Freitag, 23. Juni 2023

§ Leiharbeit im Bereich der Kirche

Kirchliche Einrichtungen sind immer wieder mit dem Phänomen "Leiharbeit" konfrontiert. Da gibt es einerseits die "klassische Leiharbeit" etwa im Bereich der caritativ tätigen Einrichtungen.
Für diese Formen der Leiharbeit gibt es längst Entscheidungen der jeweiligen Kirchengerichte, die solche "klassische Leiharbeit" mit der Grundlage der "Dienstgemeinschaft" als weitgehend unvereinbar und damit weitgehend als unzulässig betrachten (zu den Grundsatzentscheidungen des Kirchengerichtshofes der EKD - KGH EKD - vgl. von Tillig in öAT 2019, Heft 9, S. 10027 ff - der KAGH hat für die katholische Kirche eine vergleichbare Rechtsprechungspraxis - vgl. auch 2011 Deutscher BundestagWissenschaftliche Dienste Nr. 6 – 3000-186/11).

Dazu kommt aber auch noch eine Besonderheit im Bereich der verfassten Kirche. Viele Tätigkeiten von Priestern werden bei zunehmendem Priestermangel durch angestellte Laientheologen, durch Sozialpädagogen oder Katecheten und Religionslehrer ausgeübt. Diese Mitarbeiter*Innen - z.B. Pastoral- und Gemeinde- assisten*Innen oder -referent*Innen - sind bei den jeweiligen Erz-Diözesen angestellt, im Kern also Mitarbeiter der jeweilgen Diözese, aber über einen (meist unbestimmten) Zeitraum hin fest für einen Einsatz bei einer örtlichen kirchlichen Einrichtung, einer oder mehrerer Kirchenstiftungen, Pfarreien, ja sogar in privaten oder staatlichen Altenheimen, Krankenhäusern und Schulen als Klinikseelsorger oder eben als Religionslehrer tätig. Die Ausübung der beruflichen Aufgaben erfolgt infolge einer Abordnung bei einem anderen Rechtsträger als dem Anstellungs- und Arbeitsvertragspartner. Die Tätigkeit dort wird dann auch unter mehr oder weniger intensiver Aufsicht und nach Weisung des örtlichen Pfarrers durchgeführt.

Eine klassische Leiharbeit?
Üblicherweise gibt es bei einem Arbeitsverhältnis eine Zweierbeziehung, so gibt es Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei der Leiharbeit besteht jedoch eine Dreiecksbeziehung. Arbeitnehmer sind bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Diese Zeitarbeitsfirmen stellen ihre Mitarbeiter gegen Entgelt einem Dritten zur Arbeitsleistung zur Verfügung. Dieses Prinzip wird auch als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet.
Der Verleiher ist in diesem Fall der Arbeitgeber, der Dritte, der die Arbeitsleistung in Anspruch nimmt, wird als Entleiher bezeichnet. Während der Dauer der Überlassung in den Betrieb des Entleihers, sind die Leiharbeiter in diesen eingegliedert und müssen sich nach den Weisungen des Entleihers richten, § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Es besteht somit zwischen Entleiher und Leiharbeiter kein regulärer Arbeitsvertrag. Vielmehr erfolgt die Anstellung über den Verleiher, mit dem auch der Arbeitsvertrag aufgesetzt wird.
Definition zitiert aus dem Juraforum

Der EuGH hat nun eine Entscheidung getroffen, die eine Nichtanwendung der "Leiharbeitsregelungen" stützen könnte. Hintergrund der Entscheidung war die zunehmende "Privatisierung" von öffentlichen Einrichtungen. Dabei werden ganze Einrichtungen wie Altenheime, Krankenhäuser usw. vom bisherigen (öffentlichen) Arbeitgeber ausgegliedert, die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten werden in Form eines Betriebsübergangs durch den neuen (privaten) Arbeitgeber weiter geführt. Die betroffenen Arbeitneher können einem solchen Betriebsübergang aber widersprechen. Dann bleibt das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber erhalten.
Was aber, wenn der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers aufgrund der Privatisierung inzwischen weggefallen ist? Um Kündigungen zu vermeiden, haben die Gewerkschaften in § 4 Abs 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) die Möglichkeit der "Abordnung" geschaffen. Liegt damit eine Arbeitnehmerüberlassung vor? Der EuGH hat sich nun mit dieser Rechtskonstellation befasst.
Die Entscheidung wird von der LTO.de - Legal Tribune Online - besprochen:
EuGH-Urteil betrifft öffentliche Arbeitgeber
Personalgestellung ist keine Leiharbeit


Die Leiharbeitsrichtlinie gilt nicht für Dauerarbeitsverhältnisse. Arbeiten Beschäftigte durch Personalgestellung bei Dritten, ist das keine Leiharbeit, so der EuGH. Jörn Kuhn und Isabel Hexel erklären, was in dem Urteil steckt.

Eine Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fällt nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Richtlinie zu Leiharbeit (2008/104/EG). Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden (Az. C 427/21). Öffentliche Arbeitgeber dürften damit Grund zur Freude haben.
Bei einer Personalgestellung besteht das bisherige Arbeitsverhältnis fort, aber der Beschäftigte arbeitet dauerhaft bei einem Dritten. Das ist keine Leiharbeit, stellte der EuGH klar.
...
Die Leiharbeitsrichtlinie beziehe sich ausschließlich auf vorübergehende Arbeitsverhältnisse, Übergangsarbeitsverhältnisse oder zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse und nicht auf Dauerarbeitsverhältnisse wie im vorliegenden Fall. Die mit der Leiharbeitsrichtlinie verfolgten Ziele der Flexibilität der Unternehmen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze oder der Förderung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung seien für Dauerarbeitsverhältnisse nicht relevant. ....
...
Öffentliche Arbeitgeber können weiterhin auf der Basis des § 4 Abs. 3 TVöD per erweitertem Direktionsrecht die Verrichtung der Tätigkeit bei einem Dritten anordnen, wenn es zu einer Aufgabenverlagerung kommt....
(Zitatquelle: LTO)

Damit stellt sich dann nur noch die Frage, ob die "Allgemeine Geschäftsbedingungen" der Kirchen als Grundlage für ähnlich umfangreiche Personalgestellungen wie der angesprochenen Tarifvertrag (§ 4 Abs. 3 TVöD) sein können.

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