Inzwischen hat sich unsere ver.di nicht nur die Leitsätze der Entscheidung angeschaut, sondern sich
auch mit den Kernaussagen des Urteils auseinander gesetzt:
📣 Heute wurde ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht veröffentlicht. ver.di begrüßt die Kernaussagen des Urteils.
ℹ️ Hintergrund war die Klage einer Frau, deren Bewerbung für eine Projektstelle zur UN-Antirassismuskonvention von der Diakonie abgelehnt wurde, weil sie nicht der Kirche angehört.
👉 Im konkreten Einzelfall hat das Bundesverfassungsgericht zwar gegen die Klägerin entschieden.
💬 „Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht aber die grundsätzliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, wonach die Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist“, sagt Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand
Ver.di Pressemitteilung vom 23.10.2025 Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die Kernaussagen des heute (23. Oktober 2025) veröffentlichten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht. „Im konkreten Einzelfall hat das Bundesverfassungsgericht zwar gegen die Klägerin entschieden, deren Bewerbung für eine Projektstelle zur UN-Antirassismuskonvention von der Diakonie abgelehnt wurde, weil sie nicht der Kirche angehört“, erläuterte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht aber die grundsätzliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, wonach die Kirche nicht einfach deshalb diskriminieren darf, weil sie Kirche ist.“ Vielmehr müssen kirchliche Arbeitgeber den Gerichten konkrete berufliche Anforderungen darlegen, warum bestimmte Tätigkeiten eine Kirchenmitgliedschaft erforderlich machen. Diese Argumentation unterliegt einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte.
„Für das grundgesetzlich verbriefte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen zieht nun das Bundesverfassungsgericht klare Grenzen“, erklärte Bühler. „Die Kirche darf ihre eigenen Angelegenheiten nur im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst regeln.“ Gerichte müssten im Konfliktfall zwischen dem kirchlichen Selbstordnungsrecht und zum Beispiel dem Schutz von Beschäftigten vor Diskriminierung abwägen. Im Fall der Klägerin als Sozialpädagogin habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) dies nicht ausreichend getan, so die Karlsruher Richterinnen und Richter, weshalb sie der Verfassungsbeschwerde der Kirche in diesem konkreten Fall stattgaben.
„Die Selbstbestimmung anderer ist ein hohes Gut. Deshalb sollte die Kirche das Urteil zum Anlass nehmen, ihr Beharren auf ein sehr weitgehendes Selbstverwaltungsrecht zu überdenken“, appellierte die Gewerkschafterin. „Es ist höchste Zeit, dass die Kirche im Jahr 2025 ankommt. Niemand hat etwas dagegen, dass die Pfarrerin oder der Seelsorger Kirchenmitglied sein müssen. Aber der willkürlichen Ausweitung auf andere Beschäftigte in Einrichtungen von Kirchen, Diakonie und Caritas sind nun Grenzen gesetzt. Schließlich pflegt eine qualifizierte Pflegekraft nicht weniger gut, nur weil sie kein Kirchenmitglied ist.“
Wir - von der Redaktion - sind noch nicht so weit, die materiellen Kernaussagen des Urteils abschließ0end würdigen zu können.
Wir beziehen uns dabei zunächst auf die
Randnummer 218 der Entscheidung:
Damit die zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichteten Gerichte überprüfen können, ob ein solcher direkter Zusammenhang vorliegt, obliegt es wiederum der betroffenen Religionsgemeinschaft, anhand ihres Selbstverständnisses nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen, worin der Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der konkret betroffenen Tätigkeit besteht.
uns fehlt aber die ausreichende und nachvollziehbare Begründung, warum die entsprechende Tätigkeit nur durch eine Kirchenangehörige ausgeübt werden könnte. Das Gericht geht nur in wenigen und für unser Befinden etwas mager gestalteten Absätzen ganz am Ende seiner Entscheidung auf diese doch wesentlich erscheinende Frage ein.
Das
Bundesverfassungsgericht führt in Rd.Nr. 276 dazu aus:
...
Vielmehr setzt es sich über den von ihm selbst eingeräumten Umstand hinweg, dass der Stelleninhaber unter anderem die spezifisch christliche Sicht des Beschwerdeführers auf die Vorgaben der UN-Antirassismuskonvention, gegebenenfalls auch in Auseinandersetzung mit gegenläufigen Positionen anderer an der Erstellung des Berichts beteiligter Organisationen, zu vertreten hatte. Dass der Beschwerdeführer mit dieser Aufgabe, das heißt der glaubwürdigen und authentischen Vertretung des Ethos des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstellung des Parallelberichts, nach der Stellenausschreibung nur eine Person betrauen wollte, die die damit verbundenen, aus christlicher Perspektive für die religiöse Identität konstitutiven Überzeugungen auch persönlich als Kirchenmitglied verkörpert, wird vom Bundesarbeitsgericht mit dem Argument beiseitegeschoben, dass es auf die Bekundung des christlichen Selbstverständnisses nur insoweit ankomme, als mit Auffassungsunterschieden im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zu rechnen gewesen sei. Insoweit sei es allerdings ausreichend, dass der Stelleninhaber über die maßgeblichen Fakten sowie verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und unionsrechtliche Grundlagen kirchlicher Einstellungspraxis unterrichtet sei und über fundierte Kenntnisse des kirchlichen Arbeitsrechts verfüge (BAG, a.a.O., Rn. 89, 93). Entscheidend wirke sich hier auch aus, dass er fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess bei dem Beschwerdeführer eingebunden gewesen sei und insofern nicht unabhängig habe handeln können (BAG, a.a.O., Rn. 101 f.).
das mag oberflächlich gesehen plausibel erscheinen - erscheint uns aber etwas dürftig.
