Es ist der Name einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die das kirchliche Arbeitsrecht bereits maßgeblich verändert hat (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-414/16). Und es ist der Nachname von Vera Egenberger, einer inzwischen 63-jährige Sozialpädagogin, die dieses Urteil erstritten hat. Seit sechs Jahren ist das Verfahren am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Am Donnerstag wird der zweite Senat seine Entscheidung auf die Verfassungsbeschwerde der Diakonie verkünden (Az. 2 BvR 934/19).

Dann wird das BVerfG entweder seine Rechtsprechung der des EuGH angleichen. Oder es wird das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung manifestieren – und sich damit erneut in Divergenz zum EuGH setzen. Aber dazu später mehr.
...
Unsere Meinung haben wir schon öfter deutlich gemacht:
Das Recht der Kirchen, zur Selbstordnung und Selbstverwaltung (nicht Selbstbestimmung) besteht nur für die eigenen Angelegenheiten und auch nur in den Schranken der für alle geltenden Gesetze.

Man kann schon in Zweifel stellen, ob Diskriminierung von Persinen, die der jeweiligen Kirche nicht angehören, eine eigene Angelegenheit der jeweiligen Kirche ist und nicht auch Personen betrifft, die eben gerade dieser Kirche nicht angehören. Deutlich wird das in den (hier nicht einschlägigen) Konkordatsverträgen mit der katholischen Kirche, in denen der Kirche nur eine Rechtssetzungsbefugnis für die eigenen Mitglieder zugestanden ist.
Die Anwendung des weltlichen Arbeitsvertragsrechts ist letzendlich eine Rechtswahl der Kirchen selbst - wenn sie sich dafür entscheiden und von kircheneigenen Regelungen wie Ordensmitgliedschaften absehen, dann beanspruchen sie letztendlich keine eigene Regelungsbefugnis sondern unterwerfen sich dem für alle geltenden Arbeitsrecht.

Sicher wird das aber beim europarechtlich einheitlich geregelten Diskriminierungsverbot, das - auch in streng katholischen Ländern wie Irland, Italien oder Polen - eine Diskriminierung aus religiösen Gründen verbietet. Und niemand hat uns bisher erklären sollen, wieso das einheitliche europäische Recht nicht zu den "für alle geltenden Gesetzen" gehören soll.
Klar ist jedenfalls, dass im Zweifel zwischen der umsetzenden nationalen Rechtsnorm (AGG) und der grundlegenden europäischen Rechtsnorm die dem EU-Recht konforme Interpretation zu wählen ist. Das verlangt schon das Interesse am Erhalt der (untergeordneten) nationalen Umsetzungsvorschrift.

weitere Meldungen:
Bundesverfassungsgericht (Terminvorschau):
Aktenzeichen: 2 BvR 934/19
Kurzbeschreibung des Verfahrensgegenstandes: Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Vereins gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. In der Entscheidung – der eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hat das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Referentenstelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und diese so aus Gründen der Religion benachteiligt habe.
Vorausgegangene fachgerichtliche Entscheidung: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 -
Voraussichtlicher Veröffentlichungstermin: 23. Oktober 2025
Bundesverfassungsgericht "Geplante Entscheidungen 2025 Zweiter Senat":
Berichterstatterin: BVRin Prof. Dr. Langenfeld
Aktenzeichen: 2 BvR 934/19
Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Vereins gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. In der Entscheidung – der eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hat das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Referentenstelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und diese so aus Gründen der Religion benachteiligt habe.

Verfassungsblog 03. Mai 2019: Heiko Sauer Kirchliche Selbst­bestimmung und deutsche Verfassungs­identität: Überlegungen zum Fall „Egenberger“
Hans-Böckler-Stiftung Ausgabe 02/2023: „Ein Arbeitsvertrag ist eine weltliche Angelegenheit“
Süddeutsche Zeitung 21. Oktober 2025, 14:54 Uhr: Akzeptiert Karlsruhe ein Sonderrecht für Kirchen?
evangelisch.de, 22.10.2025: BVerfG-Urteil erwartet - Was dürfen Kirchen im Job verlangen?
Tagesschau Stand: 23.10.2025 03:10 Uhr: Arbeit für die Kirche - Auch ohne Kirchenmitgliedschaft?

Montag, 13. Oktober 2025

§ - Zwangsmitgliedschaft in einem System des Dritten Weges - schließt das einen Anwendungstarifvertrag aus?

Mit einer interessanten Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht im Juli 2025 befasst. Denn grundsätzlich gilt ja, dass die Mitgliedschaft in einer Koalition - sei es auf Mitarbeiterseite wie auch auf Arbeitgeberseite - freiwillig sein muss. Es gibt nun einmal die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit, die auch die "negative Koalitionsfreiheit " - also das Recht, eben nicht Mitglied werden zu müssen, einschließt. Nur solche freiwilligen Koalitionen sind berechtigt und fähig, einen Tarifvertrag zu schließen.
Das System des "Dritten Weges" schließt aber den kirchenrechtlichen Zwang zur Anwendung mit ein. Das ergibt sich letztendlich aus der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO). Die einem Bischof kirchenrechtlich untergeordneten kirchlichen Rechtsträger sind aufgrund dieses bischöflichen Gesetzes kirchenrechtlich verpflichtet, die Regelungen des "Dritten Weges" für sich anzuwenden. *)

Unsere Veröffentlichung vom gestrigen Freitag hat nun zu Rückfragen geführt, ob denn der Vorschlag "identische Regelungen von AVR Caritas und TVöD anstatt über einseitige "Allgemeine Geschäftsbedingungen" als "beiderseitige Vereinbarung" (Stichwort: Anwendungstarifvertrag) miteinander zu koppeln" überhaupt mit dem Gedanken der Koalitionsfreiheit vereinbar und damit auch rechtswirksam wäre. Denn eine solche Vereinbarung - etwa durch einen Bischof geschlossen - oder gar eine kirchengesetzliche Regelung würde für alle diesem Bischof kirchenrechtlich unterstehenden kirchlichen Rechtsträger gelten, und das nicht etwa freiwillig, sondern verpflichtend.

Wir haben bisher argumentiert, dass Caritas und Kirche - soweit sie eben in einem auch kirchenrechtlichen Beherrschungsverhältnis stehen - einen Konzern darstellen. Es besteht ein rechtliches Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis, wobei es völlig egal ist, auf welcher Rechtsgrundlage dieses Verhältnis beruht. Das kann eine gesetzliche oder auch eine vertragliche Regelung sein - oder eben auch eine kirchenrechtliche Bestimmung, wie etwa die kirchliche Stiftungsaufsicht über die dem Bischof unterstehenden kirchlichen Stiftungen (vgl. BayStiftG i.V. KiStiftO). Wer bis hin zu persönlichen Loyalitätspflichten der Mitarbeitenden Anordnungen treffen kann, wer den Abschluss von Tarifverträgen untersagen kann - der kann genauso auch Tarifverträge abschließen oder zumindest deren Abschluss zulassen.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun in seinem Urteil vom 31. Juli 2025 – 6 AZR 172/24 – einen weiteren Weg gefunden. Auf die im genannten Fall vorliegende Zwangsmitgliedschaft im DDN und die daraus begründeten Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN kommt es nicht an. Denn "ist ... aus Anlass des Betriebsübergangs ua. von der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, ein Überleitungstarifvertrag geschlossen worden, der (hier in § 3) bestimmt, dass auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Bestimmungen des TV DN in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden" - dann braucht das Gericht "nicht mehr über die Frage der Tariffähigkeit" (der Partei, die einen anzuwendenden Tarifvertrag geschlossen hat, hier des DDN) befinden. Denn damit gilt:
Nimmt ein Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug, werden die Regelungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags inkorporierter Teil des verweisenden Tarifvertrags. Als solcher gelten sie unmittelbar und zwingend zwischen den an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags. Das gilt auch für den Fall, dass am Abschluss des in Bezug genommenen Tarifvertrags eine nicht tariffähige Partei beteiligt gewesen sein sollte.


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Die dem Vatikan unterstehenden Gemeinschaften päpstlichen Rechts (also vereinfacht die international tätigen Orden) können dagegen durch einen bischöflichen Rechtsetzungsakt nicht verpflichtet werden. Sie können aber freiwillig an einem der Systeme des "Dritten Weges" partizipieren und sich damit auch einem dort abgeschlossenen Anwendungstarifvertrag unterwerfen, oder für sich - wie es im universellen Kirchenrecht auch vorgeschrieben wäre - den "Zweiten Weg" anwenden und selbst Tarifverträge mit Gewerkschaften schließen.