Es gibt keine evangelische oder katholische Sozialpädagogik. Genauso wenig, wie es in der Küche evangelische Schnitzel oder katholischen Karfoffelsalat gibt. Wir bestreiten nicht, dass es für seelsorgerliche Tätigkeiten etwa durch Priester auch und gerade auf die volle Kirchenzugehörigkeit ankommt. Diese ist geradezu eine Voraussetzung für die entsprechenden Weihen. Solche Aufgaben und Tätigkeiten werden aber auch in einem speziellen Dienstverhältnis kirchlichen Rechts übertragen. Wenn sich die Kirchen dagegen des weltlichen Arbeitsrechts bedienen, dann kann es - schon infolge dieser Rechtswahl - kaum spezifische Gründe für ein kirchenspezifisches Dienstverhältnis geben. Wenn es denn eine solche gäbe, dann müsste das doch wesentlich ausführlicher und umfangreicher begründet werden können.
In Rd.Nr 282 schreibt das Gericht (Zitat)
Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Bundesarbeitsgericht die Aufgabe der Vertretung des Beschwerdeführers nach außen, aus der es zuvor unter anderem den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Kirchenmitgliedschaft und der ausgeschriebenen Tätigkeit abgeleitet hatte, angemessen gewichtet hat. Es findet zum einen keine eingehendere Auseinandersetzung damit statt, inwieweit ein einzustellender Referent der Kritik beteiligter Organisationen, insbesondere an der kirchlichen Einstellungspolitik, glaubwürdig allein mit fundierten rechtlichen Kenntnissen, etwa des kirchlichen Arbeitsrechts, entgegentreten kann. Zum anderen wird seitens des Bundesarbeitsgerichts nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen, dass der Beschwerdeführer an dieser Stelle eine glaubwürdige und nach außen hin authentische Vertretung der eigenen Position anstrebt, die er an der Kirchenzugehörigkeit festmacht.
Entschuldigung - aber was hier gefordert wird - eine glaubwürdige und auch nach außen hin authentische Vertretung der der instituionellen Position - ist Standard in den öffentlichen und kirchlichen Verwaltungen unseres Landes. Auch der kleinste Sachbearbeiter ist gehalten, die Positionen seiner jeweiligen Behörde zu vertreten, auch wenn er im Einzelfall anderer Auffassung sein mag. Er kann nicht seine eigene persönliche Auffassung an die Stelle der behördlichen Position setzen, die durch Dienstanweisungen, Rundschreiben und Ähnliches dokumentiert ist. Der Sachbearbeiter etwa im Grundsteueramt muss die entsprechenden Steuerbescheide erlassen und durchsetzen, auch wenn er sie persönlich im Einzelfall oder sogar generell für unverhältnismäßig oder gar rechtswidrig hält.
Und auch, wenn dem Gericht die Praxis der öffentichen und kirchlichen Verwaltungen fremd ist: es sollte aus seiner eigenen Erfahrung wissen, dass Rechsanwälte und Volljuristen die Interessen ihrer Mandanten zu vertreten haben, selbst wenn sie mit deren Handlungen und sogar deren Rechtsauffassungen nicht konform sind.
Es gibt mit Sicherheit, um ein konkretes Beispiel zu nennen, Atheisten, die Abtreibung für ein Verbrechen an den schutzbedürftigsten menschlichen Wesen halten und damit voll inhaltlich mit den Vorstellungen etwa der katholischen Kirche übereinstimmen. Ist es dann nachvollziehbar, die Aufnahme entsprechender Tätigkeiten am kirchlichen Taufakt fest zu machen?
Andererseits gibt es - auch und gerade im kirchlichen Bereich - mehr als genug Kirchenangehörige, die mit einzelnen oder mehreren Positionen der "Amtskirche" nicht überein stimmen. Diese Personen könnten also problemlos die ausgeschriebene Tätigkeit wahrnehmen?
Lassen sie es uns auf den Punkt bringen: Die rein formale Kirchengliedschaft sagt zur glaubwürdigen Vertretung kirchlicher Positionen nichts, absolut nichts aus. Wer die Aufnahme entsprechender Tätigkeiten vom "Mitgliedsbuch" abhängig macht, von der Taufe des Kleinkindes und dem - mangels inhaltlicher Auseinandersetzung lediglich unterlassenen - Kirchenaustritt, hängt einem völlig veralteten und nicht nachvollziehbaren Kirchenbild an. Glaubwürdige und authentische Vertretung verlangt etwas ganz anderes als eine rein formale Papierbescheinigung.
Aber, liebe kirchliche Institutionen, bleibt weiter auf Eurem formalen "Kirchensteuerzahler-Trip". Wenn es dabei bleibt, werden hunderte von kirchlichen Einrichtungen mangels Personal nicht mehr betrieben werden können und schließen müssen.Der "barmherzige Samariter" hat also bei der Diakonie keine Chance. Er gehört der "falschen Fraktion" an.
Vielleicht hat wenigstens die Caritas die Zeichen der Zeit erkannt - und trägt dazu bei, dass der evangelische Christ ein besserer Protestant, der katholische Christ ein besserer Katholik, der Muslim ein besserer Muslim und der Humanist ein besserer Humanist wird.