Freitag, 10. Oktober 2025

AVR Caritas: 2027 - Angleichung an den TVöD

Wer bisher neu mit der AVR Caritas zu tun hatte, ist an dem Werk mit einem Allgemeinen Teil und über 30 Anlagen erst einmal verzweifelt. Da erreicht uns nun folgende Nachricht:
Es ist beschlossen! Die Neufassung der AVR Caritas treten am 1. Januar 2027 in Kraft. Das Projekt war zunächst bekannt als „Anlage-2-Reform“. Es geht jedoch um viel mehr: Die Reform bedeutet auch einen grundsätzlich neuen Aufbau der AVR.
Wir erklären, was sich ändert und wie das neue Tarifwerk der Caritas demnächst aussieht. Alle Informationen - auch schon den vollständigen Text der AVR 2027 - gibt es auf www.akmas.de/avr2027
(Quellen: u.a. Kollege Fikret Alabas auf Facebook)
Soweit wie wir das verstanden haben, werden Mitarbeitende, die bisher unter die Anlagen 2, 2d, 2e gefallen sind, die Gelegenheit erhalten, stattdessen die am TVöD orientierte AVR 2027 arbeitsvertraglich zugrunde zu legen. Dazu bedarf es einer individuellen arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Denn die AVR Caritas sind "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, wir berichteten). Da diese Regelungen nur aufgrund ausdrücklicher arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zur Grundlage des Arbeitsvretrages werden, muß die Anwendung neuer Regelungen auch ausdrücklich einzelvertraglich vereinbart werden (so schon Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 2012 - Az: 9 Sa 627/11 - vgl. sogar bei einem Betriebsübergang: BAG 6 AZR 683/16 und 6 AZR 684/16).

Wenn das mit der Angleichung an den TVöD tatsächlich so ist, dann wäre es ein Meilenstein in der Entwicklung hin zu einem Allgemein Verbindlichen Tarifvertrag - und damit auf dem Weg zum Ende der Schmutzkonkurrenz in der Branche. Denn es wäre dann kein Problem mehr, identische Regelungen von AVR Caritas und TVöD anstatt über einseitige "Allgemeine Geschäftsbedingungen" als "beiderseitige Vereinbarung" (Stichwort: Anwendungstarifvertrag) miteinander zu koppeln.
Ein Weg, den wir schon vor Jahren für die Vergütungsautomatik der Bayerischen Regional-KODA vorgeschlagen haben.
Das macht die Arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht überflüssig - im Gegenteil: damit wird der Weg zu kirchenspezifischen Regelungen geöffnet, die etwa für besondere kirchliche Berufsgruppen (im Bereich von Liturgie und Verkündigung) auch weiterhin benötigt werden. Und ganz nebenbei kann dann auch das "kirchenspezifische" einer echten kirchlichen Einrichtung besser herausgearbeitet werden als jetzt - wo sich die ARK Caritas im Streit um die Übernahme der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes erschöpft und sich die Caritas-Einrichtungen ansonsten nicht im Geringsten (nicht einmal durch eine Hauskapelle, denn die gibt es fast überall) von den "weltlichen Einrichtungen" der gleichen Branche unterscheiden.

Neues Material für die MAVen in Bayern

Die MAV-Broschüre und das Plakat, Solidarität ist unsere Stärke, stehen unten zum Download bereit. Die gedruckte Fassung kann bei euren Geschwerkschaftssekretär*innen bezogen werden. Das Plakat in A3 ist in der gedruckten Fassung enthalten.
berichtet unsere ver.di (Fachbereich C) aus Bayern. Das Material ist zwar speziell zu den Wahlen für die Mitarbeitervertretungen nach MVG-EKD 2026 erstellt worden - aber viele der Vorlagen sind auch gut für die MAVen nach MAVO verwendbar.
Unsere KollegInnen von Diakonie und evangelischer Kirche zeigen mal wieder, wie ver.di auch die MAV-Arbeit unterstützen kann.

Unser Tip: anschauen, was gut ist weiter verbreiten - und wenn man was abändern muss, dann zu Euren örtlichen ver.di Sekretären gehen (ihr kennt die ja alle), und gemeinsam Verbesserungen für MAVen nach MAVO erarbeiten.